Erlaubt trotz Datenschutz
DSGVO. Jedes Mal, wenn ein Mythos um die Datenschutzgrundverordnung aufgeklärt wird, taucht der nächste auf. Jüngst darunter: Ein lokaler Fußballverein dürfe ein Spiel nicht filmen. – Ein Wegweiser durch die Rechtfertigungsgründe.
Die Mythen um die DSGVO nehmen kein Ende.
Die Mythen, was die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) alles verbiete, erinnern an die griechische Hydra: Klärt man einen Mythos auf, erscheinen mindestens zwei neue im Netz. Nach dem jüngsten dürfe der Trainer eines lokalen Fußballvereins Spiele der Kampfmannschaft nicht mit der Videokamera aufzeichnen, da dies gegen die DSGVO verstoße. Es fehle an der Einwilligung aller Spieler und aller Zuschauer.
Die DSGVO ist freilich nicht das Schreckgespenst, als das sie oft dargestellt wird, da sie in weiten Teilen Regelungen, wie wir sie bereits seit 2000 kennen, unverändert lässt. Und die Grundsätze gehen sogar bereits auf 1978 zurück.
Der Datenschutz ist als Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt konstruiert: Jede Verarbeitung personenbezogener Daten ist verboten, außer es liegt ein Erlaubnistatbestand vor (Art 6 DSGVO, bei Daten besonderer Kategorien Art 9, bei Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten Art 10).
Sechs Arten der Erlaubnis
Entgegen weit verbreiteter Meinungen kennt Art 6 DSGVO neben einer Einwilligung des Betroffenen noch fünf weitere Tatbestände, die eine Datenverarbeitung erlauben: Erfüllung eines Vertrags; Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung; Schutz lebenswichtiger Interessen einer Person; Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt; die Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten, sofern nicht die Interessen oder die Grundrechte und Grund- freiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Die oft fälschlich als notwendig erachtete Einwilligung des Betroffenen ist von den sechs Erlaubnistatbeständen immer die schwächste Rechtsgrundlage, da sie jederzeit widerrufbar ist und eine Verarbeitung danach verboten wäre. Holt etwa der ORF von sämtlichen Spielern, Ordnern, Funktionären und Zusehern im Stadion vor Übertragung eines Länderspiels zur Primetime deren Einwilligung ein?
Nein! Denn die Einwilligung ist jedenfalls die falsche Rechtsgrundlage für diese Verarbeitung. Auch die Übertragung eines Länderspiels, das die österreichische Fußballnationalmannschaft knapp gewinnt, bei dem es aber wie so oft dann nicht für eine Qualifikation reicht, wird durch das berechtigte Interesse des „Verantwortlichen bzw. von Dritten“, nämlich der breiten Öffentlichkeit, gedeckt sein.
Für unseren örtlichen Fußballverein sieht das Prüfschema so aus:
Ausnahmen: Medien, Haushalt
Handelt der Fußballverein als Medieninhaber oder Herausgeber (etwa bei einer Videoübertragung oder bei Aufnahmen für sein Internetportal oder die Printmedien)? Dann fällt er unter das viel diskutierte Medienprivileg nach § 9 DSG und sind die entsprechenden Bestimmungen der DSGVO nicht anzuwenden. Erfolgt die Aufnahme ausschließlich aus persönlichen oder familiären Gründen, ist die DSGVO wegen der sogenannten Haushaltsausnahme (Art 2 Abs 2 lit c) gleichfalls nicht anzuwenden.
Liegt dies alles nicht vor, lautet die nächste Frage: Welches rechtmäßige, hinreichend klar formulierte, gegenwärtige Interesse besteht an der Aufzeichnung? Dieses Interesse kann in der Spielanalyse zur Verbesserung der Spielerleistungen ebenso liegen wie in der Beweissicherung bei Fehlentscheidungen des Schiedsrichters. Damit ist dem Erforderlichkeitsprinzip der DSGVO Genüge getan.
Abzuwägen ist dieses Interesse im nächsten Schritt mit den Grundrechten Betroffener (etwa der „zwangsläufig“mitgefilmten Zuschauer, der Spieler, der Ordner) und den Folgen für diese. Fraglich ist schon, ob sich überhaupt Folgen ergeben. Nachdem die Videoaufnahmen lediglich zur Beweissicherung gegenüber dem Verband bzw. zur Analyse des Spiels innerhalb des Vereins und in der Folge zur Verbesserung des Trainings verwendet werden und in diesem Zuge das „öffentliche Fußballspiel“aufgezeichnet wird, ist der Eingriff in das Grundrecht auf Geheimhaltung der Daten relativ gering. Die Videoaufzeichnung greift zudem nicht mehr in die Grundrechte der Betroffenen ein, als dies durch die bloße Beobachtung durch andere Personen im Stadion ohnedies, wenn auch nicht per se datenschutzrechtlich relevant, bereits geschieht.
Widerspruch gilt nicht absolut
Bleibt noch das Widerspruchsrecht des Betroffenen nach Art 21 DSGVO. Erhebt also ein Zuseher oder Spieler der gegnerischen Mannschaft tatsächlich Widerspruch gegen das Filmen, müssen als letzter Schritt schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachgewiesen werden, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen. Verbesserung der Trainingsmethoden oder Beweissicherung sind solche schutzwürdigen Gründe.
Und das Golden Goal könnte vom österreichischen Datenschutzgesetz kommen. Sein § 12 erklärt ausdrücklich Bildaufnahmen für zulässig, die ein „privates Dokumentationsinteresse verfolgen, das nicht auf die identifizierende Erfassung unbeteiligter Personen oder die gezielte Erfassung von Objekten, die sich zur mittelbaren Identifizierung solcher Personen eignen, gerichtet ist“. Ing. Mag. iur. Michael Furtlehner ist im Datenschutzmanagement einer großen Regionalbank tätig, Dr. Karl Krückl, MA LL.M Verteidiger in Strafsachen, emeritierter Rechtsanwalt und Of Counsel der Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in Linz.