Ausgang über die Terrasse auf eigene Gefahr
Glatteis I. Eine Krankenschwester rutschte aus, als sie nach dem Besuch bei einer von ihr regelmäßig gepflegten Frau das Haus verließ. Sie sei nicht anders zu behandeln als ein Briefträger und erhalte keinen Schadenersatz, sagt der OGH.
Wien. Winter bedeutet immer auch Glatteisgefahr. Stürzt jemand, weil die zuständige Person das Streuen unterlassen hat, kann erfolgreich auf Schadenersatz geklagt werden. Aber inwieweit muss man bei Häusern den eigentlichen Eingang nehmen und wann ist man auch auf anderen Strecken geschützt? Eine Frage, die sich in einem Kärntner Fall stellte.
Geklagt hatte eine Krankenschwester. Sie arbeitet für das Rote Kreuz und ist im Bereich des mobilen Gesundheits- und Sozialdiensts tätig. Zu ihren Aufgaben zählt es auch, sich um ein Haus zu kümmern, in dem „betreubares Wohnen“angeboten wird. Die Diplomkrankenschwester kümmerte sich dort um eine Frau. Danach verließ sie die im Erdgeschoß liegende Wohnung über eine Terrasse. Doch diese war vereist, die Krankenschwester stürzte und verletzte sich. Die Frau klagte nun die Eigentümerin des Grundstücks, auf dem das Haus steht.
Doch eigentlich war die Terrasse nicht dafür gedacht, dass man über sie hinein- und hinausgeht. Dementsprechend wiesen die beiden ersten Instanzen die Klage ab. Die Krankenschwester hoffte aber noch auf Hilfe durch den Obersten Gerichtshof (OGH).
Fensterblick ungeschützt
Dieser verglich den jetzigen Fall mit einem älteren, in dem es um das Betreten eines Wirtshauses im hochalpinen Bereich gegangen war. Der unmittelbare Weg zum Eingang war gestreut gewesen.
Ein potenzieller Gast (er kam vorbei, um die Speisekarte zu studieren) war aber zunächst zu einem vom Eingang entfernten Fenster des Gasthauses gegangen, um in das Innere des Lokals zu blicken. Dieser Bereich war nicht gut gestreut, der Mann stürzte. Der OGH (9 Ob 162/00i) hatte damals dem Verletzten keinen Schadenersatz gewährt: Der Lokalbesitzer habe nicht damit rechnen müssen, dass ein Gast den Weg abseits des eigentlichen Eingangs einschlage.
Auch die Krankenschwester habe einen unüblichen Weg gewählt, befanden die Höchstrichter. Die Terrasse sei nicht zum Verlassen des Gebäudes gedacht gewesen, das habe die Frau auch gewusst. Daher sei die Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt worden.
Die Krankenschwester machte vor dem OGH aber auch geltend, dass sie über den Mietvertrag ihrer Kundin mitgeschützt sei und deswegen der Vermieter hafte. Der OGH meinte dazu, dass zwar Angehörige einer Mieterin vom Schutz mitumfasst seien, nicht aber Personen, die sich nur kurzfristig in der Wohnung aufhalten.
Wie oft kommt jemand vorbei?
Nun hat es zwar in der Vergangenheit sehr wohl ein OGH-Urteil (7 Ob 151/00g) gegeben, in dem eine Pflegehelferin als vom Mietvertrag mitgeschützt betrachtet worden ist. Aber in diesem Fall lag ein bäuerlicher Übergabsvertrag vor und die Pflegerin ging wie eine Hausangestellte ein und aus. Sie hatte auch den gesamten Haushalt zu führen.
Davon unterscheide sich der jetzige Fall schon deutlich, meinte der OGH. Denn die Krankenschwester sei nur ein- bis zweimal pro Woche in die Wohnung gekommen. Die Pflegekraft könne daher nicht anders behandelt werden als etwa ein Briefträger oder ein Handwerker, der zur Verrichtung seiner Arbeit ins Haus kommt. Und all diese Personen würden nicht in den Schutzbereich des Mietvertrags fallen, den ihre Kundin abgeschlossen hat.
Auch der OGH gewährte somit der Krankenschwester keinen Schadenersatz (6 Ob 163/18s).