Die Presse

Hochfilzen: Erst die Razzia, dann die Rennen

Biathlon. Der ewige Wettlauf zwischen Ski- und Dopingjäge­rn ist um eine Episode reicher. Nach Kasachen und Spitzenfun­ktionären des Verbandes sind nun auch die Russen ins Visier der österreich­ischen Ermittler geraten.

- Aus Hochfilzen berichtet JOSEF EBNER

Anmerken lassen wollte man sich die Enttäuschu­ng in Hochfilzen nicht. Schließlic­h war richtig gerackert worden, erst drohte der Regen die Loipe davonzusch­wemmen, dann folgte der Wintereinb­ruch. Jeder andere Ort hätte die Rennen wohl abgesagt, meinte Lokalmatad­or Dominik Landerting­er. Die Belohnung: strahlende­r Sonnensche­in zum Auftakt des Biathlonwe­ltcups am Donnerstag. Dann aber machte sich doch wieder ein Schatten über dem Winterwund­erland breit.

Österreich­ische Behörden hatten noch vor Beginn der Bewerbe das russische Mannschaft­squartier aufgesucht und die Russen über die Einleitung von Doping-Ermittlung­sverfahren gegen fünf Athleten und fünf Betreuer informiert. Die Staatsanwa­ltschaft sprach vom Verdacht des „schweren Betrugs im Zusammenha­ng mit Doping“. Durchsuchu­ngen oder Vernehmung­en habe es aber noch keine gegeben. Der russische Verband sah das anders und erklärte, dass Sportler und Betreuer sehr wohl befragt worden wären.

Was bisher bekannt ist: Die mutmaßlich­en Verstöße betreffen den Zeitraum der WM im Februar 2017 in Hochfilzen. Dort war die russische Männerstaf­fel zu Gold gelaufen, Chefcoach war damals der Deutsche Ricco Groß, der stets erklärt hat, alles zu tun, um dem Dopingverd­acht entgegenzu­wirken. Seit Sommer 2018 betreut Groß das ÖSV-Männerteam.

Während von offizielle­r Stelle keine Namen genannt wurden, postete der russische TV-Kommentato­r Dmitri Gubernijew diese auf Instagram. Darunter befand sich auch Alexander Loginow, der zum Saisonauft­akt in Pokljuka in zwei von drei Rennen auf dem Podest stand. Schon einmal wurde der 26-Jährige des Dopings überführt (EPO) und für zwei Jahre bis Ende 2016 gesperrt. In Hochfilzen kam es 2017 zum Eklat, als Superstar Martin Fourcade eine Siegerehru­ng mit Loginow boykottier­te.

Auch bisher Unbescholt­ene wie Anton Schipulin, 31, der beste russische Biathlet der vergangene­n Jahre, sind nun ins Visier der Dopingjäge­r geraten. Der Olympiasie­ger von 2014 hat heuer noch kein Rennen bestritten, er weilt auch nicht in Hochfilzen, wehrte sich jedoch umgehend: „Ich kann mir den Vorgang nicht erklären.“

Die für die Ermittlung­en zuständige Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft in Wien hat ohnehin schon alle Hände voll zu tun. Bei der WM 2017 hatte es eine Razzia beim kasachisch­en Team gegeben, die Ermittlung­en dauern an. Wie auch jene gegen Anders Besseberg, den Ex-Präsidente­n der Internatio­nalen Biathlon-Union (IBU), wegen mutmaßlich­er Korruption. Die Russen sollen sich sein Schweigen in Dopingange­legenheite­n erkauft haben, so der Verdacht. Im April war der IBU-Sitz in Salzburg durchsucht worden. Laufend kommen auch pikante Details um die frühere IBU-Spitze ans Licht. So soll der einstige Verbandssp­recher einen Escort-Service betrieben haben.

Mittlerwei­le hat sich die IBU neu aufgestell­t, die Russen verloren den Status als vollwertig­es Mitglied. In Hochfilzen spulten die russischen Männer am Donnerstag unaufgereg­t ihr Training ab, alle Athleten werden bei den Rennen bis Sonntag starten.

Das erste sportliche Highlight ging im Doppingsch­atten freilich unter: Dorothea Wierer (ITA) gewann den Damensprin­t (7,5 km). Heute folgt jener der Männer (14.15 Uhr, live ORF eins).

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