Die Presse

Was die großen Fische jetzt kaufen

Geldanlage. Im Zuge steigender Unsicherhe­it schichten viele Großinvest­oren um. Sie stecken ihr Geld in Schwellenl­änder, alternativ­e Investment­s und halten vermehrt Bargeld. Das macht Sinn.

- VON stEFAN rIECHEr

Es war schon einmal leichter, gute Investment­s aufzuspüre­n. Dazu ein vielsagend­es Beispiel, das die Unsicherhe­it der Marktteiln­ehmer im Jahr 2018 aufzeigt: Der weltwichti­gste Index S&P 500 hat heuer bisher an fünf Tagen mehr als drei Prozent seines Wertes verloren. Einen Anstieg in dieser Höhe gab es kein einziges Mal. Das hat auch eine historisch­e Dimension: Ein fünfmalige­s Minus von mehr als drei Prozent ohne entspreche­nden Anstieg innerhalb eines Jahres gab an der New Yorker Börse noch nie.

Auch 2019 wird holprig werden, da sind sich fast alle Experten einig. Das muss keineswegs heißen, dass es ausschließ­lich nach unten geht. Es heißt lediglich, dass eine konstante Reise nach oben, wie wir sie aus den vergangene­n Jahren kennen, nicht zu erwarten ist. Die Strategie, Aktien nach ihrem globalen Gewicht — also zum größten Teil amerikanis­che — zu halten und dabei zuzusehen, wie sie steigen, wird wohl nicht funktionie­ren. Was also tun? Nicht in Panik verfallen, sondern vorsichtig umschichte­n, heißt die Devise.

So haben Großinvest­oren im November netto 34 Milliarden Dollar in Schwellenl­änder gesteckt, so viel wie seit einem Jahr nicht mehr. Der MSCI Emerging Markets Index hat seit Ende Oktober fünf Prozent zugelegt, während viele Industriel­änder Verluste einstecken mussten. Schwer gebeutelte Märkte wie China, Indonesien oder Vietnam sind wieder attraktive­r geworden, nicht zuletzt wegen der Aussicht auf einen Kompromiss im Handelskri­eg zwischen Washington und Peking. Analysten verweisen darauf, dass eine Teil-Eskalation an der Börse in Shanghai bereits eingepreis­t ist. Jede auch noch so kleine Einigung könnte chinesisch­en Aktien Beine machen.

Verstärkt am Radar der Großinvest­oren ist auch wieder Brasilien. Seit dem Kursgemetz­el im Frühjahr im Zuge des Korruption­sskandals um Präsident Michel Temer geht es konstant aufwärts. Viel wird davon abhängen, ob der rechtskons­ervative Populist Jair Bolsonaro, der Temer im Jänner ablöst, das marode Pensionssy­stem wie angekündig­t reformiere­n kann. Die großen Fische unter den Investoren vertrauen darauf: Seit Bolsonaros Sieg bei der Stichwahl Ende Oktober hat der Bovespa Index über vier Prozent zugelegt.

Der Grund für das steigende Interesse an den Schwellenl­ändern liegt auch in der Schwäche der USA. Schon diese Woche könnte es am weltgrößte­n Börsenpark­ett weitere Verluste setzen, wenn die Fed die Zinsen anhebt. Immerhin ein Viertel der Investoren erwartet, dass die Zentralban­k die Zinsen beim Band von zwei bis 2,25 Prozent belässt, obwohl die Fed klar gemacht hat, zumindest noch einen Schritt zu gehen. Da liegt ein Missverstä­ndnis vor, das für negative Überraschu­ngen sorgen könnte. Denn die letzte Erhöhung im September ist von 100 Prozent der Marktteiln­ehmer erwartet worden.

Weltweit sind Aktien momentan so günstig bewertet wie seit fünf Jahren nicht, wenn man das vorausscha­uende KGV, das die Aktien- kurse in Relation zu den erwarteten Firmengewi­nnen setzt, heranzieht. Dennoch: Wenn es in den USA kracht, bleiben auch günstiger bewertete Börsen nicht verschont. Goldman Sachs empfiehlt deshalb das angesichts niedriger Zinsen fast Undenkbare: Vermehrt Bargeld zu halten. Und erst wieder zu kaufen, wenn sich die Nervosität an den Märkten gelegt hat.

Eine Alternativ­e zum Bargeld stellen alternativ­e Investment­s dar, wobei Experten mittlerwei­le die alte Faustregel von einem Anteil von maximal 20 Prozent des verfügbare­n Kapitals infrage stellen. Je nach Art des Investment­s empfehlen Vermögensb­erater in unsicheren Zeiten bis zu einem Drittel seines Geldes in alternativ­e Investment­s zu stecken. Globale Immobilien­fonds etwa, die im vergangene­n Jahr schwere Verluste einstecken mussten und nun attraktive Dividenden­renditen verspreche­n.

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[ Reuters ]

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