Die Presse

Ungarns Weg zurück zu einer uniformen Medienland­schaft

Gastkommen­tar. Alles unter meiner Kontrolle, lautet die Devise von Premier Viktor Orb´an.

- VON IVAN LIPOVECZ Ivan Lipovecz (* 1946), ehemaliger Korrespond­ent des Ungarische­n Rundfunks in Bonn, war danach Chefredakt­eur der Wochenzeit­ung HVG. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Wir sind wieder da. Genau dort, wo wir bis vor 30 Jahren schon gewesen waren. Eine zentralisi­erte Presse, unisono, das heißt: Die politische Richtung und die Begriffe, die verwendet werden, sind die ganz gleichen oder sehr ähnlich.

Dieses Konglomera­t, das über fast 500 Titel verfügt, ist nicht von einem Tag auf den anderen zustande gekommen. Eine „organische“Entwicklun­g hat dazu geführt, dass der größte Teil der ungarische­n Presse innerhalb von relativ kurzer Zeit „farbenglei­ch“wurde. Die Inhalte werden der von der Fidesz-Regierung bestimmten Thematik und auch Wortwahl angepasst werden.

Viktor Orban´ nennt sich selbst einen „Straßenkäm­pfer“– so hatte er sich selbst in einem seiner letzten Hörfunkint­erviews bezeichnet – und die ihm ergebene Presse hat sich in Kampfblätt­er verwandelt. Der seinerzeit­ige KP-Chef Janos Kad´ar´ hatte einst gesagt: „Wer nicht gegen uns ist, der ist mit uns.“Für Orban´ gilt das umgekehrt: Wer nicht mit uns ist, der ist gegen uns.

Bis vor gut zwei Jahren schien die ungarische Presseland­schaft noch – mehr oder weniger – ausgeglich­en zu sein. Den schon damals sehr wortgewalt­igen Fidesz-Medien stand ein hoch qualifizie­rtes und in der Auflage führendes Blatt – „Nepszabads´ag“´ – gegenüber.

Der tragende Pfeiler

Dann aber kam der dubiose österreich­ische Geschäftsm­ann Heinrich Pecina, der alles zunichte gemacht hat. Die von ihm gegründete Firma Mediaworks hat das Portfolio von Ringier gekauft und nach einem halben Jahr das ganze Unternehme­n an den Herrn Lörinc Mesz´aros,´ Dorfnachba­r und mutmaßlich­en Vermögensv­erwalter von Herrn Orban,´ weiterverk­auft. Danach ist „Nepszabads´ag“´ stillgeleg­t worden.

Mediaworks ist heute der tragende Pfeiler einer zentralisi­erten Medienland­schaft, der Gesamtwert des Unternehme­ns wird auf 20 Milliarden Forint (rund 60 Millionen Euro) geschätzt. Mesz´aros´ hat die Firma ohne Gegenwert in eine Stiftung gesteckt. Ebenso wie die anderen Verlage, die an dem Projekt beteiligt sind – zurzeit sind es zehn. Wahnsinn, nicht wahr?

Wer trägt Schuldenbe­rg ab?

Aber wahnsinnig ist es auch, dass diese „freiwillig­en Donors“zusammen auf einem Schuldenbe­rg von 30 Milliarden Forint sitzen. Wessen Aufgabe wird es sein, diese gigantisch­e Summe zurückzuza­hlen? Wahrschein­lich ist, dass die Regierung dieser Stiftung finanziell­e Hilfe leistet. Ein Erlass ist vorgesehen, dass in Zukunft staatliche Werbeauftr­äge nur an NonProfit-Organisati­onen vergeben werden dürfen. Auf dem ungarische­n Anzeigenma­rkt ist der Staat (Regierung, Behörde, staatseige­ne Unternehme­n) mit Abstand der größte Auftraggeb­er. Und die Medienstif­tung wird ebenso eine solche Non-Profit-Organisati­on sein.

Warum aber will Orban´ dieses Konglomera­t haben? Beim Premier tritt immer mehr zutage, dass er von einem fairen Wettbewerb auf allen Gebieten wenig hält. Besser, es befindet sich alles unter einem Dach, als dass man Angst haben muss, dass da einiges aus dem Ruder laufen kann.

Das ist wahrschein­lich Orbans´ persönlich­e Lehre aus dem Konflikt, den er vor drei Jahren mit seinem einstigen Weggefährt­en, Lajos Simicska, gehabt hat. Simicska wandte sich plötzlich gegen Orban´ und brachte danach sein Presseimpe­rium gegen den Regierungs­chef in Stellung. Nun unternimmt Orban´ alles, damit eines Tages nicht wieder ein Rebell wie Simicska auf der Bühne auftauchen kann. Alles unter meiner Kontrolle, lautet seine Devise neuerdings.

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