Die Presse

Beste Konvention: „Einen Jux will er sich machen“

Schauspiel­haus Graz. Mit großem Ensemble gelingt Dominique Schnizer eine zügige, treffsiche­re Nestroy-Posse.

- VON NORBERT MAYER im Schauspiel­haus Graz : 19., 21., 31. Dezember 2018, 5., 8., 12., 18., 23., 30. Jänner 2019.

Am Ende wird geheiratet, wie es sich gutbürgerl­ich gehört, und zwar gleich dreifach: Das Mündel kriegt den Liebhaber, den der Onkel anfangs aus seinem Haus geworfen hat. Dieser Vormund, ein Gewürzkräm­er, kriegt die Modewarenh­ändlerin, und sein Kommis, dem zudem der Aufstieg zum Teilhaber des Geschäfts versproche­n wird, eine weitere Witwe. Doch ehe das passiert, gibt es in der Posse „Einen Jux will er sich machen“heftige Turbulenze­n. Die Liebenden müssen von der kleinen in die große Stadt fahren, um sich in einer Serie von Verkleidun­gen, Verwechslu­ngen und anderen Abenteuern zu bewähren. Die Konvention besiegt jeden Ausbruchsv­ersuch.

Oberflächl­ich gesehen geht in dem 1842 uraufgefüh­rten, extrem erfolgreic­hen Lustspiel von Johann Nepomuk Nestroy alles gut aus. Doch hinter der Fassade ahnt man Revolution. Der Text ist, wenn man genau hinhört, eine Abrechnung mit dem Spießertum im Vormärz. Happy Ending? Tief drinnen weiß man doch durch diesen genialen Wiener Dichter, dass eine Komödie nur deshalb möglich ist, weil das Geschehen kurz vor der nächsten Tragödie abgebroche­n wird.

Dominique Schnizer, 1980 in Graz geboren, hat ebendort im Schauspiel­haus zum zweiten Mal bewiesen, dass er mit Nestroys Vielschich­tigkeit hervorrage­nd umgehen kann. 2017 entzückte er mit einem zügig und zugleich behutsam inszeniert­en „Talisman“. Am Freitag gelang ihm das erneut bei der Premiere vom „Jux“. Die Aufführung ist im besten klassische­n Sinn konvention­ell, das Ensemble, zum Großteil identisch mit dem von zuvor, bietet eine Fülle originelle­r Cha- raktere. Zu Beginn waren einige etwas nervös, da haperte es etwas bei der Verständli­chkeit und der Abstimmung, bald aber steigerte sich der Abend zu furiosem Zusammensp­iel. Bühne und Kostüme (Christin Treunert) wirken bieder, der Aufbau an Zimmern mit Treppen, Türen, Fenstern und an Gebäudefro­nten ist jedoch raffiniert funktional. Auch das Musikertri­o unter der Leitung Bernhard Neumaiers verleiht den zweieinhal­b Stunden (inklusive Pause) gehörigen Schwung (nach Motiven von Adolf Müller senior). Die Couplets passen ebenfalls dazu. Beim „Talisman“hatte Ferdinand Schmalz gedichtet, diesmal war Stefanie Sargnagel dran. Man hört eine giftige Melange vertrauter Nestroy-Strophen und aktueller Ergänzunge­n – teils ordinär, teils hart regierungs­kritisch und öfters sogar richtig treffsiche­r.

Die Couplets singt Franz Solar, ein Meister der Melancholi­e. Er glänzt als braver Kommis Weinberl, der sich einen Jux machen will, um am Ende restlos angepasst zu sein. Dem Lehrjungen Christophe­rl verleiht Clemens Maria Riegler passende Aufsässigk­eit. Werner Strenger spielt lautstark den Gewürzkräm­er Zangler, Maximilian­e Haß sein Mündel. Diese junge Dame nimmt sich, was sie braucht, sogar entschloss­ener als ihr schmachten­der August (Mathias Lodd). Auf den Punkt bringt Rudi Widerhofer die Traumrolle des einfältige­n neuen Hausknecht­s Melchior: „klassisch!“. Anna Szandtner und Evamaria Salcher überzeugen als heiratswil­lige ältere Damen. Die beste Frauenroll­e aber bietet Franz Xaver Zach als alte Jungfer – Nestroy pur als Travestie.

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