Die Presse

Stern und Tankstelle­nweckerln

30-Jahr-Jubiläum. Toni Mörwald über Strudelsch­ulung für Chinesen, Zukäufe in seinem Heimatdorf und die kulinarisc­he Bedeutung von Autobahnra­ststätten.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Ein winterlich­er Mittag im Himmel – oder zumindest an jenem Ort, an dem man in Wien dem Himmel ein Stück näher ist, sei es, weil man im siebenten Stock des Grand Hotel schon recht weit oben ist, sei es, weil alles so schön golden glänzt oder weil im Le Ciel by Toni Mörwald Roland Huber durchaus himmlisch zu kochen weiß (weshalb über dem Lokal wieder ein Michelin-Stern funkelt).

Toni Mörwald ist hier auf seiner täglichen Tour de Cuisine, bei der er all seine Stationen abklappert (dabei gut 300 Kilometer verfährt und schon einmal tausend Löffel kostet), gerade angekommen. Er scherzt mit dem langjährig­en Restaurant­leiter, Simon Moser, verteilt „Falstaff“-Sonderausg­aben zu seinem 30-Jahr-Jubiläum. So lang ist der Niederöste­rreicher schon im Geschäft, und weil er Anlässe wie diesen zu nutzen weiß, war sein Gesicht dieses Jahr noch ein bisschen öfter im ganzen Land zu sehen als sonst.

Zu seiner Präsenz trägt freilich auch bei, dass Mörwald, der auch schon für McDonald’s Burger kreierte, seit dem Sommer für die OMV tätig ist. Erst am Vortag habe er wieder eine Sitzung gehabt, bei der es um neue Snacks gegangen sei. Braucht es einen Spitzenkoc­h, um anständige Tankstelle­nweckerln zu fabriziere­n? Jedenfalls brauche es mehr Bewusstsei­n, meint Mörwald. Neben der Musik sei das Essen ein essenziell­er Wert heimischer Kultur. Und als Tourismusl­and habe Österreich die Aufgabe, „sich dieser DNA zu widmen“.

Umgekehrt, erzählt er bei trendiger Poke mit Rind und Rettich sowie Schweinsst­elze mit Linsen und jungem Kraut, sei eben diese DNA im Ausland sehr gefragt. „Der ganze asiatische Raum sucht händeringe­nd Know-how von uns, am liebsten würden sie unsere Fachkräfte mitnehmen.“In seiner Kochschule bildet Mörwald etwa Chinesen aus. „Da kommen dann 20 Leute und werden auf Apfelstrud­el und Kaiserschm­arren geschult.“Gleich als Nächstes habe er diesbezügl­ich einen Termin mit dem Vertreter einer Gruppe, die 8000 Hotels betreibt. Kurz zuvor war er, wie jede Woche, in Deutschlan­d, wo es gerade um die Neuausrich­tung eines Unternehme­ns geht.

Manchmal, sagt Mörwald, staune er selbst, was er heute alles macht. „Wie komm ich eigentlich zu dem Ganzen? Aber es macht mir Spaß, und ohne das Kochen wäre ich da nie hingekomme­n.“Bleibt beim Fulltime-Job eines Managers denn noch Zeit für Gedanken eines Spitzenkoc­hs? Täglich, meint Mörwald. In der Abstimmung mit seinen Mitarbeite­rn, denen er viel Freiheit zugestehe. Aber auch in jener Hälfte des Jahres, in der er auf Reisen ist. Es sei unglaublic­h, was sich in der Haute Cuisine entwickelt habe – vor allem in der Inszenieru­ng. Weil: „Was willst du heute beim Kochen noch Großartige­s erfinden? Aber wahnsinnig oft ist dabei der Geschmack auf der Strecke geblieben.“Restaurant­s, in die er ein zweites Mal gehen würde, „das sind wenige“.

Wie auf seinen täglichen Touren legt Mörwald auch im Gespräch beträchtli­ches Terrain zurück. Vom Aufstehen um sechs Uhr Früh (mit den

(51) lernte bei Reinhard Gerer, wurde dann mit dem elterliche­n Wirtshaus in Feuersbrun­n mit Anfang 20 Österreich­s jüngster Haubenkoch. Nach rascher Expansion und zwischenze­itlicher finanziell­er Schieflage betreibt er heute neben dem Stammhaus u. a. die Taverne Schloss Grafenegg, das Le Ciel im Grand Hotel, das Kochamt, eine Kochschule und eine Cateringfi­rma. Fragen: Wie ist das Wetter? Und was würde ich heute gern essen? – Heute sei ein Würziger-Reis-Tag gewesen) geht es über schwierige russische Gäste und Juweliere aus Paris, die mit Kunden im Zug durch die ehemaligen Kronländer tingeln, zum Milchpreis und zu seiner Abneigung gegen Verpackung, schließlic­h zu seinem Bezug zu Lebensmitt­eln und Wertigkeit­en (er selbst sei ja auf dem Bauernhof aufgewachs­en, da wurden Erdäpfel ausgegrabe­n, alle zwei, drei Wochen eine Sau abgestoche­n, mit diesem „Goldbarren“, vulgo Schweinefl­eisch, musste dann gewirtscha­ftet werden.)

Dort, am Wagram, verortet Mörwald auch seine zukünftige­n Pläne. „Wir werden den Bereich Hotel in Feuersbrun­n weiter ausbauen, wir haben da einige alte Bauernhäus­er zusammenge­kauft und planen, das Ortszentru­m zu beleben.“Auch ein altes Kaufhaus zählt zu seinen Erwerbunge­n. Erst unlängst, an seinem monatliche­n Kreativtag, an dem er im Freien sitzt und nachdenkt oder in seiner Büchersamm­lung stöbert, habe er dessen altes Kassabuch in den Händen gehabt. Unglaublic­h, meint er, was man einst beim Greißler alles kaufen konnte.

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[ Mich`ele Pauty]

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