Das Geld bleibt billig: Die EZB stoppt die Flut, nicht den Regen
Die Europäische Zentralbank schließt die Geldschleusen nicht – aber sie stoppt die umstrittenen Anleihenkäufe vorerst. Wann die Zinsen steigen, bleibt weiter ein Rätsel.
4,7 Billionen Euro sind nicht wenig Geld. Das entspricht immerhin fast der 13-fachen jährlichen Wirtschaftsleistung Österreichs. Aber für die Europäische Zentralbank (EZB) ist es nur eine Zahl. Geld bedeutet den Notenbankern wenig, sie drucken es nach Belieben. Was in der Wirtschaft damit geschieht, ist für sie deutlich interessanter: Geld soll in Form von Krediten an die Wirtschaft fließen. Unternehmen sollen es investieren. So sollen Jobs entstehen, die die Kaufkraft ankurbeln und den Konsum. 2,6 der insgesamt 4,7 Billionen, die heute in der Bilanz der EZB stehen, haben die Notenbanker seit 2015 in die Wirtschaft gepumpt – und dem Aufschwung auf die Beine geholfen. Damit ist jetzt Schluss. Die Anleihenkäufe werden zwar nicht eingestellt, aber auch nicht mehr ausgeweitet. Die EZB zieht sich langsam zurück.
Sehr langsam: Es werde noch lange billiges Geld geben, so EZBChef Mario Draghi am Donnerstag: „Signifikante monetäre Stimuli sind noch immer notwendig.“Die EZB stoppt zwar die Geldflut, spannt aber noch keinen Regenschirm auf. Wann es zu Zinserhöhungen kommen wird, ist nicht bekannt. Die Signale weisen aber auf Sommer oder Herbst 2019.
Sicher ist: Auch wenn die Zinsen steigen, wird die EZB sich nicht von den angehäuften Staatsanleihen und Unternehmenspapieren trennen. Diese werden weitergerollt, um „günstige Liquiditätsbedingungen und eine umfangreiche geldpolitische Akkommodierung aufrechtzuerhalten“, wie es heißt.
Wie lange? Dazu gibt es vonseiten der Notenbanker keine genauen Angaben. Man will sich alle Optionen offenhalten. Selbst der Neustart der Anleihenkäufe ist eine Option. Diese seien angehalten, nicht endgültig beendet, betonte Draghi. Mit der Wirkung der Anleihenkäufe (Quantitative Easing, QE) zeigte Draghi sich sehr zufrieden.
Berechnungen der EZB selbst zufolge hat das Programm sowohl beim Wachstum als auch bei der Inflationsrate für ein Plus von jeweils 1,9 Prozentpunkten gesorgt – in den Jahren 2016 bis 2020. Aber einige Ökonomen sind skeptisch. So hat Erik Norland von der CME Group beobachtet, dass die in den vergangenen Monaten erfolgte Drosselung der Anleihenkäufe keine spürbare Änderung der Lage mit sich gebracht hat.
In Deutschland und Österreich wird seit jeher kritisiert, dass die Anleihenkäufe Ländern wie Italien Luft verschaffen und den Reformdruck verringern.
Tatsächlich konnte die Eurozone in den Jahren 2016 und 2017 schneller wachsen als etwa die USA. Aber der Vorsprung ist teuer erkauft. Die Federal Reserve konnte mit den Zinserhöhungen schon beginnen. Und gemessen an der Wirtschaftskraft hat die EZB viel extremer reagiert als die Fed. Jene
hat die EZB ihr Programm für den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen gestartet. Am Donnerstag wurde das Programm vorerst angehalten. Rund 2,6 Billionen Euro wurden so in den Markt gepumpt. Das hat die Bilanz der Notenbank auf 4,7 Billionen Euro aufgeblasen, was 40 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Eurozone entspricht. Zum Vergleich: Die Fed hatte nie mehr als 20 Prozent der USWirtschaftsleistung in den Büchern. Die US-Notenbank hat auch den Zinszyklus wieder gestartet. Davon ist Europa weit entfernt – der Leitzins bleibt bei null. 4,7 Billionen Euro in der Bilanz der Notenbank, die durch die Gelddruckprogramme extrem aufgebläht ist, entsprechen mehr als 40 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung im Euroraum.
Die Fed hatte nie mehr als Assets im Gegenwert von 20 Prozent der US-Wirtschaftsleistung in ihren Büchern.
Betreffend die Wirtschaftslage seien er und seine Kollegen im EZBRat „weiter zuversichtlich“. Man beobachte die Marktlage und die sich verschlechternden Indikatoren aber mit „wachsender Vorsicht“. Der Brexit, die Handelsstreitigkeiten sowie die schwächelnden Finanzmärkte drücken auf die Stimmung.
Auch bei den Wirtschaftswerten und der Inflation ist Europa eigentlich noch nicht dort, wo man hin möchte. Die Inflationsrate bleibt weiter unter zwei Prozent, steigt heuer aber leicht auf 1,8 Prozent, so die EZB. Die Wachstumserwartungen für heuer und 2019 wurden leicht gesenkt und liegen jetzt bei 1,9 Prozent für 2018 und 1,7 Prozent für 2019. In drei Jahren soll das Wachstum in der Eurozone dann auf 1,5 Prozent fallen.
Die Zinsen beließ die Notenbank übrigens bei genau null Prozent. Eine Abkehr von der lockersten Geldpolitik aller Zeiten ist also noch nicht zu beobachten.