ORF bemüht sich, das österreichische Deutsch zu pflegen
Sprach- und Sprechgewohnheiten in Österreich haben sich zuletzt gewandelt.
Peter Huebers Gastbeitrag „ORF-Schönsprech – wozu eigentlich?“(„Die Presse“vom 7. 12.) ist voll von persönlichen Eindrücken, die dem Autor gern zugestanden seien. Hueber hört im ORF einen norddeutschen Akzent. Er will „Würtschaft“und „Bergö“wahrgenommen haben, sogar eine „Krisö“. Leider bleibt er konkrete Hinweise schuldig, wann und wo er das vernommen hat.
Hueber fordert, „unseren österreichischen Sprecherinnen und Sprechern [sei] mehr Spielraum zu gönnen“. Hat jemand diesen Spielraum eingeschränkt? Hat Hueber dafür Belege? Auch hier: Hueber bleibt bei Insinuationen, ohne konkret zu werden. Das könnte er auch nicht, denn es gibt diese Einschränkungen nicht – im Gegenteil: Wir bemühen uns, das österreichische Deutsch zu pflegen, in all seinen unterschiedlichen Ausformungen. In den verwendeten Ausspracheverzeichnissen wird – zum Beispiel – auf die österreichische Form hingewiesen, wenn sie sich vom restlichen deutschen Sprachraum unterscheidet.
Regelmäßige Schulungen und Informationen per E-Mail kommen nie ohne Hinweise auf die Besonderheiten des österreichischen Deutsch aus. Und die Landesstudios des ORF leisten ohnehin einen großen Beitrag zur sprachlichen Identitätsstiftung. Wer an all dem zweifelt, möge nur ein paar Stunden deutsche Sender hören. Der Vergleich macht sicher.
Allerdings: Tatsächlich ist es so, dass sich die Sprach- und Sprechgewohnheiten in Österreich in den letzten Jahren durch verstärkten Einfluss des deutschländischen Deutsch verändert haben. Das hat zwei Hauptgründe: Erstens sind Menschen aus Deutschland bei uns die an Köpfen größte Einwanderergruppe, was sich im allgemeinen Sprachgebrauch und damit auch in den Medien niederschlägt. Übrigens nicht nur in den elektronischen Medien, auch in den ös- terreichischen Qualitätszeitungen. Engelbert Washietl weist in seiner „Spiegelschrift“in der „Presse“bei jeder Gelegenheit darauf hin.
Zweitens hat sich mit Beginn der Digitalisierung die mediale Sozialisation junger Menschen komplett verändert. Wuchs man in Österreich früher mit „FS1“und „FS2“und den ORF-Radios auf, steht den jungen Leuten heutzutage eine fast unbegrenzte Vielfalt an Radio- und Fernsehprogrammen zur Verfügung, von denen die wenigsten in Österreich produziert werden und deshalb auch nicht so klingen.
Junge Menschen suchen sich ihre gewünschten Inhalte im Internet aber unabhängig davon, ob diese Informationen aus Hamburg, Bozen, Zürich oder – sagen wir – St. Veit an der Glan stammen. Und völlig unerheblich ist, ob bei diesen Medieninhalten österreichisches Deutsch zu hören ist oder nicht. Es liegt auf der Hand, dass sich die Sprech- und Sprachgewohnheiten mit diesen medialen Vorbildern ganz anders entwickeln, als dies früher der Fall war.
Das mag man bedauern, es ändert aber nichts an den Fakten. Wollte man diese Entwicklung stoppen, müsste man in Österreich das Internet abdrehen und den Empfang nicht österreichischer elektronischer Medien verbieten.
Die Zukunft wird zeigen, ob sich die deutsche Sprache von einer plurizentrischen, die sie jetzt ist, in eine monozentristische entwickelt. Darauf deutet einiges hin, wenn man die Entwicklung der letzten Jahre betrachtet. Dem setzt der ORF die Pflege des österreichischen Tonfalls und die Präsenz regionaler österreichischer Sprachund Sprechformen entgegen.
Dennoch können sich die Medien – gleich welcher Gattung – Veränderungen letztlich nicht entziehen, wollen sie nicht zu einem Sprachmuseum werden.