Sind wir schon mitten im Bärenmarkt?
Jahresrückblick 2018. Anleger hatten es heuer nicht leicht. Sparbuchzinsen gibt es fast nicht mehr, Aktien sind gefallen, Gold hat sich auch nicht berauschend entwickelt. Und vorerst sieht nichts nach einer Trendwende aus.
Wien. Je länger der Bullenmarkt in den USA währt (bald sind es zehn Jahre), desto mehr Anleger fragen sich, wann wieder ein Bärenmarkt ausbricht und die Märkte um mehr als 20 Prozent abstürzen. Wenn von den „Märkten“die Rede ist, ist meist der US-amerikanische S&P 500 gemeint.
Die gegenwärtigen Turbulenzen an den Börsen sehen die meisten vorerst lediglich als Korrektur und rechnen mit einer baldigen Erholung. Doch gibt es auch andere Stimmen: Ed Clissold von Ned Davis Research sagte kürzlich zu CNBC, der Bärenmarkt sei seiner Meinung nach bereits da. Der S&P 500 hat von seinem Allzeithoch ab Ende Jänner zwar erst um zehn Prozent korrigiert, in den nächsten Monaten werde es aber noch tiefer gehen. Es stünden noch einige negative Überraschungen an, glaubt Clissold. Dass das Wachstum wegen der abflauenden Effekte der Steuerreform schrumpft, wird ohnehin bereits erwartet. „Aber die Verlangsamung wird möglicherweise größer ausfallen als angenommen.“Rezession sei jedoch weit und breit keine in Sicht, deswegen werde der Spuk im zweiten Quartal enden. „Durchschnittliche Nicht-Rezessionsbärenmärkte dauern sieben Monate“, sagt Clissold. In Summe werde das nächste Jahr mit Kursgewinnen enden.
Nur wenige ATX-Gewinner
Heuer sieht es weniger gut aus. Aktien aus Europa und den Schwellenländern sind tief ins Minus gerutscht. Sowohl der österreichische ATX als auch der Frankfurter DAX haben um die 15 Prozent verloren. Was beim DAX umso schlimmer ist, da in ihn auch die Dividenden einberechnet werden, die den Kurs ja eigentlich schönen sollten. Im 20 Werte umfassenden ATX gibt es bis dato nur vier Gewinner, wobei zwei (Verbund und Do&Co) hoch zweistellig und die Immobilienkonzerne CA Immo und Immofinanz einstellig gewonnen haben. Die Voestalpine, der Leiterplattenhersteller AT&S, der Ölfeldausrüster SchoellerBleckmann sowie die OMV sind dafür deutlich abgestürzt.
Auch in Deutschland überwiegen die Verlierer, am schlimmsten hat es die Deutsche Bank erwischt, deren Kurs sich halbiert hat. Auf der anderen Seite hat der Zahlungsdienstleister und DAX-Neuling Wirecard 50 Prozent gewonnen, aber gegenüber seinem Allzeithoch ebenfalls nachgegeben.
Die US-Börsen stehen nach der scharfen Korrektur der vergangenen Monate wieder dort, wo sie zu Jahresbeginn waren. (Nur für US-Aktienbesitzer aus der Eurozone sieht es etwas besser aus, da der Dollar aufgewertet hat und ihre Währungsgewinne die Kursverluste aufheben.) In den USA erwischte es die Aktien der Investmentbank Goldman Sachs, des Chemiekonzerns DowDupont und des Technologieunternehmens IBM schwer. Andererseits sind es auch Technologiekonzerne wie Microsoft und Cisco, die sich neben dem Pharmaunternehmen Merck & Co. unter den stärksten Dow-Jones-Gewinnern finden.
Gold hat sich nicht wirklich als Krisenschutz erwiesen, es hat etwas nachgegeben, lediglich Anleger aus der Eurozone können sich dank der Schwäche ihrer eigenen Währung über ein leichtes Plus freuen. Rohstoffe zeigten sich schwach, der Ölpreis stürzte in den vergangenen Wochen regelrecht ab.
Anleger stehen nun vor dem Dilemma: Europäische Aktien und solche aus den Schwellenländern sind billig, Gleiches trifft auf Rohstoffe zu. Andererseits sind es ge- nau diese Märkte, die wegen ihrer stärkeren Industrieabhängigkeit von einer möglichen Konjunkturabschwächung wohl härter getrof- fen werden als die US-Börsen.
Ross Teverson, Investmentstratege für Emerging Markets bei Jupiter Asset Management, verweist darauf, dass die Schwellen- länder gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis mit dem größten Abschlag gegenüber US-Firmen seit 15 Jahren gehandelt werden. „Wenn die Märkte erkennen, was viele Unternehmen in den Schwellenländern fundamental betrachtet leisten, bieten sich angesichts aktueller Bewertungsniveaus attraktive Anlagechancen“, schreibt er in seinem Marktausblick.
Doch die Märkte dürften ihr Augenmerk in den kommenden Monaten eher auf die schwellenden Krisen von den Budgetproblemen Italiens über den ungewissen Ausgang des „Brexit“bis hin zu möglichen Inflationsgefahren in den USA richten als auf fundamentale Geschäftszahlen von Emerging-Markets-Unternehmen.
Das gelte auch für den ATX, meint Erste-Analyst Christoph Schultes. Der heimische Leitindex befinde sich so wie die meisten europäischen Indizes in einem Abwärtstrend, ein Boden sei noch nicht gefunden. In den ersten Monaten 2019 könnte es noch äußerst holprig werden. „Danach wird sich der Blick wieder mehr auf fundamentale Daten richten. Für einige – auch zyklische – Titel sehen wir bereits jetzt gute Einstiegsgelegenheiten, dennoch sollte das Ende der Konsolidierungsphase abgewartet werden“, sagt Schultes.
Konjunktur nicht so schlecht
Christian Heger, Chefanlagestratege von HSBC Global Asset Management (Deutschland), ist hingegen optimistisch. Die konjunkturellen Aussichten seien nicht so schlecht wie von manchen Skeptikern eingeschätzt. Durch die Korrektur in den vergangenen Monaten hätten sich zudem die Bewertungen deutlich verbessert. Vor allem Asien und Europa notierten unter ihren langfristigen Durchschnitten, selbst die USA scheinen nicht mehr überteuert.