Hochfilzen: Erst die Razzia, dann die Rennen
Biathlon. Der ewige Wettlauf zwischen Ski- und Dopingjägern ist um eine Episode reicher. Nach Kasachen und Spitzenfunktionären des Verbandes sind nun auch die Russen ins Visier der österreichischen Ermittler geraten.
Anmerken lassen wollte man sich die Enttäuschung in Hochfilzen nicht. Schließlich war richtig gerackert worden, erst drohte der Regen die Loipe davonzuschwemmen, dann folgte der Wintereinbruch. Jeder andere Ort hätte die Rennen wohl abgesagt, meinte Lokalmatador Dominik Landertinger. Die Belohnung: strahlender Sonnenschein zum Auftakt des Biathlonweltcups am Donnerstag. Dann aber machte sich doch wieder ein Schatten über dem Winterwunderland breit.
Österreichische Behörden hatten noch vor Beginn der Bewerbe das russische Mannschaftsquartier aufgesucht und die Russen über die Einleitung von Doping-Ermittlungsverfahren gegen fünf Athleten und fünf Betreuer informiert. Die Staatsanwaltschaft sprach vom Verdacht des „schweren Betrugs im Zusammenhang mit Doping“. Durchsuchungen oder Vernehmungen habe es aber noch keine gegeben. Der russische Verband sah das anders und erklärte, dass Sportler und Betreuer sehr wohl befragt worden wären.
Was bisher bekannt ist: Die mutmaßlichen Verstöße betreffen den Zeitraum der WM im Februar 2017 in Hochfilzen. Dort war die russische Männerstaffel zu Gold gelaufen, Chefcoach war damals der Deutsche Ricco Groß, der stets erklärt hat, alles zu tun, um dem Dopingverdacht entgegenzuwirken. Seit Sommer 2018 betreut Groß das ÖSV-Männerteam.
Während von offizieller Stelle keine Namen genannt wurden, postete der russische TV-Kommentator Dmitri Gubernijew diese auf Instagram. Darunter befand sich auch Alexander Loginow, der zum Saisonauftakt in Pokljuka in zwei von drei Rennen auf dem Podest stand. Schon einmal wurde der 26-Jährige des Dopings überführt (EPO) und für zwei Jahre bis Ende 2016 gesperrt. In Hochfilzen kam es 2017 zum Eklat, als Superstar Martin Fourcade eine Siegerehrung mit Loginow boykottierte.
Auch bisher Unbescholtene wie Anton Schipulin, 31, der beste russische Biathlet der vergangenen Jahre, sind nun ins Visier der Dopingjäger geraten. Der Olympiasieger von 2014 hat heuer noch kein Rennen bestritten, er weilt auch nicht in Hochfilzen, wehrte sich jedoch umgehend: „Ich kann mir den Vorgang nicht erklären.“
Die für die Ermittlungen zuständige Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien hat ohnehin schon alle Hände voll zu tun. Bei der WM 2017 hatte es eine Razzia beim kasachischen Team gegeben, die Ermittlungen dauern an. Wie auch jene gegen Anders Besseberg, den Ex-Präsidenten der Internationalen Biathlon-Union (IBU), wegen mutmaßlicher Korruption. Die Russen sollen sich sein Schweigen in Dopingangelegenheiten erkauft haben, so der Verdacht. Im April war der IBU-Sitz in Salzburg durchsucht worden. Laufend kommen auch pikante Details um die frühere IBU-Spitze ans Licht. So soll der einstige Verbandssprecher einen Escort-Service betrieben haben.
Mittlerweile hat sich die IBU neu aufgestellt, die Russen verloren den Status als vollwertiges Mitglied. In Hochfilzen spulten die russischen Männer am Donnerstag unaufgeregt ihr Training ab, alle Athleten werden bei den Rennen bis Sonntag starten.
Das erste sportliche Highlight ging im Doppingschatten freilich unter: Dorothea Wierer (ITA) gewann den Damensprint (7,5 km). Heute folgt jener der Männer (14.15 Uhr, live ORF eins).