Kassenreform als „Pflanz“
Parlament. Der Nationalrat beschließt in der letzten Sitzung vor Weihnachten die Strukturreform der Sozialversicherung. Die Opposition tobt.
Wien. Die letzte Plenarsitzung des Nationalrats vor Weihnachten hat den Österreichern die Zusammenlegung der Krankenkassen beschert. Dies hat zu einer emotionalen und höchst kontroversiellen Debatte im Nationalrat geführt – begleitet von zahlreichen Taferlaktionen und Ordnungsrufen.
Die Reform sei „brandgefährlich“, warnte SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Der Umfärbung in den Gremien würden, so ihre Mutmaßung, Selbstbehalte, Ambulanzgebühren und Leistungseinschränkungen folgen. Der Beschluss, so Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger, sei ein „Pflanz“und eine „Augenauswischerei“und bringe nur türkisen und blauen Funktionären etwas. Völlig anders wurde das naturgemäß von der Regierung bewertet. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sprach von der „größten Reform der Zweiten Republik“.
Konkret werden die neun Gebietskrankenkassen zu einer österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengelegt – wobei neun Länderstellen erhalten bleiben. Die ÖGK schließt einen österreichweiten Gesamtvertrag für die Ärztehonorare ab. Bis 2021 sollen Leistungen harmonisiert werden. Auch die gewerbliche und die bäuerliche Sozialversicherung werden zu einer Selbstständigenkasse zusammengelegt. Die Beamtenund Eisenbahnerkasse fusionieren. Die Machtposition der Arbeitgeber in den Gremien wird ausgebaut. Der Hauptverband wird in seiner Bedeutung geschmälert. Das ursprünglich geplante Rotationsprinzip bei der Führung des Dachverbands wurde in letzter Minute abgeschafft.
Die Pensionisten hat das nicht besänftigt. Der Seniorenrat wird, das ist nun fix, vor den Verfassungsgerichtshof ziehen. Dass die Pensionisten als gesetzliche Interessenvertretung in den neu zu bildenden Gremien nicht vertreten sind, sei diskriminierend.
Beschlossen wurde im Nationalrat auch ein anderes umstrittenes Gesetz: Die Länder können nun in ihren Spitälern auch in den Ambulanzen eine Sonderklasse etablieren. In einem Entschließungsantrag wurde allerdings festgeschrieben, dass die Leistungen in Qualität und Umfang sowie in der Terminreihung unabhängig von der Versicherung zu erfolgen haben.