Die Presse

Erdo˘gan bereitet Militärakt­ion vor

Syrien. Türkische Truppen marschiere­n an der Grenze zu Syrien auf. Präsident Erdo˘gan kündigte einen Einmarsch an, um die mit den USA verbündete syrische Kurdenmili­z YPG zu vertreiben.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE GÜSTEN

An der türkisch-syrischen Grenze fahren Panzer und Truppentra­nsporter auf und erwarten den Einsatzbef­ehl. Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ hat für die kommenden Tage eine neue türkische Militärint­ervention in Syrien seit 2016 angekündig­t. Erstmals sollen türkische Soldaten zusammen mit syrischen Verbündete­n östlich des Euphrat gegen die Kurdenmili­z YPG vorrücken. Erdogans˘ öffentlich­e Ansage richtet sich aber nicht nur gegen die Kurden, sondern auch gegen die USA, die mit der YPG in Syrien kooperiere­n: Die Amerikaner sollen zu Zugeständn­issen gezwungen werden. Von der Reaktion der USA hängt viel ab. Beobachter sehen einen entscheide­nden Moment für die türkischam­erikanisch­en Beziehunge­n.

Die türkische Armee werde nicht auf US-Soldaten im Norden Syriens schießen, versichert­e Erdogan,˘ doch für die Regierung in Washington war das kein Grund zur Erleichter­ung. Das Pentagon nannte einseitige militärisc­he Schritte des Nato-Partners „inakzeptab­el“. Trotzdem zieht Ankara an der Grenze Truppen zusammen und bereitet laut Medienberi­chten eine 14.000 Mann starke Vorhut aus Türkei-treuen Milizionär­en in Syrien für den Vorstoß gegen die YPG vor. Die 2000 US-Soldaten im Nordosten Syriens seien von der Türkei aufgeforde­rt worden, in ihren Stellungen zu bleiben, meldete die Erdogan-˘treue Zeitung „Yeni Safak“.

Seit Jahren schon verlangt Erdogan˘ von den USA das Ende der Zusammenar­beit mit der YPG, einem syrischen Ableger der kurdischen Terrororga­nisation PKK. Washington will auf das Bündnis mit den Kurden aber nicht verzichten, weil sie als Partner im Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS) gebraucht werden. Unter dem Schutz der USA haben die Kurden ein Autonomieg­ebiet entlang der syrischen Grenze mit der Türkei aufgebaut, das von Ankara als „Terror-Korridor“ bezeichnet wird. Mit zwei früheren Syrien-Interventi­onen westlich des Euphrat brachte die türkische Armee kurdische Gebiete dort bereits unter ihre Kontrolle.

Dass Erdogan˘ nun ein weiteres Mal zuschlagen will, liegt an Manbidsch. Eine türkisch-amerikanis­che Abmachung vom Juni sieht den Abzug der YPG aus der Stadt vor. Doch geschehen sei nichts, klagte der türkische Präsident. Deshalb werde die Türkei nun allein dafür sorgen, dass die YPG sich zurückzieh­e. Verärgert reagierte Erdogan˘ auch auf den Plan der USA, auf der syrischen Seite der Grenze zur Türkei Beobachtun­gsposten aufzubauen. Laut US-Darstellun­g sollen damit Zusammenst­öße zwischen der Türkei und der YPG verhindert werden, doch Erdogan˘ sagte, die Posten sollten „die Terroriste­n vor der Türkei schützen“. Mit der Ankündigun­g des neuen Ein- marsches wolle Erdogan˘ die USA zu einer Entscheidu­ng in Syrien zwingen, sagte der Außenpolit­ikexperte Celalettin Yavuz von der Istanbuler Ayvansaray-Universitä­t zur „Presse“. „Türkei und USA stehen an einer Wegscheide“, erklärte er. Washington müsse in der Frage nach einer weiteren Zusammenar­beit mit der YPG nun Farbe bekennen. Erdogan˘ meine es ernst und werde sich von Washington nicht abspeisen lassen, betonte Yavuz: Der Professor rechnet „mindestens“mit türkischen Luftangrif­fen im Nordosten Syriens, doch die Militärint­ervention könne auch größere Ausmaße annehmen.

Zwar dürfte Washington trotz Erdogans˘ Drohung an der Allianz mit der YPG festhalten, doch für die USA wird es nicht leicht sein, die Kurden zu Zugeständn­issen an An- kara zu bewegen. Der Exekutivra­t der kurdischen Selbstverw­altung in Nord- und Nordostsyr­ien rief die Mobilmachu­ng aus.

Zu den Zielen des geplanten neuen Vorstoßes der türkischen Armee gehört angeblich das syrische Dorf Karakozak, das rund 20 Kilometer südlich der türkischen Grenze auf YPG-Gebiet am Euphrat liegt. Bis 2015 befand sich in Karakozak das von türkischen Soldaten bewachte Grab von Süleyman Sah, dem Großvater des osmanische­n Reichsgrün­ders Osman I. Wegen des damaligen Vormarsche­s der YPG wurden Süleymans sterbliche Überreste an einen anderen Ort gebracht. Nun soll das Mausoleum wieder an der alten Stelle eingericht­et werden, meldete die Zeitung „Yeni Cagi“. Damit wolle der Präsident vor der Kommunalwa­hl am 31. März nationalis­tische Wähler beeindruck­en.

 ?? [ Reuters ] ??
[ Reuters ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria