„Man muss permanent weitermachen“
Interview. Regisseur und Drehbuchautor Arman T. Riahi hat mit „Die Migrantigen“im Vorjahr zwar einen erfolgreichen Spielfilm gemacht, auf des Messers Schneide steht es für ihn dennoch. Sein Buchprojekt muss deshalb warten.
Die Presse: Ihr Film „Die Migrantigen“war 2017 eine der meistgesehenen österreichischen Produktionen. Hätten Sie gedacht, dass der Film so gut angenommen wird? Arman T. Riahi: Ich habe es mir natürlich erhofft. Viele haben uns aber gewarnt, weil Komödien schwer zu machen sind. Es gibt schließlich nichts Schlimmeres, als eine Komödie zu produzieren, bei der niemand lacht.
Was hat Ihnen der Erfolg bei den Zusehern finanziell gebracht? Ich möchte mit einem Irrglauben aufräumen: Es landet kein Geld von den Einspielergebnissen bei mir. Zwar kann man sich eine Erlösbeteiligung ausverhandeln, aber bis man da Geld sieht, müssten den Film wirklich sehr, sehr viele Leute gesehen haben. Ich habe auf Honorarbasis gearbeitet bzw. war während der Dreharbeiten angestellt. In dieser Zeit habe ich Geld erhalten. Meine Situation hat sich danach insofern entspannt, als ich mehr Angebote bekommen habe. Zurücklehnen und nichts machen geht sich allerdings nicht aus. Man muss permanent weitermachen. Im Großen und Ganzen ist die Situation eher prekär.
Inwiefern? Nach einem Film muss man praktisch wieder von vorn anfangen. Mit jedem neuen Drehbuch muss man eine neue Jury überzeugen. Den Idealzustand, dass ich mich nur auf ein oder maximal eineinhalb Projekte konzentrieren kann, habe ich noch nicht erreicht. Derzeit arbeite ich an drei, vier Sachen gleichzeitig.
Hört sich anstrengend an. Einerseits ja, andererseits nein. Prinzipiell sind die Durchschnittsgehälter in der Filmbranche zwar eher hoch. Doch davon kann man nur eine bestimmte Zeit lang leben. Zudem entwickelt man den Film davor meistens ein bis zwei Jahre lang unbezahlt oder mit relativ wenig Entwicklungsgeld. Auch nach dem fertigen Film ist man als Regisseur viel mit Marketing und Promotion beschäftigt, ohne Geld dafür zu bekommen. Vor meinem Spielfilm habe ich einige Dokumentationen gedreht, und diese sind beispielsweise viel schlechter bezahlt. War das ein Mitgrund für Sie, einen Spielfilm zu drehen? Nein, das war immer ein Weg, den ich gehen wollte. Meinen ersten Kurzfilm habe ich bereits als Elfjähriger mit meinem damaligen besten Freund gedreht.
Und warum sind Sie dann den Weg über den Dokumentarfilm gegangen? Weil mich das Metier auch sehr interessiert. Dokumentationen sind weniger aufwendig, eine Kamera und ein Mikrofon reichen. In den vergangenen Jahren hatte ich aber mehr Ideen für Spielfilme, weshalb es mich dort hingezogen hat. Ich wusste, dass ich diesen Übergang ab einem gewissen Punkt ausprobieren werde. Mir war aber bewusst, dass es finanziell schwierig werden kann. Auch, weil ich mich erst beweisen muss. Es waren eineinhalb Jahre, die noch prekärer waren als sonst, weil ich fast nichts verdient habe.
Wie haben Sie sich in dieser Zeit über Wasser gehalten? Ich musste andere Projekte vorantreiben. Da ich Medientechnik studiert habe, konnte ich beruflich einige andere Dinge versuchen. Ich habe ein bisschen für das Fernsehen gearbeitet, Texte für Werbefilme geschrieben oder Filmposter designt.
Ist es problematisch für Sie, dass Ihre Einnahmen in Wellen kommen und Sie sich nicht darauf verlassen können? Ich bin seit über zwölf Jahren selbstständig. Mit Anfang oder Mitte 20 steht man dieser Tatsache noch relativ entspannt gegenüber. Aber mit Ende 30 möchte man natürlich auch einmal planen können – das kann ich noch immer nicht. Und das liegt sicher nicht daran, dass ich einen extravaganten Lebensstil pflege. Sondern daran, dass ich vor allem hohe Sozialversicherungsbeiträge zahle. Das tut richtig weh.
Geht Ihnen die Situation nicht auf die Nerven? Doch, aber ich stelle mir vor, dass das auch der Preis der Freiheit ist. Ich muss zwar an manchen Wochenenden durcharbeiten, kann dafür an anderen Tagen zu Hause bleiben.
Legen Sie sich eigentlich Geld für schlechte Phasen beiseite? Geld kommt und geht, das ist mein Verständnis davon, denn mit ins Grab nehmen kann ich es nicht. Ich habe mich daran gewöhnt, dass es immer ein bisschen auf des Messers Schneide steht. Aber vielleicht geht es für mich auch einmal in die nächste Stufe.
Und die wäre? Besser planen, sich mehr Pausen leisten können, schneller von Film zu Film wechseln. Ich möchte es schaffen, in einen schönen Rhythmus zu kommen. Soll heißen: Wenn ich mit einem Film fertig bin, möchte ich mit meinem nächsten schon relativ weit sein.
Wie realistisch ist das? Nach dem letzten Film habe ich mir selbst den Druck gemacht, ihn
(* 1981 im Iran) wuchs in Wien auf. Er studierte Medientechnik an der FH St. Pölten, seine Regiekarriere begann er bei ORF-Formaten wie der „Sendung ohne Namen“. 2011 erschien mit „Schwarzkopf“die erste Dokumentation, es folgten „Everyday Rebellion“und „Kinders“, die er gemeinsam mit seinem Bruder Arash drehte (dem die Produktionsfirma Golden Girls gehört). 2017 erschien mit „Die Migrantigen“Riahis erster Spielfilm. so gut wie möglich fertigzustellen. Ich habe mit meinem Team viel Energie in die Bewerbung des Films gesteckt. Nun ist Zeit vergangen, die nächsten drei meiner Drehbücher sind relativ weit. Im Frühjahr ist der Drehstart meines nächsten Films, „Der Lehrer“. Damit hoffe ich, in eine Art System zu kommen. Ich habe ja auch keine Zeit zu verschwenden. Aber es geht natürlich an die Substanz, wenn man keine Pausen macht.
Ihrem Bruder gehört die relativ erfolgreiche Filmproduktionsfirma Golden Girls. Wie groß war und ist seine Unterstützung? Es hat mir in der Tat sehr viel gebracht. Ich hatte die Möglichkeit, schon während des Studiums dort mitzuarbeiten, ich musste keine Ausrüstung anschaffen, sie stand mir zur Verfügung. Ohne meinen Bruder stünde ich sicher nicht da, wo ich heute bin. Ich habe auch alle meine bisherigen Kinofilme mit seiner Produktionsfirma hergestellt. Wir stehen uns allerdings auch so sehr nahe.
Können Sie sich Ihre Jobs heute aussuchen? Mehr als früher. Ich habe genug eigene Projekte und Ideen. Solang diese als förderwürdig betrachtet werden, funktioniert es. Ich fühle mich aber ohnehin privilegiert, weil ich einen Beruf ausüben kann, der mir großen Spaß macht.
Viele Filme, auch Ihrer, sind von Förderungen abhängig. Eine Notwendigkeit oder ein Problem? Ich betrachte Kunstförderungen als Notwendigkeit. Ich finde, sie müssten für den Film noch größer sein. Ulrich Seidl, Michael Haneke, Barbara Albert – Filmemacher wie sie tragen dazu bei, die österreichische Seele und Kultur zu definieren. Das dürfen wir nicht infrage stellen. Die USA haben hingegen seit hundert Jahren ein Filmstudiosystem, das darauf aufbaut, den Zusehern ein Spektakel zu verkaufen. Das ist mit dem heimischen Film nicht zu vergleichen.
Schreiben Sie lieber Drehbücher oder führen Sie lieber Regie? Jeder, der mich auf einem Filmset gesehen hat, weiß, dass ich darin aufgehe. Es macht mich glücklich. Aber in den letzten eineinhalb Jahren habe ich fast nur geschrieben.
Schreiben ist eine Ihrer Leidenschaften. War Schriftsteller keine Option? Ich grüble seit Jahren darüber nach, meinen ersten Roman zu schreiben. Doch hatte ich weder die Zeit noch den finanziellen Polster, um mir eine Auszeit fürs Schreiben zu nehmen.