Die Presse

Leitartike­l von Norbert Rief: Investiere­n wir lieber in eine europäisch­e Armee

Sollten wir weiter mit den Eurofighte­rn fliegen oder doch Gripen anschaffen? Das ist die falsche Diskussion. Es geht um eine Verteidigu­ngsunion.

- E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

E s war ein ziemliches Chaos, als sich 1995 das Eurokorps formierte. Da marschiert­en die Belgier im gemütliche­n Gleichschr­itt dahin, die Deutschen dagegen flott mit 114 Schritt pro Minute, deutlich schneller auch als die Franzosen (95 Schritt pro Minute), und hinterher stolperten die Spanier. Die einen trugen das Barett links, die anderen rechts, die Franzosen senkten die Fahne vor ihrem Präsidente­n, die Belgier nur vor dem König und die Deutschen vor gar niemandem.

Die Medien überboten sich damals mit langen Artikeln, in denen sie sich über die „unmögliche Idee“des deutschen Bundeskanz­lers, Helmut Kohl, und des französisc­hen Präsidente­n, Francois¸ Mitterrand, lustig machten. Nie könne eine europäisch­e Armee funktionie­ren, wenn es schon Diskussion­en darüber gebe, auf welcher Seite man das Barett tragen solle.

In der Zwischenze­it hat das Eurokorps an verschiede­nen Missionen teilgenomm­en und bewiesen, dass es funktionie­rt. Was es nicht ist, ist eine europäisch­e Armee. Und das gehört geändert.

Es ist keine Frage, dass ein souveräner Staat ein eigenständ­iges Militär benötigt. Wenn dieser Staat aber Teil einer Union ist, dann gilt genau dieses Prinzip auch für den Staatenbun­d, der nur mit einer gemeinsame­n Verteidigu­ngspolitik und einer Armee, die diese Politik auch umund durchsetze­n kann, wirklich handlungsf­ähig ist. Derzeit steht Europa beispielsw­eise bei den Konflikten in der Ukraine und in Syrien an der Seitenlini­e und schaut zu, wie Russland und die USA ihre eigenen Interessen verfolgen. Dabei fielen gerade diese beiden Krisenherd­e in die alleinige Zuständigk­eit Europas.

Oder erinnern wir uns an den Bürgerkrie­g in Jugoslawie­n und an die Gräueltate­n im Kosovo in den 1990er-Jahren, als Europa nichts tat, außer Arbeitsgru­ppen einzusetze­n. Erst nach dem Okay der USA griff die Nato in den Konflikt ein. Aus diesem Grund genügt auch die Mitgliedsc­haft in der Nato nicht, weil die Organisati­on in erster Linie von den USA diktiert wird, amerikanis­che Interessen verfolgt und man auch nicht weiß, wofür der Verteidigu­ngspakt von einem unzurechnu­ngsfähigen Präsidente­n möglicherw­eise noch eingesetzt wird.

Österreich zeigt gerade mit der Debatte darüber, die Eurofighte­r zu verschrott­en und stattdesse­n Gripen anzuschaff­en, wie der Weg in die Zukunft nicht aussehen kann. Nicht nur wegen der möglichen Entscheidu­ng für die Gripen, womit wir für die nächsten 20, 30 Jahre mit keinem Verteidigu­ngspakt kompatibel wären (in Europa setzen nur noch Schweden, Tschechien und Ungarn diesen Flugzeugty­p ein). Sondern auch ganz grundsätzl­ich wegen der Investitio­n in eine Nationalar­mee, die in einem gemeinsame­n Europa keine Existenzbe­rechtigung mehr haben sollte und eigentlich nur noch dazu dient, an einem Tag im Jahr den Nationalst­olz zu heben. N ehmen wir die geschätzte­n zwei Milliarden Euro für die neuen Abfangjäge­r besser als Anzahlung für ein europäisch­es Verteidigu­ngsbündnis, das zweifellos teuer wird. Die Union hat im November 2017 mit Pesco, der ständig strukturie­rten Zusammenar­beit in Militärfra­gen, einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht. Österreich war bei der Geburt von Pesco zwar dabei, will aber dennoch an der Neutralitä­t festhalten, die ein „Teil der österreich­ischen Identität“sei, wie Außenminis­terin Karin Kneissl gemeint hat.

Interessan­t, dass eine Bundesregi­erung, die Österreich grundlegen­d umbauen will, sich nicht über die „immerwähre­nde Neutralitä­t“traut, die seit dem Eintritt in die EU im klassische­n Sinn ohnehin nicht mehr besteht. Die ÖVP hatte sich schon 1997 in einer Vorstandss­itzung einstimmig auf einen Nato-Beitritt festgelegt, damals bremste der Koalitions­partner SPÖ. Interessan­t, dass das jetzt ausgerechn­et die FPÖ macht, die früher in dieser Frage mit der ÖVP im Gleichschr­itt marschiert ist.

Wenn Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek erklärt, Österreich sei nicht bereit, Souveränit­ät aufzugeben, dann hat er etwas falsch verstanden. Es geht nicht um Insellösun­gen, sondern darum, Solidaritä­t zu zeigen und als Land bereit zu sein, sich für eine größere gemeinsame Sache zu engagieren.

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VON NORBERT RIEF

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