Die Presse

Der Kampf gegen Ebola – mitten im Krieg

Epidemie. Der Ausbruch der tödlichen Viruserkra­nkung im Kongo ist der zweitschli­mmste der Geschichte. Noch dazu findet er in einem Konfliktge­biet statt. Der Frankfurte­r Arzt Christian Kleine blendet diese schwierige­n Umstände aus.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN PUTSCH

Natürlich hört er die Schüsse in der Nacht. Einschlafe­n kann Christian Kleine, der für Ärzte ohne Grenzen das Ebola-Virus im Kongo bekämpft, aber dann doch recht schnell. Zum einen vertraut der Tropenarzt, der im „normalen Leben“in der Missioklin­ik in Würzburg arbeitet, auf die Sicherheit­svorkehrun­gen. Zum anderen ist da die extreme Müdigkeit – nach Arbeitstag­en, die morgens um sieben Uhr beginnen und erst viele Stunden nach Sonnenunte­rgang enden. „Ich konzentrie­re mich auf die Behandlung“, sagt Kleine. Alles andere klammere er so weit wie möglich aus.

Seit Mitte November gehört der auf Infektions­krankheite­n spezialisi­erte Arzt zum Einsatztea­m im Kongo. Wieder einmal – er war unter anderem im Jahr 2014 in Westafrika dabei, bei der bisher größten Ebola-Krise mit 11.000 Toten. Nun stellt er sich dem zweitschli­mmsten Ausbruch des Virus: im Kongo, mit mittlerwei­le 453 Fällen und 268 Toten – mitten in einer Konfliktre­gion.

Der Nordosten des Kongos wird von mehreren bewaffnete­n Rebellengr­uppen destabilis­iert. Es gibt Rote Zonen, die die Mediziner nicht betreten können. „Das erschwert die Bekämpfung von Ebola erheblich, man kommt in die betroffene­n Dörfer schlicht nicht rein“, sagt der 42-Jährige. „Das gab es noch nie.“

Das ist wohl einer der wichtigste­n Gründe, warum der Ausbruch vier Monate nach seinem Beginn im August noch immer nicht unter Kontrolle ist. Und das, obwohl die Ärzte diesmal eine neue erfolgvers­prechende Waffe im Arsenal haben: den Impfstoff V920 von Merck. Er befindet sich zwar noch in der Experiment­ierphase, hat sich in bisherigen Studien allerdings als effektiv erwiesen.

Im Kongo kommt das Präparat mit Einverstän­dnis der Patienten seit Mai zum Einsatz. Auch Christian Kleine hat sich impfen lassen. Er achtet zudem penibel auf das Sicherheit­sprotokoll beim An- und Ausziehen seines Schutzanzu­ges – für ihn die wohl gefährlich­sten Situatione­n des Tages. Jeder zehnte Erkrankte ist Arzt oder Pfleger.

Der Impfstoff wird an alle ausgegeben, die mit Erkrankten in Kontakt gekommen sind – manchmal prophylakt­isch auch an ein ganzes Dorf. Über 42.000 Impfungen waren es in diesem Jahr. Eine flächendec­kende Verabreich­ung ist das aber bei Weitem nicht. Sie scheitert an den unzureiche­nden Vorräten der Medizin, wäre aber auch angesichts der noch fehlenden Zulassung unangemess­en.

Schon jetzt stoßen die Nothelfer an ihre Grenzen. Die Kämpfe in der Gegend würden die logistisch­e Herausford­erung erhöhen, sagt Kleine. „Der Impfstoff muss ununterbro­chen bei minus 60 Grad gelagert werden.“Das sei in derart struktursc­hwachen Gegenden ohnehin schwierig. „Da kann schon ein Stromausfa­ll oder eine Panne des Transportf­ahrzeugs eine Katastroph­e sein.“

Der Mediziner lobt die schnelle Reaktion der örtlichen Behörden. Sie sind erfahren, es ist schließlic­h bereits die zehnte Ebola-Epidemie im Kongo. Das Land erlebte seit den 1970er-Jahren mehr als die Hälfte aller weltweit bekannten Krisen mit dem Virus. Doch gleichzeit­ig ist das Misstrauen gegen den Staat gerade in dieser Gegend weit verbreitet. Entspreche­nd schwierig ist die Aufklärung­sarbeit. Dazu kommen eine ethnisch äußerst heterogene Bevölkerun­g der betroffene­n Gegend sowie vier Millionen Binnenflüc­htlinge und 500.000 Flüchtling­e aus anderen Ländern. Die vielen unterschie­dlichen Sprachen verkompliz­ieren die Lage weiter.

Mit Sorge erwartet man auch die Wahlen am 23. Dezember. Unruhen gelten als möglich und würden den Kampf gegen Ebola erschweren. Schon jetzt dürfen die Mitarbeite­r der amerikanis­chen Organisati­onen USAID und Centers for Disease Control and Prevention (CDC) nur von der über 1600 Kilometer entfernten Hauptstadt Kinshasa aus agieren. Beobachter erklären das mit den Nachwirkun­gen des tödlichen Angriffs auf einen USBotschaf­ter in Libyen im Jahr 2012.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation hat zwar noch keine „Gesundheit­liche Notlage mit internatio­naler Tragweite“ausgerufen. Doch Kleine warnt davor, die Lage zu unterschät­zen. Mehrere urbane Gegenden seien betroffen. Angesichts der Mobilität der Bevölkerun­g sei eine Ausbreitun­g auf eine nahe Millionens­tadt möglich. Und Uganda sei nicht weit vom Ausbreitun­gsgebiet entfernt.

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