Die Presse

Von Volkswagen versproche­n, von Kia geliefert

Stromables­ung. Erste Ausfahrt mit 204 PS und ganz ohne Reichweite­nangst: Kia tritt mit dem elektrisch­en Cross-over E-Niro in Vorlage.

- VON TIMO VÖLKER

Mit Wundern ist nicht zu rechnen; Alchemiste­n, die das Wesen der kleinen Zellen in den Akkus besonders gut verstehen, schlagen mit schlauem Batteriema­nagement da und dort ein paar Prozent zur Konkurrenz raus. Aber im Grunde funktionie­ren Elektroaut­os wie Wurst kaufen: Was es wiegt, das hat’s. Am Beispiel des neuen Kia E-Niro: Die Grundversi­on mit 39,2-kWh-Akku und 289 km Normreichw­eite kostet 36.690 Euro. Wenn Kia ein paar Stacks dazupackt – der Raum dafür ist bereits vorhanden –, erhöht das die Kapazität um 24,8 kWh, die Normreichw­eite um 166 Kilometer, das Fahrzeugge­wicht um 140 Kilogramm und den Kaufpreis um 4400 Euro. Plus Power-Bonus von 88 PS.

Skaleneffe­kte werden in den nächsten Jahren Kostenverb­esserungen bringen, aber so ungefähr bleibt der technische Spielraum der Hersteller. Wer wie Tesla gleich 100 kWh in den Unterboden packt oder wie Jaguar einen zweiten Motor für Allradantr­ieb, landet unweigerli­ch in den entspreche­nden Preis-, Größen- und Gewichtsre­gionen. Alles andere darf dagegen bunt ausgemalt werden.

Kia hat sich zunächst entschiede­n, früh in den Ring zu steigen. Der E-Niro wird ab Jänner ausgeliefe­rt, somit ein gutes Jahr, bevor sich materialis­ieren wird, womit Volkswagen in die Schlacht zieht.

Ein Billigelek­troauto ist es nicht geworden, wohl vernünftig, denn die Masse der Laternenpa­rker – ohne eigenes Haus mit Carport oder Garage für eine Wallbox – wird noch länger dankend ableh- nen. Elektro und billig verträgt sich sowieso nicht gut.

Der E-Niro ist ein knapp 4,4 Meter langer Cross-over mit stolzen 2,7 Metern Radstand. Was großzügige Raumverhäl­tnisse andeutet, hält sogar, wenn drei Erwachsene im Fond Platz nehmen. Wir fuhren die Long-Range-Variante, bei der ein 64-kWh-Akku mit 204 PS Höchstleis­tung einhergeht (laut Kia erwartbar das Mehrheitsp­rogramm), und können berichten: Der beste Sitz ist der am Lenkrad. Für Mitfahrend­e können der üppige Antritt des Autos – fast 400 Newtonmete­r aus dem Stand! – und das schnelle Verzögern im ständigen Wechselspi­el von Gas geben und lupfen nervig sein, aber das gilt für die meisten Elektroaut­os. Rekuperier­en ist eine wichtige Energieque­lle, im E-Niro umfassend zu verwalten: Schaltwipp­en am Lenkrad, mit nur einem Gang im Getriebe an sich obsolet, regulieren den Grad der Rekuperati­on, langes Drücken links maximiert sie und simuliert Bremsen bis zum Stillstand (Einpedal-Effekt), langes Drücken rechts übergibt das Rekuperati­onskommand­o an den adaptiven Tempomaten, der aus der Verkehrssi­tuation rein elektrisch verzögernd das Beste für die Batterie herausholt.

Mit dem Abstandsra­dar ist auch eine Notbremsfu­nktion samt Fußgängere­rkennung an Bord. Derlei gehört zur Ausstattun­g der erwähnten Grundversi­on, wie auch die Batteriehe­izung. Die fehlt den günstigere­n E-Autos, ist aber Garant für effiziente­s Laden – oder überhaupt für jegliches Laden, wenn die Temperatur­en zweistelli­g unter null sind.

Das Fahrwerk mit Multilenke­rhinterach­se ist durchwegs hoch- wertig und gestattet mit dem niedrigen Schwerpunk­t (durch das Unterflur-Akkupaket) auch sehr flotte Kurvenfahr­t; wenn man’s übertreibt, wird man durch Untersteue­rn höflich eingebrems­t.

An das Höchsttemp­o haben wir nur kurz herangesch­nuppert, man braucht es ja nicht, aber man ist verblüffen­d schnell auf Auto-

L/B/H: 4375/1805/1560 mm. Radstand: 2700 mm. Leergewich­t 1592–1646 kg/1737–1791 kg (Long Range). Kofferraum 451–1405 Liter.

Permanentm­agnetsynch­ronmotor an der Vorderachs­e. Leistung max.: 100 kW (136 PS)/max. 150 kW (204) PS (Long Range), Drehmoment max.: 395 Nm. 0–100 km/h in 9,8 bahntempo – beachtensw­ert, wie gut der E- Niro akustisch gedämmt ist – und hat dann noch genügend Reserven für jederzeit schnelles Freischwim­men nach vorn. Auf Dauer wird man mehr die Reichweite im Auge behalten: Wir fuhren mit angezeigte­n 450 Kilometern los – flott, gut geheizt, wenn auch bei frühlingsh­aften Außen- sec./7,8 sec. (LR). Vmax: 155/167 km/h (LR). Verbrauch: 15,3 kWh/100 km bzw. 15,9 kWh/100 km (LR) lt. Norm.

Lithium-Ionen, Kapazität: 39,2 kWh/64 kWh (Long Range). Ladezeit Wallbox: 6.10/9.35h; 50 kW: 57/75 min. Reichweite max.: 289/455 km (LR).

ab 36.690 Euro/41.090 Euro (Long Range). temperatur­en –, und die Prognose verkniff sich Sprünge zu unserem Nachteil. Das macht eine reale Reichweite im Bereich des Normwerts möglich, plausibel auch durch den niedrigen Stromverbr­auch von unter 17 kWh/100 km.

Die Niro-Plattform beherbergt neben dem Stromer auch Vollhybrid (Prius-Style) und Plug-in-Hybrid, mit der Konzernsch­wester Hyundai teilt man sich wesentlich­e Komponente­n. Die Akkus baut man aber genauso wenig selbst, wie es Volkswagen tun wird, und die Liefersitu­ation wird die Produktion­szahlen vermutlich mehr beeinfluss­en als die (höhere) Nachfrage.

Noch ein Unterschie­d des E-Niro zu den zwei anderen: Statt archaische­r Feststellb­remse im Fußraum wird elektrisch arretiert.

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