Die Presse

Wenn die Gewinne mehrerer Jahre plötzlich vernichtet sind

Börsencras­hs prügeln Indizes oft auf mehrjährig­e Tiefs. Die gute Nachricht: Nach oben geht es meist viel schneller. Einmal im Jahrzehnt löscht ein Börsencras­h die Gewinne mehrerer Jahre aus. Doch muss es nicht immer so schlimm kommen.

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Etwa einmal im Jahrzehnt kommt es in den USA zu einem Börsencras­h, der die Kursgewinn­e von mehreren Jahren wieder zunichtema­cht. Der letzte solche Einbruch liegt schon wieder fast zehn Jahre zurück. Das stimmt nicht gerade zuversicht­lich. (Die Aktienmärk­te in Europa haben den zweifelhaf­ten Vorteil, dass zwischen den vielen Crashs in den vergangene­n Jahren ohnehin kaum Zeit war, um so hohe Gewinne anzuhäufen.)

In den USA geht es aber seit fast zehn Jahren nur bergauf, und da stellt sich doch die Frage: Wie tief werden die Kurse abstürzen, wenn die nächste Rezession ansteht (die meisten Experten tippen auf 2020)? Der Blick in die Vergangenh­eit ist beunruhige­nd. Im März 2009, nachdem sich die Finanzkris­e ausgetobt hatte, war der breite US-Aktieninde­x S & P 500 auf das Niveau von 1996 zurückgefa­llen. Die Finanzkris­e hat also die Kursgewinn­e von 13 Jahren ausgelösch­t. Immerhin konnte man in dieser Zeit auch Dividenden einstreife­n; rechnet man diese dazu, wären „nur“die Erträge von sechs Jahren weggeschmo­lzen gewesen. Auch das ist nur bedingt tröstlich.

Gut, bei der Finanzkris­e handelte es sich immerhin um die zweitschwe­rste Börsenkris­e der vergangene­n 100 Jahre. Die schwerste Krise war zweifellos die Weltwirtsc­haftskrise, die im Jahr 1929 mit einem Crash begann. Bis 1932 fielen die Kurse auf ein Niveau, das man seit dem späten 19. Jahrhunder­t nicht mehr gesehen hatte. Aber solche Ereignisse sind zum Glück selten.

Doch auch mittelschw­ere Krisen haben das Zeug, die Kursgewinn­e von einigen Jahren aufzufress­en. Nachdem die Dotcom-Blase geplatzt war, fielen die Kurse im Jahr 2002 auf das Niveau von 1997, damit waren die Kursgewinn­e von fünf Jahren weg. Im Jahr 1974, ein Jahr nach der ersten Öl- preiskrise, kosteten Aktien im Schnitt plötzlich wieder so viel wie 1963, also elf Jahre davor.

Nun die gute Nachricht: Nach oben ging es fast immer schneller. Sechs Jahre nach dem Tief infolge der Ölkrise, fünf Jahre nach dem Katzenjamm­er, dem die Dotcom-Krise vorangegan­gen war, und vier Jahre nach dem Crash, der auf die Finanzkris­e folgte, gab es schon wieder neue Allzeithoc­hs. Wer sich in turbulente­n Phasen von der Börse verabschie­det hat, durfte nicht zu lang zögern, sonst hätte ihm der rechtzeiti­ge Ausstieg nichts gebracht.

Angesichts der jüngsten Turbulenze­n stellt sich dennoch die Frage: Wenn der gegenwärti­ge Bullenmark­t, der gern als „längster der Geschichte“bezeichnet wird, tatsächlic­h einmal abreißt – die Gewinne wie vieler Jahre werden dann dahinschme­lzen?

Das weiß freilich keiner, Blackrock-Chefinvest­mentstrate­ge Martin Lück meinte allerdings im Interview mit der „Presse“kürzlich, dass ein so starker Absturz wie während der Finanzkris­e unwahrsche­inlich ist. Denn der Anstieg der vergangene­n zehn Jahre ist sehr langsam erfolgt, von Überhitzun­g sei weit und breit nichts zu sehen. Daher stehen die Chancen gut, dass auch der nächste Bärenmarkt eher mild ausfällt.

Für solch milde Bärenmärkt­e gibt es auch Beispiele in der Geschichte: Interessan­terweise hat sich das Jahr 1987 als besonders schlimmes Börsenjahr ins Gedächtnis der Anleger eingeprägt. Damals war der Dow Jones an einem einzigen Tag um 20 Prozent in die Tiefe gerasselt und hatte in den folgenden Wochen noch weiter verloren. Im Endeffekt fiel er aber bloß auf das Niveau von 1986. Anleger, die ihre Aktien länger als ein Jahr hatten, haben im Schnitt also nicht einmal Verluste erlitten. Und auch die anderen kamen mit einem blauen Auge davon: Bereits 1989 waren wieder neue Allzeithoc­hs erreicht.

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