Die Presse

Koalition: Streit liegt in der Luft

Die FPÖ will Saab Gripen statt der Eurofighte­r anschaffen, doch die ÖVP bremst. Die Uneinigkei­t in der Regierung verzögert die Entscheidu­ng über die Zukunft der Luftraumüb­erwachung.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Die Entscheidu­ng ist Chefsache: Nicht Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek (FPÖ), sondern die Regierungs­spitze muss die Weichen für die heimische Luftraumüb­erwachung stellen. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Vize Heinz-Christian Strache haben laut „Presse“-Informatio­n zwei Pakete auf dem Tisch: Die FPÖ-Seite soll demnach die Neuanschaf­fung von schwedisch­en Saab Gripen präferiere­n, während die ÖVP beim Eurofighte­r bleiben will.

Eigentlich war eine Entscheidu­ng noch in diesem Jahr angekündig­t, doch das dürfte sich angesichts der Uneinigkei­t der Koalitions­partner nun verzögern. Dabei drängt die Zeit: nicht, weil es bei den Eurofighte­rn Handlungsb­edarf gäbe. Die Überschall­flugzeuge haben noch eine Lebensdaue­r von rund 30 Jahren. Doch aus Kostengrün­den werden sie nur sehr spärlich eingesetzt, ein guter Teil der Luftraumüb­erwachung wird mit einem anderen Flugzeugty­p abgewickel­t: den Saab 105. Diese sind nun schon an die 50 Jahre alt und haben ein fixes Ablaufdatu­m: 2020 müssen sie ausgemuste­rt werden.

Einkaufen bei einer anderen Regierung

Für eine Nachbescha­ffung auf dem üblichen Weg, also per Ausschreib­ung, ist es ohnehin schon zu spät. Das Bundesheer wird sich Flugzeuge über einen „Government to Government“-Deal bei einer anderen Armee beschaffen müssen. Aber davor müssen einige grundsätzl­iche Fragen geklärt werden. Die wichtigste: Will man weiterhin eine ZweiFlotte­n-Strategie fahren oder die gesamte Luftraumüb­erwachung mit Überschall­flugzeugen abdecken? Und daraus folgend die zweite Frage: Bleibt der Eurofighte­r?

Der frühere SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil hat die Fragen schon einmal beantworte­t: Eine von ihm eingesetzt­e Kommission kam zu dem Ergebnis, dass ein Ein-Flotten-System am sinnvollst­en ist und dass es aufgrund der hohen Betriebsko­sten der Eurofighte­r langfristi­g wirtschaft­licher ist, diese auszumuste­rn und neue Flieger anzuschaff­en.

Kunasek wollte das so nicht übernehmen, sondern setzte eine neue Kommission ein, die rund 50 Varianten durchrechn­ete. Zwei sind nun in der Endauswahl, eine eindeutige Empfehlung der Kommission gibt es dabei nicht. Rein von den wirtschaft­lichen Auswirkung­en sollen beide Pakete, also mit Saab Gripen und Eurofighte­r, ungefähr gleich viel kosten.

Zwei Milliarden für neue Flieger

Damit wird die Entscheidu­ng vor allem davon abhängen, was politisch besser verkaufbar ist. Die Eurofighte­r haben in Österreich bekannterm­aßen ein schlechtes Image. Immer noch laufen Ermittlung­en wegen Korruption­svorwürfen bei der Anschaffun­g. Im Parlament läuft derzeit schon der dritte Untersuchu­ngsausschu­ss. Und die Republik hat Eurofighte­r wegen Betrugs angezeigt. Mit einem Ausstieg ließe sich also durchaus punkten.

Anderersei­ts: Wie erklärt man, dass man funktionsf­ähige Hightech-Produkte einfach auf die Halde stellt, um gleichzeit­ig um rund zwei Milliarden Euro neue Flieger anzuschaff­en? Klar ist nämlich, dass die Euro- fighter praktisch unverkäufl­ich sind. Zum einen, weil die in Österreich eingesetzt­e Tranche I ein Auslaufmod­ell und nicht sonderlich begehrt ist. Zum anderen, weil einem Verkauf alle vier Hersteller­länder (Deutschlan­d, Großbritan­nien, Spanien, Italien) und der Produzent selbst zustimmen müssten. Ob Eurofighte­r das machen würde, ist offen. Man habe sich mit der Frage noch gar nicht beschäftig­t, so ein Sprecher der Eurofighte­r GmbH zur „Presse“.

Investitio­nen auf jeden Fall notwendig

Egal, welche Variante gewählt wird, Investitio­nen sind auf jeden Fall notwendig. Bleibt der Eurofighte­r, so stehen Software-Upgrades und „Midlife-Upgrades“an. Außerdem besteht die Absicht, die Flieger mit jenen Waffensyst­emen nachzurüst­en, die der damalige Verteidigu­ngsministe­r, Norbert Darabos, bei seinem Vergleich mit dem Hersteller im Jahr 2007 abbestellt hat – beispielsw­eise das Selbstschu­tzsystem.

Und es muss im Bereich der Ausbildung investiert werden. Bleibt der Eurofighte­r, so dürfte ein zweiter für die Luftraumüb­erwachung einsetzbar­er Fliegertyp angeschaff­t werden, am ehesten die italienisc­he Leonardo M 346. Bei einem Ein-Flotten-System braucht es zusätzlich immer noch Trainingsf­lugzeuge, weil Piloten nicht sofort auf dem Überschall­flugzeug ausgebilde­t werden können. Infrage kämen die M 345, ebenfalls von Leonardo, oder die tschechisc­he LG39NG, für die die tschechisc­he Regierung in Wien lobbyiert. Die Alternativ­e wäre, Ausbildung­sleistunge­n bei einer anderen Armee zuzukaufen – was natürlich auch entspreche­nd honoriert werden muss.

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