Ein Plan, dem die Planer misstrauen
Klimaschutz. Österreich muss Brüssel melden, wie es die EU-Klimaziele bis 2030 erreicht. Aber der Entwurf bleibt so vage, dass sich sogar die Beamten im Ministerium davon distanzieren.
Fangen wir mit dem Offiziellen an. Seit einem Jahr ist Elisabeth Köstinger nun als Umweltministerin im Amt. Das Jubiläum nahm sie zum Anlass, auf einer Pressekonferenz zu beteuern: „Ich halte Klimaschutz für die größte Herausforderung unserer Zeit.“Aber zum Glück habe ihr Ressort da schon „extrem viel getan“. Und jetzt gehe es darum, auf der Klimakonferenz in Katowice, in einer „extrem entscheidenden Woche“, auch Länder wie die USA und Brasilien davon „zu überzeugen“.
Doch nun zum weniger Offiziellen: Überzeugen muss Köstinger auch die Experten im eigenen Haus. Aber nicht von der Wichtigkeit von Klimazielen, sondern ob Österreich sie auch nur annähernd erfüllt. Bis Jahresende muss Wien in Brüssel einen Aktionsplan abliefern, in dem steht, wie man die EU-Vorgaben zur Treibhausreduktion bis 2030 zu schaffen gedenkt. Der Entwurf steht. Aber die Mitarbeiter im Ministerium distanzieren sich schon davon. „Das Erreichen der verbindlichen Zielsetzungen ist unter gleichbleibenden Rahmenbedingungen weder im Mobilitätssektor noch insgesamt mög- lich“, heißt es in internen Anmerkungen der Arbeitsgruppe Verkehr. Sie klingen wie ein Hilferuf.
Kaum weniger unzufrieden sind die Kollegen, die sich mit Wärme und Gebäuden befasst haben. Zur gemeldeten Zielmenge von drei Millionen Tonnen CO2Einsparung in Gebäuden merken sie an: „Mehrere Bereichsleiter können nicht zustimmen.“Ohne „steuerliche Maßnahmen“, von denen aber konkret nicht die Rede ist, sei diese Einsparung „auf gar keinen Fall zu erreichen“.
Das ist umso problematischer, wenn man den Kontext betrachtet: Die EU-Klimaziele sind älter als das Pariser Abkommen. In Katowice geht es darum, wie die einzelnen Länder und Staatenbünde ihre Ambitionen verstärken müssen, um die Erderwärmung auf 1,5 bis zwei Grad einzudämmen. Das heißt auch für Europa: Die bisherigen Pläne genügen nicht. Zumindest sie umzusetzen müsste also selbstverständlich sein. Wie? Da lässt die EU-Kommission den Mitgliedstaaten mehr Spielräume als früher. Aber der Nationale Energie- und Klimaplan muss konkret genug sein, um das Erreichen der Vorgabe plausibel machen.
Frankreich und Schweden haben ihre Pläne als Erste abgegeben. „Mit einem klaren Zahlengerüst und Maßnahmen“, weiß Florian Maringer vom Dachverband der erneuerbaren Energie. Eben das fehlt im reichlich vagen österreichischen Entwurf. Zum Ausstieg aus Kohlestrom ist da zu lesen: „Es ist wichtig, den Prozess weiter zu beschleunigen.“Dass beim Tausch eines Heizkessels nicht mehr Öl oder Gas zum Einsatz kommt, „wird angestrebt“. Wie die (rückläufige) Sanierungsrate beim Wohnraum zu verdoppeln sei, bleibt offen. Es heißt nur blumig: „Dazu sind massive weitere Anstrengungen und ein abgestimmter Maßnahmenmix erforderlich.“
Dass gerade Verkehr und Wärme, wo am meisten aufzuholen wäre, so unbestimmt bleiben, ist freilich kein Zufall. Wo es ums Bauen geht, haben die Länder und Gemeinden das Sagen, von der Wohnbauförderung bis zur Raumordnung. Sie ziehen offenbar nicht richtig mit oder halten sich zumindest Verhandlungsmasse offen. Beim Autoverkehr steigt die CO2-Belastung ohne Gegensteuern schon durchs stärkere Aufkommen ungebremst weiter an. Entscheidend ist, wann und wie stark sich der Elektroantrieb durchsetzt. Es hängt also viel vom Fortschritt und von den Autokäufern ab, weniger von der Politik. Es sei denn, die Regierung würde einen Umbau des Steuersystems wagen, Arbeit entlasten und fossile Energie verteuern. Dass Frankreichs Präsident Macron mit einer höheren Spritsteuer gerade einen Volksaufstand ausgelöst hat, motiviert dazu wohl auch nicht gerade.
Wesentlich besser sieht es beim Strom aus. 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen bis 2030: An diesem Strick ziehen alle, auch die Energiewirtschaft. Entsprechend konkret sind die Detailpläne. Weil dieser Bereich EU-weit zentraler gesteuert wird, war auch „der Drive aus Brüssel stärker“, sagt Maringer. Offen bleibt, wann das Kohlekraftwerk Dürnrohr vom Netz kommt. Aber, wie wir ja gelesen haben: Es ist wichtig, den Prozess zu beschleunigen.