Regulierungswut als Standortgefahr
Wettbewerb. Immer mehr heimische Betriebe ziehen bei Ausschreibungen in Osteuropa gegen die chinesische Konkurrenz den Kürzeren. Was muss Europa tun, um konkurrenzfähig zu sein?
Am Mittwoch segnete der Nationalrat das Standortentwicklungsgesetz ab. Künftig sollen Genehmigungsverfahren, die im öffentlichen Interesse stehen, nicht mehr jahrelang dauern. Anlassfall für dieses Gesetz war der Bau der dritten Piste des Flughafens Schwechat, der sich seit Jahrzehnten hinzieht.
In einer globalisierten Welt werden Themen wie Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität immer wichtiger. „Überregulierung und das sogenannte Golden Plating sind für einen Wirtschaftsstandort Gift“, sagt Ralf-Wolfgang Lothert, Head of Corporate Affairs & Communication von JTI Austria, im Rahmen eines „Presse“-Business-Talks. Die globale Konkurrenz sitze nicht mehr in China oder Südostasien, sie ist in Europa angekommen. „Österreichische Unternehmen haben bei Ausschreibungen in Ost- und Südosteuropa zunehmend schlechtere Chance, weil etwa chinesische Firmen aufgrund niedrigerer ökologische und arbeitsrechtlicher Standards billiger anbieten können“, berichtet Michael Fazekas, Leiter der Southeast European Cooperative Initiative (SECI), einer Initiative der OSZE. Nicht nur, dass europäische Unternehmen immer öfter nicht mehr zum Zug kommen, finanzieren gleichzeitig europäische Steuerzahler – etwa durch die Europäische Entwicklungsbank EBRD – diese Großprojekte.
Die Entwicklung in Südosteuropa sei teilweise „besorgniserregend“, betont Fazekas. Länder wie Mazedonien sind bei chinesischen Konzernen hoch verschuldet. „Politische Einflussnahme wird in den kommenden Jahren vermehrt ein Thema sein“, ist er überzeugt. Ähnliche Entwicklungen sieht der Südosteuropaexperte auch in Ungarn, Serbien oder in der Ukraine.
Apropos politische Einflussnahme: Während die Expansion chinesischer Großkonzerne nach Europa – nicht zuletzt nach spektakulären Firmenübernahmen – längst auch im Fokus der Politik ist, sind die zunehmenden Investitionen aus dem Nahen Osten noch nicht ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen. Bei diesen Investitionen, die derzeit etwa in Bosnien massiv zunehmen, seien zunehmend auch „religiöse Motive“entscheidend, sagt Fazekas.
Derartige Entwicklungen könne man nicht verhindern, indem man den Markt abschottet. Vielmehr müsse man die Wettbewerbsfähigkeit Europas erhöhen. „Es geht um Subsidiarität“, betont Lothert. In Österreich und in Ländern Westeuropas gehe die Entwicklung vom „aufgeklärten Bürger hin zum zu beschützenden Bürger.“Das sei eine Fehlentwicklung, die schleichend einsetzt, aber am Ende fatale Auswirkungen hat. Erste Warnsignale ortet Matthias Wechner bereits heute. Der Chef von Trenkwalder Österreich berichtet von einem Salzburger Unternehmen, das überlege, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Nicht etwa wegen der hohen Steuern oder bürokratischer Hürden. „Weil man das nötige Personal nicht mehr bekommt“, erzählt Wechner. Während bei uns Fachkräftemangel herrscht, gebe es etwa in Südspanien gut ausgebildete, motivierte junge Leute, erzählt der Personaldienstleister. Während hierzulande der Zwölf-Stunden-Tag bestreikt werde, buhlt das sozialdemokratisch regierte Spanien mit flexiblen Schichtmodellen um ausländische Industrieunternehmen.
Der Fachkräftemangel in Österreich sei zum Teil auch einer Vollkaskomentalität geschuldet, betont Wechner. Oft gehe es nicht ums Können, sonder ums Wollen.
Aber noch profitieren die österreichischen Unternehmen vor allem vom Fleiß ihrer Mitarbeiter. Und von der Rechtssicherheit, sind sich alle Diskutanten einig. Vieles am Wirtschaftsstandort ist gut. Noch. „Jammern gehört zum guten Ton“, sagt Lothert. Diese Einstellung mache es allerdings schwierig, Dinge zu verändern.
Apropos: Wie viel Sozialpartnerschaft braucht ein florierender Wirtschaftsstandort?
Die Sozialpartnerschaft habe lang gut funktioniert, attestiert Lothert. „Doch sie führte auch zu einer Klientelpolitik, die bekanntlich immer auf Kosten anderer geht.“Lothert erhofft sich von der neuen Regierung „mehr Transparenz“. Eines ist ihm aber durchaus bewusst: „Es ist schwieriger für einen Staat, weniger zu regulieren als mehr zu regulieren.“(gh)