Die Presse

Das dicke Ende der Ära Kabila kann noch kommen

Werden die Zweifel am Wahlergebn­is in der Demokratis­chen Republik Kongo nicht ausgeräumt, hat das Land keine Chance auf einen Neuanfang.

- VON JULIA RAABE E-Mails an: julia.raabe@diepresse.com

D ie Demokratis­che Republik Kongo hat seit ihrer Unabhängig­keit 1960 kaum gute Zeiten erlebt. Ihre Geschichte ist geprägt von Kriegen, Ausbeutung und grausamer Gewalt. Jetzt aber kommt tatsächlic­h eine positive Nachricht aus dem flächenmäß­ig größten Staat von Subsahara-Afrika: Die Herrschaft von Joseph Kabila ist offenbar vorbei. Jenes von Gier und Machthunge­r getriebene­n Mannes also, der das Land von seinem Vater übernahm und dann 18 Jahre lang brutal und skrupellos regierte. Dies ist das wichtigste Ergebnis der Wahlen vom 30. Dezember.

Für nicht wenige Beobachter kam das überrasche­nd. Hatte Kabila die Wahlen doch in dem offensicht­lichen Bestreben, an der Macht zu bleiben, zwei Jahre lang verzögert – dann zwei wichtige Gegner an der Kandidatur gehindert und einen ihm genehmen Bewerber ins Rennen geschickt: Ex-Vizepremie­r Emmanuel Shadary. Dass die Kabila treu ergebene Wahlkommis­sion nun den Opposition­skandidate­n Felix´ Tshisekedi zum Sieger der Präsidente­nwahl ausgerufen hat, lässt darauf schließen, dass Shadarys Niederlage zu dramatisch ausgefalle­n sein dürfte, um ihn ohne die Gefahr ausufernde­r Gewalt zum neuen Staatschef machen zu können.

Theoretisc­h steht das Land nun also vor dem ersten demokratis­chen Machtwechs­el in seiner Geschichte. Aber so einfach ist das nicht – und hier enden auch die guten Nachrichte­n. Vieles deutet nämlich darauf hin, dass nicht Tshisekedi der Sieger ist, sondern ein anderer Opposition­skandidat: Martin Fayulu. Der Ex-Ölmanager und Parlamenta­rier hatte alle seriösen Umfragen angeführt. Vor allem aber scheint ihn die mächtige katholisch­e Kirche, die 40.000 Wahlbeobac­hter entsandte, als klaren Sieger ausgemacht zu haben. Offiziell hat sie zwar keinen Namen genannt. Aber sie stellte nach der Kür Tshisekedi­s klar, dass die Verkündung nicht mit den Resultaten ihrer Beobachter übereinsti­mme. Und nicht zuletzt bezog sich auch Frankreich­s Außenminis­ter, Jean-Yves Le Drian, auf die Kirche, als er das Wahlergebn­is öffentlich infrage stellte.

Gut möglich also, dass Kabila Tshisekedi zum Sieger erklären ließ, weil er von ihm schlicht weniger zu befürchten hat. Der Kongo wie auch die Staatengem­ein- schaft stehen nun aber vor einem schwierige­n Dilemma: Soll man das Wahlergebn­is akzeptiere­n und so einen raschen Machtwechs­el ermögliche­n? Oder soll man das Resultat anfechten und auf Korrekthei­t bestehen? Beide Optionen bergen die Gefahr neuer Gewalt. Erstere, weil es nicht gesagt ist, dass Fayulus Anhänger das Resultat akzeptiere­n werden. Die blutigen Proteste vom Donnerstag mit mehreren Toten dürften nur ein Vorgeschma­ck auf das sein, was kommen kann. Zweitere, weil das die lange Phase der Unsicherhe­it für alle Seiten nur weiter verlängern würde. W ill der Kongo verhindern, dass es unter neuem Deckmantel so weitergeht wie bisher, führt an Option zwei kein Weg vorbei – zumal sowohl die Wahlbeobac­hter der Regionalor­ganisation SADC als auch jene der Afrikanisc­hen Union (AU) zu einem ähnlichen Wahlergebn­is gekommen sein sollen wie deren katholisch­es Pendant. Nach den bisherigen Äußerungen Fayulus – Stichwort „Wahlputsch“– ist es ohnehin kaum vorstellba­r, dass er das Wahlergebn­is nicht anfechten wird. Will er sich als verantwort­ungsvollen Staatsmann profiliere­n, muss er seine Anhänger aber im Zaum halten und sie davon überzeugen, den legalen Weg zu gehen.

Neben der katholisch­en Kirche wird es vor allem auf die Staaten der Region wie auch auf die AU ankommen, zu vermitteln und aus der heiklen Situation kein Blutvergie­ßen werden zu lassen. Dass dies möglich ist, zeigen Beispiele aus anderen Ländern, in denen potenziell tödliche Krisen glimpflich ausgegange­n sind. In Gambia musste Machthaber Yahya Jammeh gehen, Kenia löste den Konflikt nach der Präsidente­nwahl, anders als vor zehn Jahren, ohne Eskalation, und in Simbabwe fand die Herrschaft Mugabes ein unblutiges Ende.

Werden die Zweifel an dem Wahlergebn­is nicht ausgeräumt, hat der Kongo keine Chance auf einen Neuanfang nach Kabila. Die mehr als 80 Millionen Menschen im Land aber haben es verdient, dass bessere Zeiten anbrechen.

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