Was ist Romantik? Und wie schwer wiegen Leichtgewichte?
Suchen Sie einen Fluchtpunkt, um dem allgemeinen adventlichen Wahn zu entgehen? Dann gehen Sie am besten heute Abend ins Konzerthaus. Über allem schweben kaum erreichbare Vorbilder.
Hat noch jemand den Nerv, sich Kammermusik anzuhören? Jetzt, im notorischen Adventstress, die ruhigste aller musikalischen Kunstformen, die von uns verlangt, dass wir zumindest für die zwei Stunden, die so ein Konzert dauert, unsere ganze Aufmerksamkeit den Tönen schenken?
Wenn ja, dann bietet der heutige Abend eine wunderbare Gelegenheit, hörend nachzuvollziehen, was eigentlich unter dem Begriff Romantik in der Musik zu verstehen sein könn- te. Das Schumann Quartett und Andreas Ottensamer bitten ins Konzerthaus zu einem Programm mit Werken von Schubert, Schumann und Weber.
Wobei das frühe Stücklein aus Schuberts Kinderstube, ein Streichquartett in D-Dur (D 74), natürlich ein Versuch des noch jugendlichen Genies ist, den großen Wiener Klassikern nachzueifern, deren Werke er mit seinem häuslichen Quartett fleißig durchackert. Große kontrapunktische Kunstfertigkeiten wird man von dem 16-jährigen Schüler von Meister Salieri noch nicht verlangen. In Wahrheit hört man aber schon in den ersten Takten, wenn die Violine über lebhafter Begleitung ein Lied anstimmt, wohin der Weg bald führen wird . . .
Apropos: Robert Schumann war schon ein anerkannter Meister, als er sich erstmals daranwagte, ein Streichquartett zu veröffentlichen. Auch in seinem F-Dur-Quartett von 1841 hört man unverkennbar den Liedmeister, der sich freilich an den erratischen Vorbildern der späten BeethovenQuartette abzuarbeiten sucht. Manche „Gelahrtheit“steckt in dem Werk, das dank Schumanns Kunstfertigkeit doch ein poetisch-aussagestarkes Ganzes geworden ist.
Da spricht die Romantik schon ganz selbstverständlich, auch wenn das lyrische Adagio mit einem unverhohlenen Zitat von Beethovens Neunter anhebt. Freilich: Wo endet die Klassik? Wo beginnt die Romantik? Mit Carl Maria von Weber haben wir jedenfalls einen ihrer frühen Meister vor uns; dem das Theater an der Wien heuer dankenswerterweise einen Schwerpunkt widmet.
Die Aufführung von Webers Klarinettenquintett am heutigen Abend kommt da gerade recht: Weber hat auch in der Instrumentalmusik eine Balance zwischen empfindsamer Ausdruckskunst und klassischer Formbeherrschung gefunden – wobei seine Musik meist eher am klassischen Divertimento-Geist als an den komplexen Formexperimenten der großen Vorbilder orientiert scheint. Doch muss nicht alles, was, virtuos-brillant, kaum allzu schwer zu wiegen scheint, ein „Leichtgewicht“sein . . .