„Ohne Notbremse wäre Verband pleite“
Juristenverband. Präsident Fritz Wennig und sein Vize und Kassier, Thomas Singer, sahen sich verpflichtet, die langjährige Generalsekretärin zu feuern.
Nach dem Bericht der „Presse“über Turbulenzen im Juristenverband meldet sich nun dessen Präsident, Fritz Wennig, zu Wort. „Im Verband als solchem gibt es keine Turbulenzen“, sagt Anwalt Wennig. „Alle Veranstaltungen finden statt.“Probleme gebe es nur mit Ex-Generalsekretärin Susanne Schöner. „Da gibt es Turbulenzen.“Diese hätten freilich, wie Vizepräsident Anwalt Thomas Singer ergänzt, beinahe sehr wohl den ganzen Verein erfasst: „Wenn wir nicht die Notbremse gezogen hätten, wäre der Verband schon pleite.“
Mit Notbremse ist die fristlose Entlassung Schöners durch Wennig und Singer im Juni gemeint. Eine drakonische Maßnahme gegenüber der Mittsiebzigerin, die 50 Jahre dem Verein gedient hatte. Als Grund nennt Wennig, selbst fast 80, Arbeitsverweigerung, die er von einem vor der jüngsten Generalversammlung an die Mitglieder verschickten Gutachten eines Arbeitsrechtsspezialisten bestätigt sieht.
Unmittelbarer Anlass war, dass Schöner zwei Briefe nicht beantwortet hatte. Wennig hatte darin gefragt, warum beim jüngsten Ju- ristenball, essenziell für das Verbandsbudget, eine große Loge fast leer gestanden sei. „Nach Plätzen gerechnet ist die Loge 3000 Euro wert, die gehören in die Kassa“, sagt Wennig. Mittlerweile lässt der Verband nach einem Mehrheitsbeschluss im Präsidium sogar eine Strafanzeige gegen Schöner prüfen.
Doch damit nicht genug: Singer, seit einem Jahr Kassier, hat die Finanzen der vergangenen Jahre durchleuchten lassen. Dabei habe sich gezeigt, dass der Ball teilweise weniger eingebracht habe, als Organisatorin Schöner angegeben hätte. Und: „Bei der Mehrwertsteuer sind erhebliche Nachzahlungen zu fürchten“, sagt Singer. Er und Wennig meinen, dass zu Unrecht der reduzierte Mehrwertsteuersatz von zehn Prozent für kleine Vereinsfeste abgeführt worden sei. Wennig spricht gar von Mehrwertsteuerbetrug, den er anzeigen müsse. Schöner beruft sich hingegen auf eine Absprache mit dem Finanzamt.
Widersprüchlich wird auch die Musik-Urheberrechtsabgabe beurteilt: Wennig wirft Schöner vor, der AKM auf Basis geschönter Besucherzahlen zu viel gezahlt zu haben, während Schöner meint, auch hier korrekt gehandelt zu haben. Der Verband klagt Schöner jedenfalls auf 90.000 Euro Schadenersatz. Umgekehrt hat Schöner ihre Entlassung beim Arbeitsgericht angefochten, womit eine deutlich höhere Forderung ihrerseits auf Abfertigung und Kündigungsentschädigung im Raum steht.
Wennig betont, kein Eigeninteresse zu verfolgen; er kandidiere nicht mehr. Im Übrigen sei er seit der „zwingenden“Entlassung zu einem Vergleich mit Schöner bereit. Auch diese ist überzeugt, stets im Verbandsinteresse gehandelt zu haben. In den vergangenen Jahren, die von sinkendem Zuspruch zum Juristenball geprägt waren, gab es wiederholt Kritik, Schöner agiere zu wenig transparent. Wennig muss sich aber fragen lassen, warum er sich nicht schon viel früher für die Zahlen im Verband interessier hat. Der nächste Ball wird von Agenturinhaberin Marika Lichter organisiert (mit der Schöner nicht kooperieren wollte) – günstiger und zugkräftiger, wie Wennig hofft. (kom)