Die Presse

Im Rückblick scheint die Sonne nicht überall gleich

Bei der Sprache trügt einen manchmal das Gefühl, und das mit voller Logik.

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Wer

von der „alten Rechtschre­ibung“spricht, gehört zu jener Gruppe von Freaks, die manchmal noch in Schilling rechnen, vor allem, wenn es um einen unangemess­enen Preis geht, etwa den eines Magnums im Freibad (fünfzig Schilling). Aber auch jemand, der schon in die neue Rechtschre­ibung hineingebo­ren wurde, hat manchmal Zweifel am eigenen Sprachgefü­hl. So standen wir unlängst unentschlo­ssen vor der Frage, ob sich der französisc­he Präsident an die Bevölkerun­g „wendete“oder „wandte“, und die Antwort – es geht beides – war nicht zufriedens­tellend.

Verwandte können indessen keine Verwendete­n werden und ob die Sonne gescheint oder geschienen hat, hängt nicht zuletzt vom Wohnort ab, auch beim Winken bestimmt der Ort die Endung. Die Sprachlogi­k beruht nicht zuletzt auf den Ausnahmen von ihren Regeln, daran verzweifel­n auch Englischsc­hüler, die nach „sang“und „rang“auf „brang“setzen, und dann heißt es mit „brought“doch wieder ganz anders. Irgendwann spürt man, was richtig ist, aber es hat wenig Sinn, nach dem Warum zu fragen.

Das bewährt sich auch für die Mathematik, bei der Fragen nach dem Warum ausufern können, nach dem Wozu sowieso. Es gibt keinen Grund, war schon die beste Antwort auf die ewig aktuelle Frage, warum das Huhn die Straße überquerte. Diese Einstellun­g bewährt sich in vielen Situatione­n, die sich nicht zum Hinterfrag­en eignen, wenn man sich nicht noch Stunden später im Kreis drehen will

Eine unerwartet­e Antwort gab es unlängst auf die Anmerkung zu hören, dass die vorgedruck­ten Kästchen auf einem Formular für die E-Mail-Adresse nicht ausreichte­n, wegen des langen Vornamens und des Doppelname­ns. „Selber schuld“, sagte der zuständige Herr, und das macht einen dann doch ziemlich sprachlos.

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