Premier Viktor Orb´an holte zum Rundumschlag gegen Europa, Deutschland, Macron und die Migration aus.
Ungarn.
Es war das erste Mal seit seinem Wahlsieg im April, dass er sich in einer Pressekonferenz ausgedehnt Medien gestellt hat. Über mehr als zwei Stunden beantwortete Ungarns Ministerpräsident, Viktor Orban,´ sichtlich gut gelaunt jede Frage, auch kritische. Was er denn vorhabe, um Ungarn noch illiberaler zu machen, wollte ein Journalist wissen. „Was ich will, ist eine Sache, aber entscheidend ist, dass die ungarischen Menschen illiberal sind“, sagte er ohne mit der Wimper zu zucken. Die Zeit der liberalen Dominanz in Europa gehe ihrem Ende entgegen, „auch wenn das Ihnen in den Medien nicht gefällt“.
Mehr als einmal kamen Fragen danach, warum es im persönlichen Umkreis Orbans´ immer mehr Millionäre gebe. Seine Antwort: Ungarns Regierung kommentiere nicht Privatgeschäfte. Er beteuerte „null Toleranz“gegen Korruption. Wer genau hinhörte, spürte eine Warnung an die Oligarchen von Orbans´ Gnaden: Kein Geschäftsmann solle glauben, sich in die Politik einmischen zu können.
Eine enigmatische Bemerkung richtete Orban´ an die Adresse der neuen deutschen CDU-Chefin, Annegret Kramp-Karrenbauer. Er habe damals von Helmut Kohl gelernt, dass in Deutschland niemand stabil regieren könne, der nicht neben der Kanzlerschaft auch den Parteivorsitz innehabe. Dass jetzt Kanzlerwürde und Parteivorsitz „auf so lange Zeit getrennt seien“, das sei sehr interessant, und er sei neugierig zu „sehen, ob sich die Zeiten in Deutschland so geändert haben“, sagte Orban´ auf eine Frage der „Presse“.
Das klang fast so, als erwarte er oder rate sogar dazu, dass die neue CDU-Chefin nicht die nächsten Wahlen abwarten, sondern Bun- deskanzlerin Angela Merkel schon vorher aus dem Amt drängen solle. Im Übrigen beschuldigte er die deutsche Regierung, einseitig Schuld zu tragen an den kühlen Beziehungen der beiden Länder. „Die Deutschen respektieren nicht, dass wir Migration ablehnen“, sagte er. „Sie üben ständig Druck auf uns aus und wollen, dass wir nachgeben. Wir werden da aber niemals Kompromisse eingehen.“
Im Vordergrund seiner Ausführungen standen die anstehenden Wahlen zum Europa-Parlament im Mai. „Das größte Thema der nächsten 20 Jahre“sei die Migration, sagte er, und es sei das strategische Ziel der ungarischen Europapolitik, „dass in allen europäischen Institutionen die migrationsfeindlichen Kräfte das Übergewicht gewinnen“. Insofern begrüße er ausdrücklich die aktuelle Annäherung zwischen Italien und Polen.
Orban´ bezeichnete es als seine Pflicht, sich Frankreichs Präsidenten, Emmanuel Macron, entgegen-
Angst vor dem wachsenden Druck der Opposition schien er nicht zu haben. Wenn die Oppositionsparteien bei den EU-Wahlen eine gemeinsame Liste aufstellten, „dann schaufeln sie ihr eigenes Grab, und ich will ihnen dabei nicht im Weg stehen“, sagte er.
Für die Europawahlen habe seine Partei beschlossen, das „Spitzenkandidatensystem auch auf Landesebene einzuführen“. Der Spitzenkandidat der Regierungspartei – Justizminister Laszl´o´ Trocs´anyi´ – sei mithin Ungarns Anwärter für den Posten eines EU-Kommissars. Damit wolle Ungarn beitragen, „der EU-Kommission mehr demokratische Legitimation“zu verleihen. Will heißen: Es wäre schwerer für die EU-Instanzen, Trocs´anyi´ als Kommissar abzulehnen.