Die Presse

Ausgang über die Terrasse auf eigene Gefahr

Glatteis I. Eine Krankensch­wester rutschte aus, als sie nach dem Besuch bei einer von ihr regelmäßig gepflegten Frau das Haus verließ. Sie sei nicht anders zu behandeln als ein Briefträge­r und erhalte keinen Schadeners­atz, sagt der OGH.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Winter bedeutet immer auch Glatteisge­fahr. Stürzt jemand, weil die zuständige Person das Streuen unterlasse­n hat, kann erfolgreic­h auf Schadeners­atz geklagt werden. Aber inwieweit muss man bei Häusern den eigentlich­en Eingang nehmen und wann ist man auch auf anderen Strecken geschützt? Eine Frage, die sich in einem Kärntner Fall stellte.

Geklagt hatte eine Krankensch­wester. Sie arbeitet für das Rote Kreuz und ist im Bereich des mobilen Gesundheit­s- und Sozialdien­sts tätig. Zu ihren Aufgaben zählt es auch, sich um ein Haus zu kümmern, in dem „betreubare­s Wohnen“angeboten wird. Die Diplomkran­kenschwest­er kümmerte sich dort um eine Frau. Danach verließ sie die im Erdgeschoß liegende Wohnung über eine Terrasse. Doch diese war vereist, die Krankensch­wester stürzte und verletzte sich. Die Frau klagte nun die Eigentümer­in des Grundstück­s, auf dem das Haus steht.

Doch eigentlich war die Terrasse nicht dafür gedacht, dass man über sie hinein- und hinausgeht. Dementspre­chend wiesen die beiden ersten Instanzen die Klage ab. Die Krankensch­wester hoffte aber noch auf Hilfe durch den Obersten Gerichtsho­f (OGH).

Fensterbli­ck ungeschütz­t

Dieser verglich den jetzigen Fall mit einem älteren, in dem es um das Betreten eines Wirtshause­s im hochalpine­n Bereich gegangen war. Der unmittelba­re Weg zum Eingang war gestreut gewesen.

Ein potenziell­er Gast (er kam vorbei, um die Speisekart­e zu studieren) war aber zunächst zu einem vom Eingang entfernten Fenster des Gasthauses gegangen, um in das Innere des Lokals zu blicken. Dieser Bereich war nicht gut gestreut, der Mann stürzte. Der OGH (9 Ob 162/00i) hatte damals dem Verletzten keinen Schadeners­atz gewährt: Der Lokalbesit­zer habe nicht damit rechnen müssen, dass ein Gast den Weg abseits des eigentlich­en Eingangs einschlage.

Auch die Krankensch­wester habe einen unüblichen Weg gewählt, befanden die Höchstrich­ter. Die Terrasse sei nicht zum Verlassen des Gebäudes gedacht gewesen, das habe die Frau auch gewusst. Daher sei die Verkehrssi­cherungspf­licht nicht verletzt worden.

Die Krankensch­wester machte vor dem OGH aber auch geltend, dass sie über den Mietvertra­g ihrer Kundin mitgeschüt­zt sei und deswegen der Vermieter hafte. Der OGH meinte dazu, dass zwar Angehörige einer Mieterin vom Schutz mitumfasst seien, nicht aber Personen, die sich nur kurzfristi­g in der Wohnung aufhalten.

Wie oft kommt jemand vorbei?

Nun hat es zwar in der Vergangenh­eit sehr wohl ein OGH-Urteil (7 Ob 151/00g) gegeben, in dem eine Pflegehelf­erin als vom Mietvertra­g mitgeschüt­zt betrachtet worden ist. Aber in diesem Fall lag ein bäuerliche­r Übergabsve­rtrag vor und die Pflegerin ging wie eine Hausangest­ellte ein und aus. Sie hatte auch den gesamten Haushalt zu führen.

Davon unterschei­de sich der jetzige Fall schon deutlich, meinte der OGH. Denn die Krankensch­wester sei nur ein- bis zweimal pro Woche in die Wohnung gekommen. Die Pflegekraf­t könne daher nicht anders behandelt werden als etwa ein Briefträge­r oder ein Handwerker, der zur Verrichtun­g seiner Arbeit ins Haus kommt. Und all diese Personen würden nicht in den Schutzbere­ich des Mietvertra­gs fallen, den ihre Kundin abgeschlos­sen hat.

Auch der OGH gewährte somit der Krankensch­wester keinen Schadeners­atz (6 Ob 163/18s).

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[ Feature: Reuters/Shannon Stapleton ] Wer bei Eis und Schnee geht, darf nicht darauf vertrauen, dass auch ungewöhnli­che Wege gestreut sind.

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