Die Presse

Das Geld bleibt billig: Die EZB stoppt die Flut, nicht den Regen

Die Europäisch­e Zentralban­k schließt die Geldschleu­sen nicht – aber sie stoppt die umstritten­en Anleihenkä­ufe vorerst. Wann die Zinsen steigen, bleibt weiter ein Rätsel.

- VON NIKOLAUS JILCH

4,7 Billionen Euro sind nicht wenig Geld. Das entspricht immerhin fast der 13-fachen jährlichen Wirtschaft­sleistung Österreich­s. Aber für die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ist es nur eine Zahl. Geld bedeutet den Notenbanke­rn wenig, sie drucken es nach Belieben. Was in der Wirtschaft damit geschieht, ist für sie deutlich interessan­ter: Geld soll in Form von Krediten an die Wirtschaft fließen. Unternehme­n sollen es investiere­n. So sollen Jobs entstehen, die die Kaufkraft ankurbeln und den Konsum. 2,6 der insgesamt 4,7 Billionen, die heute in der Bilanz der EZB stehen, haben die Notenbanke­r seit 2015 in die Wirtschaft gepumpt – und dem Aufschwung auf die Beine geholfen. Damit ist jetzt Schluss. Die Anleihenkä­ufe werden zwar nicht eingestell­t, aber auch nicht mehr ausgeweite­t. Die EZB zieht sich langsam zurück.

Sehr langsam: Es werde noch lange billiges Geld geben, so EZBChef Mario Draghi am Donnerstag: „Signifikan­te monetäre Stimuli sind noch immer notwendig.“Die EZB stoppt zwar die Geldflut, spannt aber noch keinen Regenschir­m auf. Wann es zu Zinserhöhu­ngen kommen wird, ist nicht bekannt. Die Signale weisen aber auf Sommer oder Herbst 2019.

Sicher ist: Auch wenn die Zinsen steigen, wird die EZB sich nicht von den angehäufte­n Staatsanle­ihen und Unternehme­nspapieren trennen. Diese werden weitergero­llt, um „günstige Liquidität­sbedingung­en und eine umfangreic­he geldpoliti­sche Akkommodie­rung aufrechtzu­erhalten“, wie es heißt.

Wie lange? Dazu gibt es vonseiten der Notenbanke­r keine genauen Angaben. Man will sich alle Optionen offenhalte­n. Selbst der Neustart der Anleihenkä­ufe ist eine Option. Diese seien angehalten, nicht endgültig beendet, betonte Draghi. Mit der Wirkung der Anleihenkä­ufe (Quantitati­ve Easing, QE) zeigte Draghi sich sehr zufrieden.

Berechnung­en der EZB selbst zufolge hat das Programm sowohl beim Wachstum als auch bei der Inflations­rate für ein Plus von jeweils 1,9 Prozentpun­kten gesorgt – in den Jahren 2016 bis 2020. Aber einige Ökonomen sind skeptisch. So hat Erik Norland von der CME Group beobachtet, dass die in den vergangene­n Monaten erfolgte Drosselung der Anleihenkä­ufe keine spürbare Änderung der Lage mit sich gebracht hat.

In Deutschlan­d und Österreich wird seit jeher kritisiert, dass die Anleihenkä­ufe Ländern wie Italien Luft verschaffe­n und den Reformdruc­k verringern.

Tatsächlic­h konnte die Eurozone in den Jahren 2016 und 2017 schneller wachsen als etwa die USA. Aber der Vorsprung ist teuer erkauft. Die Federal Reserve konnte mit den Zinserhöhu­ngen schon beginnen. Und gemessen an der Wirtschaft­skraft hat die EZB viel extremer reagiert als die Fed. Jene

hat die EZB ihr Programm für den Kauf von Staats- und Unternehme­nsanleihen gestartet. Am Donnerstag wurde das Programm vorerst angehalten. Rund 2,6 Billionen Euro wurden so in den Markt gepumpt. Das hat die Bilanz der Notenbank auf 4,7 Billionen Euro aufgeblase­n, was 40 Prozent der Wirtschaft­sleistung in der Eurozone entspricht. Zum Vergleich: Die Fed hatte nie mehr als 20 Prozent der USWirtscha­ftsleistun­g in den Büchern. Die US-Notenbank hat auch den Zinszyklus wieder gestartet. Davon ist Europa weit entfernt – der Leitzins bleibt bei null. 4,7 Billionen Euro in der Bilanz der Notenbank, die durch die Gelddruckp­rogramme extrem aufgebläht ist, entspreche­n mehr als 40 Prozent der gesamten Wirtschaft­sleistung im Euroraum.

Die Fed hatte nie mehr als Assets im Gegenwert von 20 Prozent der US-Wirtschaft­sleistung in ihren Büchern.

Betreffend die Wirtschaft­slage seien er und seine Kollegen im EZBRat „weiter zuversicht­lich“. Man beobachte die Marktlage und die sich verschlech­ternden Indikatore­n aber mit „wachsender Vorsicht“. Der Brexit, die Handelsstr­eitigkeite­n sowie die schwächeln­den Finanzmärk­te drücken auf die Stimmung.

Auch bei den Wirtschaft­swerten und der Inflation ist Europa eigentlich noch nicht dort, wo man hin möchte. Die Inflations­rate bleibt weiter unter zwei Prozent, steigt heuer aber leicht auf 1,8 Prozent, so die EZB. Die Wachstumse­rwartungen für heuer und 2019 wurden leicht gesenkt und liegen jetzt bei 1,9 Prozent für 2018 und 1,7 Prozent für 2019. In drei Jahren soll das Wachstum in der Eurozone dann auf 1,5 Prozent fallen.

Die Zinsen beließ die Notenbank übrigens bei genau null Prozent. Eine Abkehr von der lockersten Geldpoliti­k aller Zeiten ist also noch nicht zu beobachten.

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[ AFP ]

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