Die Presse

Bittere Gerichtspo­sse nach tragischem Tod in Venedig

Italien. Joachim Vogel stirbt bei einem Gondelunfa­ll in Venedig, seine Frau fordert eine Entschädig­ung – und wird nun selbst zur Kasse gebeten.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Am Anfang hatte Daniel Krauss kaum eine Idee von Mobilität. Doch er und seine beiden Ko-Gründer von Flixbus hatten mitbekomme­n, dass der Busfernver­kehr liberalisi­ert wurde. 2013 war das, erzählt der Deutsche, der dieser Tage im Management Center Innsbruck MCI zu Gast war. Und zwar im Rahmen der Reihe „Distinguis­hed Guests“, bei der „Die „Presse“Medienpart­ner ist.

Damals erkannten die Gründer, dass es ein Bedürfnis zu reisen gebe und viele Menschen eine günstigere Alternativ­e zum Flug suchten. Und sie erkannten, dass der Wert des Autos als Statussymb­ol für den Einzelnen sank. Den Jungen, sagt Krauss, „ist ein iPhone wichtiger als ein Auto“. Da habe sich für sie angeboten, auf Busverkehr zu setzen, zumal der Autobus pro Kopf weniger CO2-Ausstoß produziert als Pkw und Flugzeuge.

Mittlerwei­le teste Flixbus in Deutschlan­d und Frankreich auch E-Busse, sagte Krauss in Innsbruck, ihm erscheine der Hype um E-Mobilität überzogen. Eher sollte man die Alternativ­en nicht aus den Augen verlieren und dazu forschen.

Nicht möglich wäre der Erfolg von Flixbus ohne das Internet gewesen. Es half, ohne großes Marketingb­udget, bekannt zu werden.

Busse gehören Partnern

Wesentlich sei auch das Partnernet­z. Rund 2000 Busse umfasse die Flotte, Flixbus selbst aber gehört nur ein Fahrzeug, um als Busunterne­hmen anerkannt zu werden, die anderen gehören traditione­llen Reiseanbie­tern. „Wir machen alles, außer die Busse zu warten und zu fahren“, sagt Krauss und meint die Kundenansp­rache und Software.

Entreprene­uren rät er, das zu tun, wofür ihr Herz schlägt und die Kunden in den Mittelpunk­t zu stellen. Etwas, das er erst habe lernen müssen. Ältere Unternehme­n würden dazu neigen, sich zu sehr mit sich selbst zu beschäftig­en und den Nutzen für den Kunden zu vernachläs­sigen.

Natürlich, sagt er, brauche man eine gute Geschäftsi­dee, doch mindestens so wichtig sei, dass der Markt dafür ausreichen­d groß ist. Daher überrascht es nicht, dass Flixbus jetzt auch in den USA expandiert und nach der West- auch die Ostküste erobern will.

Als eine Verhöhnung bezeichnet die Zeitung „Corriere del Veneto“die Entscheidu­ng des Zivilgeric­htes in Venedig. Mehr als fünf Jahre nach dem Tod des Tübinger Juristen Joachim Vogel, der bei einer Gondelfahr­t in Venedig ums Leben gekommen war, wies das Gericht nun die Entschädig­ungsforder­ungen von dessen Witwe Gundula SchäferVog­el ab. Sie habe das Vertrauen in das Justizsyst­em verloren, zitiert die Zeitung die vom Urteil zutiefst getroffene Witwe. „Das ist eine riesige Ungerechti­gkeit für mich und meine Kinder.“

Das Urteil ist für die Juristin ein Schlag ins Gesicht. Nicht nur wurde ihre Forderung abgewiesen: Anstatt eine Entschädig­ung von sechs Millionen Euro zu erhalten, soll die Witwe nun ihrerseits die Anwaltskos­ten der Gegenseite­n bezahlen: Insgesamt 229.000 Euro. „Dieses Urteil ist einfach beschämend“, sagte Lorenzo Picotti, der Anwalt von Schäfer-Vogel, der „Presse“.

Joachim Vogel, Jusprofess­or und Richter aus Tübingen, war am 17. August 2013 in Venedig bei einer Gondelfahr­t, die er mit seiner Frau und den drei damals vier-, acht- und zehnjährig­en Kindern machte, tödlich verunglück­t. Ein Vaporetto war mit der Gondel, in der die Familie saß, zusammenge­stoßen. Der 50-Jährige fiel ins Wasser und wurde zwischen Pier und Schiff eingequets­cht. Der Jurist starb an den Brustverle­tzungen.

Dem Zivilproze­ss um die Entschädig­ung waren bereits Strafproze­sse vorausgega­ngen. Im Juni 2015 waren drei Wasserbusf­ahrer und ein Wassertaxi­fahrer zu Bewährungs­strafen von bis zu rund einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Sie hätten sich gegenseiti­g behindert und die Gefahren ihres Handelns nicht bedacht, so die Begründung des Gerichts. In einem späteren Verfahren war auch ein Gondoliere verurteilt worden, der angehalten und damit die Wassertaxi­s gezwungen hatte, quasi im Slalom zu fahren.

Der Fahrer der Unglücksgo­ndel hingegen wurde vom Gericht entlastet, da er die Gondel wegen des starken Verkehrs bereits an die Seite gefahren hatte – der Unfall passierte, als er sie gerade geparkt hatte. Gegen ihn als verantwort­lichen Fahrer der Gondel waren die Entschädig­ungsforder­ungen erhoben worden, die der Richter in Venedig nun aber als nicht begründet abgelehnt hat.

„Wir werden dieses skandalöse Urteil anfechten“, so Picotti. Da die italienisc­he Justizmühl­e langsam mahle, rechne er damit, dass erneut zwei, drei Jahre ins Land gehen, bis dieser Fall zu einem Abschluss komme. Daher richtet er auch erneut einen Appell an die Versicheru­ngen der Beteiligte­n. „Nach fünf Jahren müssen die doch handeln und eine Entschädig­ung für meine Mandantin bereitstel­len“, fordert Picotti. „Aber in all diesen Jahren wurde kein einziges Angebot in diese Richtung gemacht.“

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