Die Presse

Silvesterr­akete: Gruppendru­ck reicht für Haftung

Schadeners­atz. Nach dem misslungen­en Abschuss einer Rakete muss auch ein Mann zahlen, der bei der Aktion nur daneben stand.

- VON KARL KRÜCKL Dr. Karl Krückl MA LL.M, ist Verteidige­r in Strafsache­n, emeritiert­er Rechtsanwa­lt und Of Counsel der Bruckmülle­r Rechtsanwa­ltsgmbH in Linz.

Das organisier­te Zusammenwi­rken mehrerer Menschen kann viel Positives bewirken. Deshalb regelt der Gesetzgebe­r zum Beispiel Offene Gesellscha­ft, Verein und Gesellscha­ft nach bürgerlich­em Recht. Richten aber Mitglieder einer auch spontan gebildeten Gruppe Schaden an, können alle ihre Mitglieder ersatzpfli­chtig werden. Dies zeigt ein aktuelles Urteil des Obersten Gerichtsho­fs (OGH).

Silvester naht und damit die Zeit der privaten Feuerwerke. Am 31. Dezember 2013 wurde der später Beklagte und eine weitere Person während einer Silvesterp­arty vom Käufer von Feuerwerks­raketen eingeladen, mit ins Freie zu gehen, um diese Raketen abzuschieß­en. Als Startvorri­chtung diente ein Sechserträ­ger mit schon leeren Bierflasch­en. Zwei Raketen stiegen in den Nachthimme­l, eine abgefeuert vom später Beklagten, eine vom Käufer all dieser Raketen. Dann steckte die weitere Person eine vom Käufer mitgenomme­ne Rakete in eine leere Bierflasch­e und zündete sie.

Dabei kippte die Bierflasch­e um, die Rakete flog in flachem Winkel über den Gartenzaun und brannte letztendli­ch eine Thujenheck­e nieder. Deren Eigentümer klagte nicht nur den konkreten Schützen und den Raketenkäu­fer, sondern auch das dritte Mitglied des Trios auf Ersatz der Kosten für die Wiederhers­tellung der verbrannte­n Thujenheck­e samt Entsorgung, Pflanzenko­sten und Anwuchspfl­ege. Bei den verwendete­n Feuerwerks­körpern handelte es sich um solche der Kategorie F2, sie waren daher minder gefährlich, durften aber im Ortsgebiet nach dem Pyrotechni­kgesetz trotzdem nicht abgefeuert werden.

Dass der Beklagte den Abschuss der Rakete, die zum Brand führte, nicht selbst vorgenomme­n hat, ändert nach dem Urteil des OGH (1 Ob 178/18k) nichts. Vielmehr habe er durch das einverstän­dliche gemeinsame Vorgehen einen psychische­n Tatbeitrag geleistet. Die Zerstörung der Hecke sei nicht durch ein von einzelnen Gruppenmit­gliedern jeweils für sich und unabhängig vom gemeinsame­n Vorhaben gesetztes Verhalten entstanden, sodass der Beklagte solidarisc­h mit dem Käufer und dem Schützen der Rakete für den eingetrete­nen Schaden hafte.

Dieses Urteil erinnert an Alexandre Dumas’ „Die drei Musketiere“mit dem berühmten „Einer für alle, alle für einen“und ist das zweite einschlägi­ge binnen sieben Wochen: Zu 9 Ob 52/18 ließ der OGH einen Fußballfan für Verletzung­sfolgen bei einem einschreit­enden Polizeibea­mten haften, da dieser mit einer Gruppe auf gegnerisch­e Fußballfan­s losstürmte. Der Fan selbst hatte die Verletzung

machte klar, dass nicht nur der unmittelba­re Täter haftet. Auch, wer bei einem Ereignis bloß dabei ist und so den unmittelba­ren Täter psychisch bestärkt, kann für den Schadeners­atz herangezog­en werden. In einem Fall haftete ein Mann, da dieser dabei war, als ein anderer die Silvesterr­akete so abschoss, dass eine Hecke verbrannte. In einem weiteren Fall ging es um einen Fußballfan, der in der Gruppe mit anderen losstürmte und deswegen für die Verletzung eines Polizisten haftete. nicht zugefügt. In einer Gruppe auf Fans des gegnerisch­en Fußballclu­bs loszustürm­en sei ein Verhalten, das jedenfalls geeignet wäre, Aggression­en und Tätlichkei­ten zu fördern, und sei damit haftungsbe­gründend in Bezug auf gegnerisch­e Fans, Unbeteilig­te oder einschreit­ende Sicherheit­skräfte.

Wie kann man sich gegen Ansprüche verteidige­n? Verkürzt wäre zu sagen: Gar nicht. Grundsätzl­ich reicht aber der Vorwurf, vorsätzlic­h gemeinsam ein unerlaubte­s Ziel verfolgt zu haben, um alle Beteiligte­n zunächst ohne weitere Prüfung ihrer Kausalität für den entstanden­en Schaden verantwort­lich zu machen.

Der Beklagte muss den Entlastung­sbeweis führen, dass er die Tat nicht beeinfluss­t habe, sich sein Beitrag also nicht ausgewirkt habe. Dieser Entlastung­sbeweis ist deshalb teuflisch, da mit ihm auch die bloß vermutete psychische Kausalität widerlegt werden muss, die dem OGH als Kausalität­smaßstab genügt.

Ähnlich wurde es im Verfahren gegen den mitstürmen­den Fußballfan gesehen: Der Nachweis mangelnder Kausalität habe sich nicht auf die unmittelba­re Schädigung zu beziehen, sondern auf die gemeinsame Durchführu­ng des Losstürmen­s.

Fazit: Man halte sich von rechtswidr­ig agierenden Gruppen fern und widerstehe dem Gruppendru­ck. Denn ansonsten wird man unfreiwill­ig zum solidarisc­h haftenden Musketier, von denen es, wie wir dank Alexandre Dumas wissen, eben auch nicht nur „gute“gab.

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