Silvesterrakete: Gruppendruck reicht für Haftung
Schadenersatz. Nach dem misslungenen Abschuss einer Rakete muss auch ein Mann zahlen, der bei der Aktion nur daneben stand.
Das organisierte Zusammenwirken mehrerer Menschen kann viel Positives bewirken. Deshalb regelt der Gesetzgeber zum Beispiel Offene Gesellschaft, Verein und Gesellschaft nach bürgerlichem Recht. Richten aber Mitglieder einer auch spontan gebildeten Gruppe Schaden an, können alle ihre Mitglieder ersatzpflichtig werden. Dies zeigt ein aktuelles Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH).
Silvester naht und damit die Zeit der privaten Feuerwerke. Am 31. Dezember 2013 wurde der später Beklagte und eine weitere Person während einer Silvesterparty vom Käufer von Feuerwerksraketen eingeladen, mit ins Freie zu gehen, um diese Raketen abzuschießen. Als Startvorrichtung diente ein Sechserträger mit schon leeren Bierflaschen. Zwei Raketen stiegen in den Nachthimmel, eine abgefeuert vom später Beklagten, eine vom Käufer all dieser Raketen. Dann steckte die weitere Person eine vom Käufer mitgenommene Rakete in eine leere Bierflasche und zündete sie.
Dabei kippte die Bierflasche um, die Rakete flog in flachem Winkel über den Gartenzaun und brannte letztendlich eine Thujenhecke nieder. Deren Eigentümer klagte nicht nur den konkreten Schützen und den Raketenkäufer, sondern auch das dritte Mitglied des Trios auf Ersatz der Kosten für die Wiederherstellung der verbrannten Thujenhecke samt Entsorgung, Pflanzenkosten und Anwuchspflege. Bei den verwendeten Feuerwerkskörpern handelte es sich um solche der Kategorie F2, sie waren daher minder gefährlich, durften aber im Ortsgebiet nach dem Pyrotechnikgesetz trotzdem nicht abgefeuert werden.
Dass der Beklagte den Abschuss der Rakete, die zum Brand führte, nicht selbst vorgenommen hat, ändert nach dem Urteil des OGH (1 Ob 178/18k) nichts. Vielmehr habe er durch das einverständliche gemeinsame Vorgehen einen psychischen Tatbeitrag geleistet. Die Zerstörung der Hecke sei nicht durch ein von einzelnen Gruppenmitgliedern jeweils für sich und unabhängig vom gemeinsamen Vorhaben gesetztes Verhalten entstanden, sodass der Beklagte solidarisch mit dem Käufer und dem Schützen der Rakete für den eingetretenen Schaden hafte.
Dieses Urteil erinnert an Alexandre Dumas’ „Die drei Musketiere“mit dem berühmten „Einer für alle, alle für einen“und ist das zweite einschlägige binnen sieben Wochen: Zu 9 Ob 52/18 ließ der OGH einen Fußballfan für Verletzungsfolgen bei einem einschreitenden Polizeibeamten haften, da dieser mit einer Gruppe auf gegnerische Fußballfans losstürmte. Der Fan selbst hatte die Verletzung
machte klar, dass nicht nur der unmittelbare Täter haftet. Auch, wer bei einem Ereignis bloß dabei ist und so den unmittelbaren Täter psychisch bestärkt, kann für den Schadenersatz herangezogen werden. In einem Fall haftete ein Mann, da dieser dabei war, als ein anderer die Silvesterrakete so abschoss, dass eine Hecke verbrannte. In einem weiteren Fall ging es um einen Fußballfan, der in der Gruppe mit anderen losstürmte und deswegen für die Verletzung eines Polizisten haftete. nicht zugefügt. In einer Gruppe auf Fans des gegnerischen Fußballclubs loszustürmen sei ein Verhalten, das jedenfalls geeignet wäre, Aggressionen und Tätlichkeiten zu fördern, und sei damit haftungsbegründend in Bezug auf gegnerische Fans, Unbeteiligte oder einschreitende Sicherheitskräfte.
Wie kann man sich gegen Ansprüche verteidigen? Verkürzt wäre zu sagen: Gar nicht. Grundsätzlich reicht aber der Vorwurf, vorsätzlich gemeinsam ein unerlaubtes Ziel verfolgt zu haben, um alle Beteiligten zunächst ohne weitere Prüfung ihrer Kausalität für den entstandenen Schaden verantwortlich zu machen.
Der Beklagte muss den Entlastungsbeweis führen, dass er die Tat nicht beeinflusst habe, sich sein Beitrag also nicht ausgewirkt habe. Dieser Entlastungsbeweis ist deshalb teuflisch, da mit ihm auch die bloß vermutete psychische Kausalität widerlegt werden muss, die dem OGH als Kausalitätsmaßstab genügt.
Ähnlich wurde es im Verfahren gegen den mitstürmenden Fußballfan gesehen: Der Nachweis mangelnder Kausalität habe sich nicht auf die unmittelbare Schädigung zu beziehen, sondern auf die gemeinsame Durchführung des Losstürmens.
Fazit: Man halte sich von rechtswidrig agierenden Gruppen fern und widerstehe dem Gruppendruck. Denn ansonsten wird man unfreiwillig zum solidarisch haftenden Musketier, von denen es, wie wir dank Alexandre Dumas wissen, eben auch nicht nur „gute“gab.