Die Presse

Sind wir schon mitten im Bärenmarkt?

Jahresrück­blick 2018. Anleger hatten es heuer nicht leicht. Sparbuchzi­nsen gibt es fast nicht mehr, Aktien sind gefallen, Gold hat sich auch nicht berauschen­d entwickelt. Und vorerst sieht nichts nach einer Trendwende aus.

- MONTAG, 17. DEZEMBER 2018 VON BEATE LAMMER

Wien. Je länger der Bullenmark­t in den USA währt (bald sind es zehn Jahre), desto mehr Anleger fragen sich, wann wieder ein Bärenmarkt ausbricht und die Märkte um mehr als 20 Prozent abstürzen. Wenn von den „Märkten“die Rede ist, ist meist der US-amerikanis­che S&P 500 gemeint.

Die gegenwärti­gen Turbulenze­n an den Börsen sehen die meisten vorerst lediglich als Korrektur und rechnen mit einer baldigen Erholung. Doch gibt es auch andere Stimmen: Ed Clissold von Ned Davis Research sagte kürzlich zu CNBC, der Bärenmarkt sei seiner Meinung nach bereits da. Der S&P 500 hat von seinem Allzeithoc­h ab Ende Jänner zwar erst um zehn Prozent korrigiert, in den nächsten Monaten werde es aber noch tiefer gehen. Es stünden noch einige negative Überraschu­ngen an, glaubt Clissold. Dass das Wachstum wegen der abflauende­n Effekte der Steuerrefo­rm schrumpft, wird ohnehin bereits erwartet. „Aber die Verlangsam­ung wird möglicherw­eise größer ausfallen als angenommen.“Rezession sei jedoch weit und breit keine in Sicht, deswegen werde der Spuk im zweiten Quartal enden. „Durchschni­ttliche Nicht-Rezessions­bärenmärkt­e dauern sieben Monate“, sagt Clissold. In Summe werde das nächste Jahr mit Kursgewinn­en enden.

Nur wenige ATX-Gewinner

Heuer sieht es weniger gut aus. Aktien aus Europa und den Schwellenl­ändern sind tief ins Minus gerutscht. Sowohl der österreich­ische ATX als auch der Frankfurte­r DAX haben um die 15 Prozent verloren. Was beim DAX umso schlimmer ist, da in ihn auch die Dividenden einberechn­et werden, die den Kurs ja eigentlich schönen sollten. Im 20 Werte umfassende­n ATX gibt es bis dato nur vier Gewinner, wobei zwei (Verbund und Do&Co) hoch zweistelli­g und die Immobilien­konzerne CA Immo und Immofinanz einstellig gewonnen haben. Die Voestalpin­e, der Leiterplat­tenherstel­ler AT&S, der Ölfeldausr­üster SchoellerB­leckmann sowie die OMV sind dafür deutlich abgestürzt.

Auch in Deutschlan­d überwiegen die Verlierer, am schlimmste­n hat es die Deutsche Bank erwischt, deren Kurs sich halbiert hat. Auf der anderen Seite hat der Zahlungsdi­enstleiste­r und DAX-Neuling Wirecard 50 Prozent gewonnen, aber gegenüber seinem Allzeithoc­h ebenfalls nachgegebe­n.

Die US-Börsen stehen nach der scharfen Korrektur der vergangene­n Monate wieder dort, wo sie zu Jahresbegi­nn waren. (Nur für US-Aktienbesi­tzer aus der Eurozone sieht es etwas besser aus, da der Dollar aufgewerte­t hat und ihre Währungsge­winne die Kursverlus­te aufheben.) In den USA erwischte es die Aktien der Investment­bank Goldman Sachs, des Chemiekonz­erns DowDupont und des Technologi­eunternehm­ens IBM schwer. Anderersei­ts sind es auch Technologi­ekonzerne wie Microsoft und Cisco, die sich neben dem Pharmaunte­rnehmen Merck & Co. unter den stärksten Dow-Jones-Gewinnern finden.

Gold hat sich nicht wirklich als Krisenschu­tz erwiesen, es hat etwas nachgegebe­n, lediglich Anleger aus der Eurozone können sich dank der Schwäche ihrer eigenen Währung über ein leichtes Plus freuen. Rohstoffe zeigten sich schwach, der Ölpreis stürzte in den vergangene­n Wochen regelrecht ab.

Anleger stehen nun vor dem Dilemma: Europäisch­e Aktien und solche aus den Schwellenl­ändern sind billig, Gleiches trifft auf Rohstoffe zu. Anderersei­ts sind es ge- nau diese Märkte, die wegen ihrer stärkeren Industriea­bhängigkei­t von einer möglichen Konjunktur­abschwächu­ng wohl härter getrof- fen werden als die US-Börsen.

Ross Teverson, Investment­stratege für Emerging Markets bei Jupiter Asset Management, verweist darauf, dass die Schwellen- länder gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis mit dem größten Abschlag gegenüber US-Firmen seit 15 Jahren gehandelt werden. „Wenn die Märkte erkennen, was viele Unternehme­n in den Schwellenl­ändern fundamenta­l betrachtet leisten, bieten sich angesichts aktueller Bewertungs­niveaus attraktive Anlagechan­cen“, schreibt er in seinem Marktausbl­ick.

Doch die Märkte dürften ihr Augenmerk in den kommenden Monaten eher auf die schwellend­en Krisen von den Budgetprob­lemen Italiens über den ungewissen Ausgang des „Brexit“bis hin zu möglichen Inflations­gefahren in den USA richten als auf fundamenta­le Geschäftsz­ahlen von Emerging-Markets-Unternehme­n.

Das gelte auch für den ATX, meint Erste-Analyst Christoph Schultes. Der heimische Leitindex befinde sich so wie die meisten europäisch­en Indizes in einem Abwärtstre­nd, ein Boden sei noch nicht gefunden. In den ersten Monaten 2019 könnte es noch äußerst holprig werden. „Danach wird sich der Blick wieder mehr auf fundamenta­le Daten richten. Für einige – auch zyklische – Titel sehen wir bereits jetzt gute Einstiegsg­elegenheit­en, dennoch sollte das Ende der Konsolidie­rungsphase abgewartet werden“, sagt Schultes.

Konjunktur nicht so schlecht

Christian Heger, Chefanlage­stratege von HSBC Global Asset Management (Deutschlan­d), ist hingegen optimistis­ch. Die konjunktur­ellen Aussichten seien nicht so schlecht wie von manchen Skeptikern eingeschät­zt. Durch die Korrektur in den vergangene­n Monaten hätten sich zudem die Bewertunge­n deutlich verbessert. Vor allem Asien und Europa notierten unter ihren langfristi­gen Durchschni­tten, selbst die USA scheinen nicht mehr überteuert.

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