Die Presse

Es geht um wichtigere Fragen, als um 140 km/h auf Autobahnen

Autos, die autonom fahren, mehr Verkehr und weniger Junge mit Führersche­in: Ein Blick in die Zukunft würde Politik und Industrie nicht schaden.

- VON NORBERT RIEF E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

S eien wir ehrlich: Wer ist auf der Autobahn noch nie schneller als 130 km/h gefahren? Sogar Norbert Hofer gestand in einem Interview mit dieser Zeitung ein, dass er vor seiner Zeit als Verkehrsmi­nister „nicht sehr selten“sogar schneller als 140 km/h gefahren sei.

Was soll also die Debatte um eine Erhöhung des Tempolimit­s auf den Autobahnen, zumal uns sogar die Wissenscha­ft sagt, dass die Belastung für die Umwelt bei 140 statt 130 km/h nur marginal steigt (siehe nebenstehe­nden Bericht)? Unsere Autobahnen sind gut genug für diese Geschwindi­gkeit, die Autos sowieso, von denen die meisten ohnehin für Geschwindi­gkeiten weit über 200 km/h gebaut sind.

Vor allem aber ist die Diskussion über eine neue Höchstgesc­hwindigkei­t die völlig falsche. Die Politik sollte sich eher mit der Frage beschäftig­en, ob wir überhaupt noch mit Autos auf Autobahnen fahren und wie lang in diesen Autos noch Menschen am Steuer sitzen sollen.

Wer beispielsw­eise die Lenkassist­enten und adaptive Tempomaten in neuen Autos erlebt hat, die mittels Radars automatisc­h Abstand halten, das Fahrzeug selbststän­dig bremsen und beschleuni­gen und selbst Kurven präzise lenken, fragt sich, warum erst kürzlich das Verbot der Handybenut­zung am Steuer verschärft wurde. Die Systeme, die nicht mehr nur hochpreisi­gen deutschen Premiummar­ken vorbehalte­n sind, „fahren“besser als manche Lenker aus Fleisch und Blut.

Einige Marken haben in ihren Topmodelle­n bereits Assistenzs­ysteme verbaut, die autonomes Fahren der Stufe drei ermögliche­n (der Mensch ist dabei nur noch ein „Reservesys­tem“), dürfen sie aber derzeit nicht aktivieren. Und in den USA testet man seit Längerem Taxis, die selbststän­dig fahren (der bisher einzige tödliche Zwischenfa­ll im März war eine Verkettung unglücklic­her Umstände).

Mehrere Hersteller glauben, dass ihre Systeme bereits 2020 in der Lage seien, Fahrzeuge auf Autobahnen vollständi­g autonom zu steuern. Für Lkw wird das ohnehin bald eine Notwendigk­eit sein, wenn wir weiterhin unsere Online-Bestellung­en nach spätestens zwei Tagen in Händen halten wollen, weil der Logistikbr­anche allein in Deutschlan­d etwa 50.000 Fahrer fehlen. Wir werden mutige Lösungen brauchen, in Österreich traut sich vielleicht Verkehrsmi­nister Hofer, der im kommenden Jahr bereits pilotenlos­e Passagierd­rohnen testen lassen will.

Damit sind wir bei der Zukunft der Mobilität, die nicht so aussehen kann, dass Tausende Menschen jeden Tag einsam in einem (autonom fahrenden) Auto in die Arbeit pendeln. So viele Straßen können wir gar nicht bauen. Die Lösung kann nur ein Ausbau des öffentlich­en Verkehrs sein – sowohl bei den Strecken als auch bei der Kapazität –, doch das funktionie­rt nur, wenn das Denken beispielsw­eise von Wiener Politikern nicht an der Stadtgrenz­e aufhört, sondern U-Bahnen auch ins Umland geführt werden (und die Nachbarbun­desländer dafür mitzahlen). D ie Autobranch­e selbst steht vor dem größten Umbruch seit dem Abschied vom Dampfantri­eb. Das Auto hat als heilige Kuh und Statussymb­ol ausgedient, künftig wird es weniger Menschen um den Besitz eines Pkw gehen, sondern mehr um Mobilität auf Verlangen. Die Zunahme von Carsharing-Modellen, die Millioneni­nvestition­en von BMW und VW in Ride-HailingDie­nste (Stichwort: Uber) erfolgen nicht zufällig. Nur so werden die Firmen in wenigen Jahrzehnte­n viele der Autos, die sie bauen, noch absetzen können.

Dass diese Autos dann alle mit Akkus fahren – man darf es bezweifeln. Batteriebe­triebene Elektroaut­os sind eine Brückentec­hnologie, bis der Wasserstof­fantrieb mit Brennstoff­zelle bühnenreif ist. Bis dahin werden noch viele Autos mit Benzin- und – darf man es sagen? – Dieselmoto­r gebaut werden. Der Diesel ist übrigens nicht der Gottseibei­uns der Antriebsar­ten, sondern schon aktuell mit der Abgasnorm Euro-6d-Temp so sauber wie jeder Benziner mit einer noch dazu besseren CO2-Bilanz. Sogar der ökofreundl­iche deutsche Verkehrscl­ub empfiehlt diese Dieselauto­s.

Wollen wir 140 km/h auf der Autobahn? Warum nicht. Die wichtigste Frage ist das aber nicht.

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