Mit Steuergeld in die Sackgasse
Landwirtschaft. Mit der Weiterschreibung ihrer in der Praxis völlig versagenden Förderpolitik fügen die EU-Agrarier der Branche schweren Schaden zu: Die Digitalisierung braucht Agrarunternehmer, nicht Grundeinkommensbezieher.
Bilanz von Josef Urschitz: Völlig versagende EU-Förderpolitik in der Landwirtschaft.
Die europäische Agrarpolitik kostet unglaublich viel Geld und verfehlt alle ihre Ziele: Sie verhindert das Bauernhofsterben nicht, sie leistet keinen Beitrag zur Biodiversität, sie führt zu dramatischen Fehlallokationen, und sie macht Bauern immer mehr zu Abhängigen einer wuchernden Subventionsbürokratie, statt Anreize für zukunftsfähiges Agrar-Unternehmertum zu bieten.
BILANZ
Dieser Befund führt allerdings nicht zu Konsequenzen: Die Neuordnung der EU-Agrarpolitik (deren Subventionierung fast die Hälfte des EU-Budgets verschlingt) ab 2020 bringt nur ein paar kosmetische Änderungen. Das Hauptproblem, die Strukturkonservierung durch ein völlig wirtschaftsfremdes flächenabhängiges Direktzahlungssystem, wird aber nicht angetastet.
Dasselbe gilt für die Schweiz, die ihre Agrarpolitik ab 2022 umstellt, ohne die dabei verwendeten Methoden, die in der Vergangenheit dramatisch versagt haben, zu ändern. Der Unterschied: In der Schweiz wird wenigstens breit diskutiert. Dort ist aber auch Feuer am Dach: Die Eidgenossen leisten sich die höchstsubventionierte Landwirtschaft der westlichen Welt. Im Schnitt wird jeder Hof mit 67.000 Franken pro Jahr (Tendenz steigend) zugeschüttet, was, wie der Thinktank Avenir-Suisse süffisant anmerkt, einem von der Öffentlichkeit finanzierten bäuerlichen Grundeinkommen in annähernd der Höhe des Schweizer Durchschnittsgehalts entspricht, obwohl in der Eidgenossenschaft laut Bundesrat das Prinzip gelte, „dass Menschen im erwerbsfähigen Alter ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren“sollten.
Avenir Suisse hat sich übrigens die Mühe gemacht, der agrari- schen Wertschöpfung die damit verbundenen Aufwendungen einschließlich der externen Kosten (etwa Umweltschäden durch Intensivlandwirtschaft) gegenüberzustellen und ist auf eine negative Wertschöpfung von sagenhaften 15 Mrd. Franken gekommen – bei einem Produktionswert von 7,2 Mrd. Franken. In Österreich ist die Wertschöpfung der Landwirtschaft (auch ohne externe Kosten) übrigens auch negativ – wenn auch nicht so krass wie beim Nachbarn.
Die Art der Förderung (die sich in der Schweiz und in der EU nicht so stark unterscheidet) hat den Sektor also völlig abseits jeder wirtschaftlichen Vernunft geführt. Während die Politik sowohl in der EU wie in der Schweiz den Weg in die Sackgasse unbeirrt fortsetzt, hat es beim Nachbarn wenigstens vernünftige (von der Bauernlobby allerdings abgeschmetterte) Vorschläge zur Zukunftsfähigkeit gegeben.
Etwa den, das sehr hohe Fördervolumen zwar noch längere Zeit aufrechtzuerhalten, aber kräftig umzuschichten. Beispielsweise indem man die strukturkonservie- renden Direktzahlungen in echte Unternehmensanreize (etwa Investitionsförderungen) umleitet.
Die werden die Agrarier nämlich brauchen. Der Landwirtschaft steht ja mit dem laufenden Digitalisierungsprozess ein enormer Produktivitätsschub ins Haus: Autonom arbeitende Feldmaschinen und Stallroboter sind keine Zukunftsmusik mehr. Demnächst kommt beispielsweise ein Melkroboter auf den Markt, der nicht nur melkt, sondern die Milch gleich auch filtriert, pasteurisiert und verkaufsfertig abfüllt.
Diese Art von „Digital Farming“bedeutet, wie gesagt, nicht nur enorme Produktivitätsschübe, sondern bietet auch die Chance, Wertschöpfung aus der weiterverarbeitenden Industrie auf den Hof zurückzuholen.
Aber nur für unternehmerisch denkende und handelnde Bauern. Die sollte ein Förderungssystem bei Investitionen und bei deren Implementierung unterstützen. Das kostet die Steuerzahler ebenfalls viel Geld (das Fördervolumen soll ja gleich bleiben, nur sinnvoller eingesetzt werden), kann die Bauern selbst aber mittelfristig von fremdgesteuerten Subventionsempfängern zu gestaltenden Unternehmern machen.
Mit bloßen Flächenzahlungen wird der digitale Wandel nicht zu schaffen sein. So kann man die strategisch wichtige Nahrungsmittelerzeugung auf dem Alten Kontinent auch umbringen.