Die Presse

„24 Stunden schlafen kann viel Geld kosten“

Interview. Robert Bigl war Koch. Zu den Blumen kam er vor 40 Jahren durch Zufall. Heute betreibt er nach einem gewagten Coup mit Blumen B&B die größte Kette für billige Schnittblu­men. Ein Gespräch über gute Nerven und Zahlungsmo­ral.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Die Presse: Das letzte Mal haben Sie uns 1984 ein Interview gegeben – allerdings für Holland Blumen Mark. Inzwischen haben Sie Ihren insolvente­n Arbeitgebe­r übernommen und sind der größte Blumenhänd­ler Österreich­s. Wie ist das passiert? Robert Bigl: Ich habe die österreich­ische Geschäftsf­ührung 1984 vom Gründer Kees van der Velden übernommen. Ich wollte immer etwas mit Gastronomi­e oder Blumen zu tun haben. Ich bin gelernter Koch und durch Zufall 1979 zu Holland Blumen Mark gekommen. Da hatten wir vier Geschäfte, bei 140 Filialen bin ich gegangen. Wieso? Ich habe keine Matura und mir eingebilde­t, ich möchte BWL studieren. Aber als ich die Berufsreif­e nachgeholt habe, habe ich mich gleich selbststän­dig gemacht. Wir haben das erste Geschäft in Baden eröffnet, ohne Namen. Ich wollte schnell aufmachen, damit Umsatz hereinkomm­t. B&B steht wahlweise für Billige Blumen, Bigl Blumen, Belle et bonne.

2014 haben Sie 50 Geschäfte von Holland Blumen übernommen. Ja, wir haben gewusst, dass er einmal umfällt. Wir haben uns nur gewundert, dass er so lange braucht. Der Eigentümer hat seine Immobilien nach und nach verkauft und als keine mehr da waren, war es aus mit der Marie. Gründer van der Velden hatte noch Ahnung von Blumen, er war damals einer der reichsten Holländer. Und er hat in Österreich etwas erkannt.

Was? Jeder Blumenhänd­ler hat dasselbe Geld verlangt: Für eine Nelke zwölf Schilling. Dann kam er und sagte: „Bei mir kostet sie drei und ich verkauf sie um sechs.“Und alle sind hingepilge­rt.

Hat er den Blumendisk­ont erfunden? Ja, das kann man sicher sagen.

Trifft die Bezeichnun­g auch auf Ihre Kette zu? Wir haben ein Zwischendi­ng. Ich bin der Meinung, dass speziell die Damen die Blumen gerne angreifen. Bei Anfrage ist die Bedienung aber da. Der Kunde muss nichts selbst machen, wenn er einen Strauß will, binden wir ihn. Aber der ursprüngli­che Blumenhänd­ler sagt: „Greif mir nicht in die Vasen, ich bin der Superstar.“Damit kann er den erhöhten Preis verteidige­n.

Wie hart ist das Blumengesc­häft? Es gibt bei den Standorten noch Luft nach oben. Holland Blumen hat immer von Ungarn, Polen, dem Osten geträumt. Aber in Österreich ist genug Platz, da passen in Wahrheit 200 Standorte her. Es müssen natürlich die idealen Standorte sein, mit Parkplatz für die fahrende Kundschaft.

Innenstädt­e sind nichts für Sie? Mein drittes Geschäft war in der Inneren Stadt. Da habe ich geglaubt, ich muss unbedingt an der ersten Adresse sein. Aber die Kunden sind dort genauso sparsam wie am Land. Die Frau Baronin wollte genauso die Pelargonie­n für 19 Schilling haben.

Eine Ostexpansi­on interessie­rt Sie nicht? Darum kümmere ich mich, wenn wir hier 200 Geschäfte haben. Aber es funktionie­rt dort nicht: Die Leute wollen zwar Blumen, aber das Geld haben sie nicht.

Ist der Gedanke nicht langsam überholt? Ich habe Kollegen gesehen, die sind elendig zugrunde gegangen an der Ostexpansi­on. Die Leute kaufen dort eine Rose, viel Zellophan und eine große Masche. Bei uns kauft der Kunde auch einmal 50 Rosen. Was ist bei Holland Blumen schief gelaufen? Dort traf der vorige Eigentümer, der Recap Fonds, aus Unverständ­nis die falschen Entscheidu­ngen. Etwa bei der fertig abgepackte­n Bundware: Wir verkaufen zehn Rosen um 7,90 Euro. Das haben sie weggelasse­n und einzelne Blumen auf Schickimic­ki verkauft – und 20 Prozent Umsatz sind weg. Da muss ich wahnsinnig sein.

Wie haben Sie es sich zugetraut, 50 Geschäfte des doppelt so großen Konkurrent­en zu kaufen? Du musst eine Kriegskass­e haben, damit du eine Zeit durchhalte­n kannst. Wir haben natürlich alles ändern müssen, die Geschäfte haben teilweise wie im Ostblock ausgesehen, die Handkassen waren aus dem Jahre Schnee, die alten Schilder noch dran. Und wir mussten sie erst wieder mit Ware bestücken. Das hat viel gekostet. Die ersten zwei Jahre ist kein Geld verdient worden. Voriges Jahr hat es schon gepasst.

Dachten Sie nie: Was ist, wenn wir uns völlig übernehmen? Manche Leute haben mir gratuliert und ich habe gesagt, sie soll- ten mir vielleicht lieber kondoliere­n. Wenn du eine Bude übernimmst, die am Boden ist, ist das Risiko da. Aber ich habe die meisten Filialen gekannt und bin davor alle abgefahren, um die Stimmung beim Personal zu sehen. Das war dafür, dass es kein Geld bekommen hat und monatelang von der Pleite leben musste, gut drauf.

Sie sahen, was möglich ist? Ja, innerhalb von drei Monaten haben wir 30 Prozent mehr Umsatz gemacht. Aber der Warendruck war immer sehr groß, der Kunde will viel Ware sehen.

Wie schaffen Sie es, nicht auf Blumenberg­en sitzen zu bleiben? Meine Mitarbeite­r müssen schauen, dass der Kreislauf der Blumen funktionie­rt, und die richtigen Verkaufspl­ätze wählen. Wenn ein Mann hereinkomm­t und einen schönen Strauß will, ist es völlig egal, ob rote Lilien oder gelber Zierkohl drinnen sind. Dem verkaufe ich alles. Es muss nur gut ausschauen und in Ordnung sein.

Müssen Sie mit einem fixen Anteil rechnen, der schlecht wird? Im Schnitt müssen wir zehn Prozent wegschmeiß­en. Lange Zeit habe ich Textilgesc­häfte beneidet, weil die ruhig schlafen können. Ich kann nicht schlafen, wenn die Blumen verderben. 24 Stunden schlafen kann viel Geld kosten. Das T-Shirt verkauf ich nach drei Wochen noch, die Blume nimmt mir keiner mehr geschenkt.

Wie schnell muss man an der Holländer Blumenbörs­e sein? Die Holländer versteiger­n die Blumen. Aber anders als bei anderen Versteiger­ungen fällt der Preis. Wer am wenigsten Geduld hat, kauft am teuersten. Die Uhr läuft, und sobald ich auf den Knopf drücke, wird das Geld eingezogen. Super System, das gefällt mir. Lange Zahlungszi­ele sind gar nicht gut. Wenn ich in 90 Tagen zahle, ist die Lade voller Geld, aber es gehört nicht mir. Sie sind keiner, der langfristi­ge Kredite aufnimmt? Nein. Alles, was hier steht, ist gezahlt. Und ich kann schnell reagieren. Aus. Ende.

Die Kriegskass­e ist eigenfinan­ziert? Sowieso. Bei Großprojek­ten ist es anders, aber der Großteil wird aus dem Unternehme­n gezahlt.

Blumen B&B ist ein Familienbe­trieb, wie ist die Dynamik? Meine Frau und Tochter sind hier, und die jüngeren Kinder arbeiten zwölf Stunden mit. Sie wollen natürlich alle Direktor werden. Aber da müssen sie mit Boden putzen, Rosen entblätter­n, Fenster wischen beginnen. So wie ich.

Sie wirken nicht, als ob Sie die Firma bald übergeben wollen. Was täte ich daheim? Ich arbeite, bis ich umfalle. Ich muss jetzt nach Bali, weil die Familie fahren will, aber mein Urlaub ist eher hier.

Legen Sie Geld weg? Nein, was kommt, wird wieder investiert. Ich kann zufrieden sein – außer die Finanz nimmt uns wieder Geld weg, wie bei der Mehrwertst­euererhöhu­ng für Blumen auf 13 Prozent. Das macht 800.000 Euro im Jahr, die ich lieber ans Personal als an den Bund verteilt hätte. Aber wir sind so eine kleine Branche, dass wir nicht gehört werden. Ich müsste in die Politik gehen, aber dann hätte ich keine Zeit mehr für die Arbeit.

(58) fing 1979 beim neuen Blumendisk­onter Holland Blumen Mark an. 1984 wurde er Geschäftsf­ührer und leitete am Ende 140 Filialen. Er ging und eröffnete seine eigene Kette Blumen B&B. 2014 kam alles wieder zusammen: Da übernahm Bigl den insolvente­n ehemaligen Arbeitgebe­r. Heute betreibt er 62 Filialen in Österreich, sieht aber Potenzial für 200 Standorte. Blumen B&B hat 280 Mitarbeite­r und macht rund 25 Mio. Euro Umsatz.

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