Beobachtungen mit Fantasie: Musikalische Reise durch Europa
Release. Auf seinem neuen Album widmet sich Matthias Forenbacher der härter werdenden Lebensrealität von Europäern – aus ganz persönlichen Blickwinkeln.
Ein offenes Fenster im zweiten Stock eines Hauses, in dem früher Freunde gewohnt haben, mit denen man Studentenpartys gefeiert hat. Wer hier wohl heute wohnt? Immer noch Studenten? Wäre die Wohnung wiederzuerkennen, wenn man sie beträte? Die Deckenleuchten sind jedenfalls noch dieselben, die Vorhänge wurden ausgetauscht. Ob die Gespräche über Politik, die am Küchentisch geführt wurden und bis in die frühen Morgenstunden dauerten, so spannend sind wie früher? Werden überhaupt noch solche Gespräche geführt? Wie geht es eigentlich den Freunden von damals?
Sich durch Matthias Forenbachers neues Album „Le Monde Diplomatique“zu hören, ist wie ein Spaziergang durch eine Stadt, die man sehr gut kennt, aber schon lange nicht mehr besucht hat. Vertraute Anblicke lassen Erinnerungen wach werden. Aber wie viel davon hat sich wirklich so ereignet? Und wie viel ist der Fantasie geschuldet? Im Rückblick an Zeiten, die man unweigerlich glorifiziert. Spielt das im Augenblick überhaupt eine Rolle?
„Die Geschichten, die ich schreibe, sind nie geradlinig und meistens aus einer bestimmten Perspektive erzählt“, sagt Forenbacher. „Ein bisschen was davon ist wahr, der Rest erfunden. Oder besser gesagt abstrahiert, mit vielen unterschiedlichen Ebenen und Facetten.“
Geschichten, die sich nicht nur, aber vor allem um ein problematisches, düsteres, im Umbruch befindliches Europa drehen. „Es sind aber keine Protestsongs, keine Resignation“, stellt der Grazer klar. „Im Vordergrund steht nicht die Nostalgie vergangener Tage, in denen alles besser war. Sondern die härter werdende Lebensrealität von Menschen in einem als wohlhabend geltenden Kontinent.“
Als Vorbild für seine Erzählweise dienten ihm unter anderem italienische Neorealismus-Filme wie „Fahrraddiebe“von Vittorio De Sica und „La Strada – Das Lied der Straße“von Federico Fellini. In Italien, wo Forenbacher viele Jahre gelebt hat, wurde auch der Großteil des Albums aufgenommen – mit einer Blaskapelle aus Bologna, bestehend aus kalabrischen und sizilianischen Musikern, „die es perfekt verstanden, traditionelle südeuropäische Elemente in einen Singer-Songwriter- Rock ’n’ Roll einzufügen“, sagt der 44-Jährige, der Medienkommunikationswissenschaften und Politikwissenschaften studiert hat und im Hauptberuf zum Sprecherteam des Außen- und Integrationsministeriums von Karin Kneissl gehört.
Ist der Titel daher eine Hommage an seinen Alltag auf dem diplomatischen Parkett? „Nein, das ist reiner Zufall“, betont er. „Der Albumtitel steht schon seit Jahren fest. Noch bevor ich im Außenministerium angefangen habe. Und bezieht sich auf die Kunst,
„Le Monde Diplomatique“(Pumpkin Records) heißt das neue, soeben erschienene Album des Steirers Matthias Forenbacher. In den nächsten Monaten soll es auch in Italien und Kanada auf den Markt kommen. In diesen Ländern, in denen Forenbacher viele Jahre gelebt hat, sind auch Auftritte geplant. Das nächste Konzert in Wien findet am kommenden Donnerstag in der Weinbar Gemischter Satz im 19. Bezirk statt. Forenbacher hat sämtliche Titel (alle englischsprachig) auf dem Album selbst geschrieben, komponiert und produziert, aufgenommen wurde das Album in Bologna und Graz. oberflächliche Gespräche zu führen. Also in jeder Situation diplomatisch zu bleiben, obwohl vielleicht eine verbindliche, ehrliche Reaktion angebracht wäre.“Dann etwa, wenn jemand von einer persönlichen Krise erzähle und einen um Rat bitte. „I Don’t Believe You“, der zweite von zwölf Titeln auf dem Album, behandelt genau dieses Phänomen – „das ja oft so weit geht, dass man belächelt wird, wenn man seine ehrliche Meinung nicht verheimlicht“.
Zwei Jahre dauerten die Aufnahmen an dem Album, das eigentlich vor drei, vier Jahren hätte erscheinen sollen – „aber dann wurde ich Vater, und alles hat sich verschoben“, sagt Forenbacher, der seine Songs erstmals am vergangenen Wochenende in der Kunsthalle Graz präsentierte.
Am kommenden Donnerstag tritt er in der Weinbar Gemischter Satz im 19. Bezirk auf. Weitere Konzerte in Österreich, Italien, Kanada und Belgien sind in Vorbereitung. Welches Publikum er bei seinen Konzerten erwartet? „Da fragen Sie den Falschen“, sagt er. „An Zielgruppen denke ich nicht, wenn ich Musik mache.“