Wie ÖVP und SPÖ wieder miteinander flirten
Koalitionen. Mit der neuen SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sehen auch die Regierungsparteien neue Optionen, die nun ausgelotet werden. An einer Neuauflage von Rot-Schwarz wird in Wien gearbeitet – zum Ärger der FPÖ.
Wien. Nach außen präsentiert sich die türkisblaue Koalition gern als die harmonischste aller politischen Farbkombinationen. Anders als in der Vergangenheit gebe es zwischen den Regierungsparteien keinen öffentlichen Streit, sagen sie. Man arbeite konstruktiv, emsig, für die Bevölkerung, sagen sie. Eine Reform jagt die nächste.
Und gerade weil es so gut läuft, fühlen sich einige in der FPÖ von ihrem Koalitionspartner vor den Kopf gestoßen. Grund: In Wien wird gerade mit Nachdruck an einer Neuauflage der vielfach gescholtenen rotschwarzen Koalition gearbeitet. In der Bundeshauptstadt wird 2020 gewählt – vielleicht sogar früher. Die Blauen träumten für Wien von einem gemeinsamen blau-schwarz-pinken Projekt. Das ist zwar eher utopisch – denn Wien bleibt laut Umfragen nach wie vor rote Hochburg –, die Abwendung der ÖVP schmerzt aber.
Nicht zuletzt ist der Gram in der FPÖ groß, weil einer der rot-schwarzen Architekten, Kanzleramtsminister, Regierungskoordinator und Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel ist. Er soll dem Vernehmen nach vor allem mit einem einst mächtigen SPÖler Ränke schmieden: seinem Vor-Vorgänger Josef Ostermayer. Der Ex-SPÖ-Kanzleramtsminister ist einer von Ludwigs engsten Vertrauten, seine Stimme im Rathaus gewichtig.
Zugeständnisse
Dass es den beiden mit einer Neuauflage der rot-schwarzen Koalition ernst ist, lässt sich auch an den Zugeständnissen ablesen, die wohl der Vertrauensbildung dienen sollen.
So entsandte Blümel Ostermayer Ende September in den Vorstand des LeopoldMuseums. Seit 11. Oktober hält er dort den Vorstandsvorsitz inne. „Ich freue mich sehr, dass wir mit Josef Ostermayer eine Persönlichkeit gewinnen konnten, die umfangreiche Expertise hat und große Anerkennung genießt“, sagte Blümel, der zuletzt auch bei einer Veranstaltung die Zusammenarbeit mit Wiens SPÖ-Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler über den grünen Klee lobte.
Ostermayer, der unter Bundeskanzler Werner Faymann Kulturminister und dessen rechte Hand war, ist mittlerweile Generaldirektor der Sozialbau AG – des wohl größten gemeinnützigen Wohnbauträgers Österreichs. Als solcher revanchierte er sich mit einem Zugeständnis an die ÖVP – und holte nun Norbert Walter in den Aufsichtsrat. Walter war bis 2010 Landesgeschäftsführer der ÖVP-Wien, bis 2015 Gemeinderat und ist aktuell Direktor des Wiener Bauernbunds.
Blümel zählt als engster Vertrauter von Kanzler Sebastian Kurz zur „neuen ÖVP“, die sich nicht nur mit der neuen Parteifarbe Türkis von der alten „schwarzen“ÖVP abheben will. Inwieweit die türkise ÖVP mit der SPÖ kompatibel ist, wird nun in Wien ausgelotet – die alte rot-schwarze Achse steht jedenfalls. Dass SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig ein großer Fan der Großen Koalition ist und lieber mit der ÖVP als mit den Grünen regieren würde, ist kein Geheimnis. Vor allem mit dem Wiener Wirtschaftskammerchef Walter Ruck hat er ein enges freundschaftliches Verhältnis: Sie absolvieren gemeinsame Auftritte, organisieren gemeinsame Fußballspiele, haben eine Zukunftsvereinbarung unterzeichnet.
Neue Chefin, neue Möglichkeiten
Die Annäherung zwischen SPÖ und der ÖVP hat erst der Abgang von Christian Kern ermöglicht. Nachdem die ÖVP verfrühte Nationalratswahlen ausgerufen hatte, weil man mit Kern angeblich nicht mehr regieren konnte, wäre eine Neuauflage von RotSchwarz nicht denkbar gewesen. Auch atmosphärisch stimmte zwischen Kern und Kurz vieles nicht. Das ist mit der neuen Parteichefin, Pamela Rendi-Wagner, anders.
Sie eröffnet sowohl für FPÖ wie ÖVP neue Optionen: Dass FPÖ-Parteichef HeinzChristian Strache beim ersten Treffen seinen Charme spielen ließ, ist kein Zufall. Dass weder FPÖ noch ÖVP die neue Parteichefin bisher angriffen haben, ebenfalls nicht. Dass man den Streit mit Rendi-Wagner vermeidet, hat nicht nur mit Sympathie zu tun, sondern ist auch Taktik. Man will ihr nicht zu viel Bühne bieten. Ihr Antreten als Parteichefin bewirkte noch etwas: nämlich, dass sich der Druck der Koalitionspartner aufeinander erhöht – denn man ist nun nicht mehr unbedingt aufeinander angewiesen.