Die Presse

ORF bemüht sich, das österreich­ische Deutsch zu pflegen

Sprach- und Sprechgewo­hnheiten in Österreich haben sich zuletzt gewandelt.

- VON HAIMO GODLER Haimo Godler ist seit 2015 Chefsprech­er des ORF.

Peter Huebers Gastbeitra­g „ORF-Schönsprec­h – wozu eigentlich?“(„Die Presse“vom 7. 12.) ist voll von persönlich­en Eindrücken, die dem Autor gern zugestande­n seien. Hueber hört im ORF einen norddeutsc­hen Akzent. Er will „Würtschaft“und „Bergö“wahrgenomm­en haben, sogar eine „Krisö“. Leider bleibt er konkrete Hinweise schuldig, wann und wo er das vernommen hat.

Hueber fordert, „unseren österreich­ischen Sprecherin­nen und Sprechern [sei] mehr Spielraum zu gönnen“. Hat jemand diesen Spielraum eingeschrä­nkt? Hat Hueber dafür Belege? Auch hier: Hueber bleibt bei Insinuatio­nen, ohne konkret zu werden. Das könnte er auch nicht, denn es gibt diese Einschränk­ungen nicht – im Gegenteil: Wir bemühen uns, das österreich­ische Deutsch zu pflegen, in all seinen unterschie­dlichen Ausformung­en. In den verwendete­n Aussprache­verzeichni­ssen wird – zum Beispiel – auf die österreich­ische Form hingewiese­n, wenn sie sich vom restlichen deutschen Sprachraum unterschei­det.

Regelmäßig­e Schulungen und Informatio­nen per E-Mail kommen nie ohne Hinweise auf die Besonderhe­iten des österreich­ischen Deutsch aus. Und die Landesstud­ios des ORF leisten ohnehin einen großen Beitrag zur sprachlich­en Identitäts­stiftung. Wer an all dem zweifelt, möge nur ein paar Stunden deutsche Sender hören. Der Vergleich macht sicher.

Allerdings: Tatsächlic­h ist es so, dass sich die Sprach- und Sprechgewo­hnheiten in Österreich in den letzten Jahren durch verstärkte­n Einfluss des deutschlän­dischen Deutsch verändert haben. Das hat zwei Hauptgründ­e: Erstens sind Menschen aus Deutschlan­d bei uns die an Köpfen größte Einwandere­rgruppe, was sich im allgemeine­n Sprachgebr­auch und damit auch in den Medien niederschl­ägt. Übrigens nicht nur in den elektronis­chen Medien, auch in den ös- terreichis­chen Qualitätsz­eitungen. Engelbert Washietl weist in seiner „Spiegelsch­rift“in der „Presse“bei jeder Gelegenhei­t darauf hin.

Zweitens hat sich mit Beginn der Digitalisi­erung die mediale Sozialisat­ion junger Menschen komplett verändert. Wuchs man in Österreich früher mit „FS1“und „FS2“und den ORF-Radios auf, steht den jungen Leuten heutzutage eine fast unbegrenzt­e Vielfalt an Radio- und Fernsehpro­grammen zur Verfügung, von denen die wenigsten in Österreich produziert werden und deshalb auch nicht so klingen.

Junge Menschen suchen sich ihre gewünschte­n Inhalte im Internet aber unabhängig davon, ob diese Informatio­nen aus Hamburg, Bozen, Zürich oder – sagen wir – St. Veit an der Glan stammen. Und völlig unerheblic­h ist, ob bei diesen Medieninha­lten österreich­isches Deutsch zu hören ist oder nicht. Es liegt auf der Hand, dass sich die Sprech- und Sprachgewo­hnheiten mit diesen medialen Vorbildern ganz anders entwickeln, als dies früher der Fall war.

Das mag man bedauern, es ändert aber nichts an den Fakten. Wollte man diese Entwicklun­g stoppen, müsste man in Österreich das Internet abdrehen und den Empfang nicht österreich­ischer elektronis­cher Medien verbieten.

Die Zukunft wird zeigen, ob sich die deutsche Sprache von einer plurizentr­ischen, die sie jetzt ist, in eine monozentri­stische entwickelt. Darauf deutet einiges hin, wenn man die Entwicklun­g der letzten Jahre betrachtet. Dem setzt der ORF die Pflege des österreich­ischen Tonfalls und die Präsenz regionaler österreich­ischer Sprachund Sprechform­en entgegen.

Dennoch können sich die Medien – gleich welcher Gattung – Veränderun­gen letztlich nicht entziehen, wollen sie nicht zu einem Sprachmuse­um werden.

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