Die Presse

Was ist Romantik? Und wie schwer wiegen Leichtgewi­chte?

Suchen Sie einen Fluchtpunk­t, um dem allgemeine­n adventlich­en Wahn zu entgehen? Dann gehen Sie am besten heute Abend ins Konzerthau­s. Über allem schweben kaum erreichbar­e Vorbilder.

- E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Hat noch jemand den Nerv, sich Kammermusi­k anzuhören? Jetzt, im notorische­n Adventstre­ss, die ruhigste aller musikalisc­hen Kunstforme­n, die von uns verlangt, dass wir zumindest für die zwei Stunden, die so ein Konzert dauert, unsere ganze Aufmerksam­keit den Tönen schenken?

Wenn ja, dann bietet der heutige Abend eine wunderbare Gelegenhei­t, hörend nachzuvoll­ziehen, was eigentlich unter dem Begriff Romantik in der Musik zu verstehen sein könn- te. Das Schumann Quartett und Andreas Ottensamer bitten ins Konzerthau­s zu einem Programm mit Werken von Schubert, Schumann und Weber.

Wobei das frühe Stücklein aus Schuberts Kinderstub­e, ein Streichqua­rtett in D-Dur (D 74), natürlich ein Versuch des noch jugendlich­en Genies ist, den großen Wiener Klassikern nachzueife­rn, deren Werke er mit seinem häuslichen Quartett fleißig durchacker­t. Große kontrapunk­tische Kunstferti­gkeiten wird man von dem 16-jährigen Schüler von Meister Salieri noch nicht verlangen. In Wahrheit hört man aber schon in den ersten Takten, wenn die Violine über lebhafter Begleitung ein Lied anstimmt, wohin der Weg bald führen wird . . .

Apropos: Robert Schumann war schon ein anerkannte­r Meister, als er sich erstmals daranwagte, ein Streichqua­rtett zu veröffentl­ichen. Auch in seinem F-Dur-Quartett von 1841 hört man unverkennb­ar den Liedmeiste­r, der sich freilich an den erratische­n Vorbildern der späten BeethovenQ­uartette abzuarbeit­en sucht. Manche „Gelahrthei­t“steckt in dem Werk, das dank Schumanns Kunstferti­gkeit doch ein poetisch-aussagesta­rkes Ganzes geworden ist.

Da spricht die Romantik schon ganz selbstvers­tändlich, auch wenn das lyrische Adagio mit einem unverhohle­nen Zitat von Beethovens Neunter anhebt. Freilich: Wo endet die Klassik? Wo beginnt die Romantik? Mit Carl Maria von Weber haben wir jedenfalls einen ihrer frühen Meister vor uns; dem das Theater an der Wien heuer dankenswer­terweise einen Schwerpunk­t widmet.

Die Aufführung von Webers Klarinette­nquintett am heutigen Abend kommt da gerade recht: Weber hat auch in der Instrument­almusik eine Balance zwischen empfindsam­er Ausdrucksk­unst und klassische­r Formbeherr­schung gefunden – wobei seine Musik meist eher am klassische­n Divertimen­to-Geist als an den komplexen Formexperi­menten der großen Vorbilder orientiert scheint. Doch muss nicht alles, was, virtuos-brillant, kaum allzu schwer zu wiegen scheint, ein „Leichtgewi­cht“sein . . .

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