Der Weg zum neuen Präsidenten
Muslime. Die Islamische Glaubensgemeinschaft wählt am Samstag eine neue Führung. Der neue Präsident soll die Muslime einen und sie politisch härter, aber mit Fingerspitzengefühl vertreten.
Was muss der neue Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) können? Es ist wohl diese Frage, die am Samstagabend darüber entscheiden wird, wer Ibrahim Olgun als oberster Vertreter von Österreichs Muslimen nachfolgen wird. Der 31-Jährige hat ja bereits angekündigt, dass er nicht mehr kandidieren, ja nicht einmal eine weitere Funktion in der IGGÖ anstreben will.
Was insofern logisch ist, weil der Neuwahlbeschluss im Schurarat vom 11. November so etwas wie ein Misstrauensvotum gegen ihn war. Selbst aus seinem Verband Atib gab es Stimmen gegen ihn. Über die kurze Ära von Olgun lässt sich auch ableiten, was die Muslime von ihrem neuen Präsidenten erwarten. Denn sein Amtsverständnis war vor allem von Religiosität geprägt – dass der Theologe ein frommer Muslim ist, streitet kaum jemand ab.
So wie auch, dass der bis zu seiner Wahl im Juni 2016 öffentlich weitgehend Unbekannte mit den besten Vorsätzen sein Amt antrat. Mit Managementqualitäten und Leadership fiel er dagegen weniger auf, und auch als Netzwerker galt er nicht unbedingt – nicht zuletzt deswegen wurde er in den vergan- genen Monaten hängen gelassen und schließlich quasi abmontiert.
Letztlich spielte auch das Auftreten des Präsidenten gegenüber der Politik eine Rolle – so wie auch schon bei Olguns Vorgänger Fuat Sanac, dem vorgeworfen wurde, das Islamgesetz von 2015 nicht heftig genug bekämpft, es sogar gebilligt zu haben. Olgun wiederum stolperte über die von der Regierung mit großer Inszenierung verkündete Schließung von sieben Moscheen im heurigen Juni. Olgun wurde vorgeworfen, dass er selbst diese Schließungen – und damit verbunden die Auflösung der arabischen Kultusgemeinde – initiiert habe. Er selbst verteidigte sich damit, dass er zur Meldung von Ungereimtheiten gesetzlich verpflichtet gewesen sei. Doch den Wortlaut der Meldung beim zuständigen Kultusamt legte er den IGGÖGremien trotz Aufforderung nicht vor.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte Olgun das Vertrauen vieler Vertreter der IGGÖ verloren. Vizepräsident Abdi Tasdögen war es, der damit auch nach außen ging. Deutlich artikulierte er seine Kritik in der Öffentlichkeit – und erweckte so den Anschein, dass er selbst das Amt des Präsidenten anstrebt. Allein, bald verkündete er, dass er nicht zur Verfügung stehen würde, dass er keine hohen Posten in der IGGÖ anstrebe.
Im Gespräch mit der „Presse“kommentierte er aber gleich einen möglichen Kandidaten, dessen Name bereits kursierte: „Ümit Vural ist sicher eine der kompetentesten Personen, die diese Aufgabe sicher gut meistern kann.“Nun kommen sowohl Tasdögen als auch Vural aus der Islamischen Föderation, dem neben Atib zweiten großen türkischen Dachverband. Doch auch aus anderen – auch ethnischen – Lagern ist derzeit viel Lob für Vural zu hören.
Ümit Vural als Favorit
Der 1982 im anatolischen Yozgat geborene Jurist, ist unter Muslimen zu hören, wird als Mensch mit Handschlagqualität geschätzt, gilt als Pragmatiker und als jemand, der Einflussnahme aus dem Ausland strikt ablehnt. Empathie wird ihm attestiert, so wie auch die Fähigkeit, dass er in einem Diskurs hart, aber mit Fingerspitzengefühl vorgehen kann. Und dass er selbst in einem Format wie der ORFPressestunde bestehen könnte. Angerechnet wird ihm auch, dass er in der Ära Sanac bei den Verhandlungen zum Islamgesetz noch einige Punkte zugunsten der Muslime verbessern konnte.
Bisher hat sich Vural noch nicht öffentlich zu seiner möglichen Wahl geäußert. Aber auch mögliche ernsthafte Gegenkandidaten haben sich bisher nicht aus der Deckung gewagt. Die tatsächliche Entscheidung, wer neuer IGGÖ-Präsident wird, wird am Samstagabend fallen. Zum Prozedere: Es ist keine Basiswahl, sondern die einzelnen Kultusgemeinden – und kleinere Vereine über den Umweg des Beirats – entsenden neue Vertreter für den Schurarat, das legislative Organ der IGGÖ. Sie bestimmen dann die Mitglieder des Obersten Rats, also des obersten Verwaltungsorgans. Der Vorsitzende des Obersten Rats ist gleichzeitig Präsident der IGGÖ.
Und er – die Chance, dass eine Frau das Amt übernimmt, gilt derzeit als sehr gering – ist dann der höchste Repräsentant der Muslime in Österreich. Spätestens dann wird sich zeigen, was der neue Präsident tatsächlich kann.