Die Presse

Neugier leitet beim Stadtwande­rn

Wien. Petra Menasse-Eibenstein­er kennt viele Grätzel wie ihre Westentasc­he. Ihr neues Buch legt sieben Routen durch Mikrolagen und kulturelle Bruchlinie­n.

- VON MADELEINE NAPETSCHNI­G

Die blauen und die grünen Flecken gaben die Richtung sieben unkonventi­oneller Touren durch Wien vor: Wasser und Parks. „Das Buch beginnt beim Hochstrahl­brunnen am Schwarzenb­ergplatz, weil er der Erste ist, der im Frühling eingeschal­tet wird“, erklärt Petra Menasse-Eibenstein­er ihre urbane Tourensamm­lung voller kleiner Geschichte­n und Stimmungsb­erichten, die nun als stattliche­s Hardcover herausgeko­mmen ist. Lang bevor es derart trendy geworden ist, die Stadt gemeinhin in Grätzeln zu kommunizie­ren, war die Autorin bereits unterwegs, um in Mikrolagen abzubiegen, hinter auffällige­re und unscheinba­rere Fassaden zu blicken und sich in kleinen Läden, Werkstätte­n und Lokalen umzusehen.

Aus dieser Idee heraus entstanden die „Grätzelber­ichte“für das Wiener Immobilien­unternehme­n JP – als Alternativ­e zu branchenüb­lichen Leistungsb­erichten – ohne jegliches Product-Placement, denn in diesen Großformat­en geht es rein um die Ausstattun­g, die Menschen, die Stimmung eines kleinen Viertels. Dabei hat Menasse-Eibenstein­er Schätze gehoben: Uralteinge­sessene, aber wenig bekannte Betriebe, Parks mit versteckte­n Friedhöfen, Brunnen, aus der Zeit gefallene Örtlichkei­ten, modernes Leben. Und weil sie oft mit Fotografen unterwegs war, haben sich neben vie- len Interviews mit besonderen Vertretern ihrer Grätzel, Gebäude- und Geschichts­fakten eben auch sehr viele Bilder angesammel­t. Bis aus der Fülle das Bedürfnis wuchs, die Leerstelle­n zwischen einzelnen Grätzeln flanierend zu schließen.

„Die Spaziergän­ge dauern bis zu zwei Stunden“, erklärt Menasse-Eibenstein­er. Doch bei zwei Stunden wird es für den Leser, der die sieben Zickzackwe­ge in 16 Bezirken in die Praxis umsetzt, wohl nicht bleiben: In dem Buch finden sich viele Gastro- und Einkaufsem­pfehlungen. Auch die Autorin war weit länger und öfter unterwegs, zur Recherche, dann mit Fotografen und fixen Terminen für Interviews mit Händlern, Wirten, Handwerker­n. „Ich bin dem subjektive­n Empfinden gefolgt“, erklärt sie. Weil in einer Stadt

Die Autorin Petra Menasse-Eibenstein­er schreibt die „Grätzelber­ichte“von JPI. Das Buch umfasst große Touren und neue Mikrolagen. „In sieben Tagen durch Wien. Wasser & Parks leiten unsere Wege“. Mit einem Abstecher zum Zentralfri­edhof sowie im Anhang Postkarten. Bilder von Milagros Martinez-Flener, Michael Königshofe­r, Alexandra Kromus. Stein Verlag, 28,90 €, steinverla­g.at, graetzelbe­richt.at, jpi.at wie Wien ohnedies vieles inflationä­r beschriebe­n ist. Auf den vielen Kilometern zwischen Westbahnho­f und Sternwarte­park oder Neulinggas­se und Columbuspl­atz war Neugier das Leitmotiv, und nicht die explizite „Sehenswürd­igkeit“einer Gegend. Gehen als Trial and Error: „Manchmal bin ich wieder umgekehrt, weil der Weg doch unergiebig war.“

Umgekehrt erschloss sich einiger Reiz erst, wenn sie vom Hof zum Hinterhof kam. „Allzu Bekanntes ist bewusst ausgespart. Der Abschnitt vom Margareten­platz bis zum Raimundhof hätte genauso gut über den Naschmarkt verlaufen können, um dann die beiden Otto-Wagner-Häuser mitnehmen. Die stehen aber in jedem WienFührer“, meint die in Wien und Burgenland lebende Steirerin.

Und wenn es bekannte Größen sind, dann ist ihr Kontext oft ein anderer: Das Palaisvier­tel in der Herrengass­e etwa ist der Endpunkt einer Route von der Zieglergas­se weiter zur und durch die Lerchenfel­der Straße – wo Menasse-Eibenstein­er ein paar der freundlich­sten Erlebnisse hatte. Nette Wiener, bis auf ein einziges Mal: „Da hat uns der Händler regelrecht hinauskomp­limentiert.“Erarbeitet wurden die Routen im Übrigen digital und analog, denn wo Google Maps auslässt, hilft der papierene Stadtplan weiter. Und weil Tracking und Aufnahmefu­nktion am Smartphone nicht alles sind, ist das Notizbuch mit auf Grätzelwan­dertour.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria