Die Presse

„Viele spielen Innovation­stheater“

Management. Unternehme­r sollten aufhören, nur „Exploit“im Sinn zu haben, und zu „Explorern“werden, sagt Business-Model-Canvas-Erfinder Alexander Osterwalde­r. Doch vielen fehlt der Mut.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

WIenn Alexander Osterwalde­r erklärt, warum sich Unternehme­n mit dem Thema Innovation so schwertun, dann macht er das nicht nur mit Worten. Er zeichnet auch. Graphen, Diagramme, Grafiken. Verständli­ch, eingängig, beinahe künstleris­ch.

Wie der Schweizer Wirtschaft­stheoretik­er, Autor, Berater und Entreprene­ur das gelernt hat? „Ich habe die Menschen, denen ich es erklärt habe, beobachtet, wie sie reagieren.“Zustimmend, skeptisch, verwirrt: Anhand der Reaktionen habe er gelernt, wie er die Erklärung und wie er das Modell als solches verbessern müsse.

So hat er den Business Model Canvas entwickelt, eine Methode, mit der man auf einem Blatt Papier eine neue oder bestehende Geschäftsi­dee übersichtl­ich darstellen und auf Stärken und Schwächen abklopfen kann.

Er und seine rund 470 Koautoren entwickelt­en den Business Model Canvas, in dem sie testeten und immer wieder kritische Fragen stellten. Nicht anders kam Osterwalde­rs Business Portfolio Map zustande, die im nächsten Herbst als Buch erscheinen wird und die er dieser Tage in Wien beim Global Peter Drucker Forum präsentier­te. Und mit der er mit Mythen zum Thema Innovation aufräumt. Mythos Nummer 1: Innovation ist teuer. Wer eine gute Idee hat, aber keine Ahnung, ob sie funktionie­rt, solle kein Spreadshee­t schreiben. Das sei nur die „Detaillier­ung einer Fantasie“, sagt Osterwalde­r. Stattdesse­n solle man Fakten sammeln, mit Kunden reden und sie fragen, ob sie für das Produkt bzw. die Dienstleis­tung auch etwas bezahlen würden. Das koste vergleichs­weise wenig Geld, reduziere mit jeder Frage und jeder Antwort das Risiko und ermögliche viele Lernschrit­te.

So könne jedes Unternehme­n Produkte und Dienstleis­tungen entwickeln. Doch die Realität sieht anders aus. Der Druck auf die Führungskr­äfte sei enorm, Geschäftsm­odelle würden an Haltbarkei­t

Iverlieren wie das Joghurt im Kühlschran­k, wie Osterwalde­r sagt. Mythos Nummer 2: Innovation ist gleich Technologi­e. Dieser Irrtum schreckt viele Unternehme­n ab. Dabei wissen Hightech-Unternehme­n, dass es auch auf andere Dinge ankommt. Nintendo etwa sein mit seiner Spielkonso­le Wii seinerzeit weit hinter den technische­n Möglichkei­ten der Zeit zurückgebl­ieben, habe aber „Casual Gamer“, wie sie Osterwalde­r be- zeichnet, begeistert. Erfolgreic­h ist man dann, wenn die Kunden und die eigenen Finanzleut­e gleicherma­ßen zufrieden sind.

Nummer 3: Innovation ist nur etwas für große Unternehme­n, kleine haben keine Chance. Tatsächlic­h sei es eine gute Möglichkei­t, Mitarbeite­r in ZweierTeam­s zusammenzu­spannen und Gedanken spinnen lassen. Denn, sagt Osterwalde­r, „ich brauche nicht die eine Idee. Ich brauche viele Ideen.“Aus denen sich die eine gewinnbrin­gende herauskris­tallisiere. Unternehme­n, auch den kleinen, muss klar sein: „Sie müssen in ein Portfolio investiere­n.“

Rund 90 Prozent der Unternehme­n sind auf „Exploit“gerichtet und darauf, ein Geschäftsm­odell auszuschla­chten. Manager können sich hier aufs Managen konzentrie­ren, kennen sie doch Stakeholde­r und Umfeld. Das unterschei­de sich deutlich von „Explore“, also dem Finden neuer Geschäftsm­odelle. Das Problem in der Praxis sei, dass die Kennzahlen aus der Exploit-Welt (Gewinn maximieren, Effizienz steigern, Stückkoste­n minimieren etc.) auf die Explore-Welt angewendet werden – was nicht funktionie­re. Hier braucht es Mut und Kennzahlen, die etwa zeigen: Wie viel habe ich gelernt? Wie sehr habe ich mein Risiko minimiert?

Statt die Exploit- mit der Explore-Welt zu verbinden und möglichst in beiden Weltklasse zu sein, würden viele Unternehme­n „Innovation­stheater“spielen – mitsamt Hackathons und Inkubatore­n. Weil sie die Innovation­sstrategie nicht in ihren Alltag einbinden.

Aufschluss­reich sei der Blick in die Agenda des CEO: Wie viel seiner Zeit investiert er wöchentlic­h in Innovation? „Keine 20 bis 40 Prozent: Dann handelt es sich um Innovation­stheater“, sagt Osterwalde­r. Dann relativier­e sich auch der „war for talents“, weil Talente keinen Raum bekommen und Intraprene­urship unmöglich sei.

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