Merkel/Tsipras: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Beziehung
Griechenland. Vom Feindbild zum Vertrauensverhältnis: Erster Besuch der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, bei Premier Alexis Tsipras.
Als Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, Donnerstagnachmittag in Athen zu ihrem ersten Besuch seit Regierungsantritt von Alexis Tsipras eintraf, da rollte er der Kanzlerin in jeder Hinsicht den roten Teppich aus. Das Verhältnis der konservativen Kanzlerin zu dem Chef der linken Syriza ist in letzter Zeit fast herzlich zu nennen. Merkel stützte Griechenlands Premier im Sommer beim Ausstieg aus den Hilfsprogrammen, und Tsipras ist ihr in beinahe allen zentralen Anliegen eine solide Stütze in Europa, von der Flüchtlings- bis zur Balkanpolitik.
Und doch sind erst vier Jahre vergangen, seit Tsipras die Kanzlerin mit den dunklen Mächten des internationalen „Finanzspekulantentums“in Verbindung brach- te und ihr vor seinem Wahlsieg Ende Jänner 2015 in – damals noch nicht ganz astreinem – Englisch „Go back, Merkel“entgegenschleuderte.
Der Rest ist Geschichte: Die Griechen wollten damals die unbeliebten Sparprogramme zerreißen und eine Schuldentilgung erreichen. Die Regierung aber bekam keine Überbrückungskredite mehr, und so stand Griechenland vor der Pleite und dem Euro-Rauswurf: Tsipras musste schließlich im Juli 2015 einen Kompromiss mit den internationalen Kreditgebern eingehen. Seither hat er sich budgetpolitisch als verlässlicher Partner erwiesen. Zuletzt hatte das Land einen Primärüberschuss, also ein Budgetplus ohne Schuldendienst, von deutlich über 3,5 Prozent. Tsipras erklärte, zwischen ihm und der Kanzlerin bestehe ein „Vertrauensverhältnis“. Tatsächlich hat Merkel ihm seine früheren Attacken in fast mütterlicher Nachsicht verziehen.
Sie komme nicht nach Athen, sagte Tsipras, um in der Mazedonien-Frage Stimmung zu machen, sondern als Anerkennung für die positiven Veränderungen im krisengeschüttelten Land zwischen 2015 und 2018. Natürlich ist nicht alles so rosig: Griechenland hat wegen der hohen Zinsen nach wie vor Probleme, Anleihen auf den Kapitalmärkten aufzunehmen; auch hat die griechische Regierung für das Wahljahr 2019 eine Reihe von teuren Geschenken verteilt.
Trotz gegenteiliger Beteuerung von Tsipras dürfte die Beilegung des Namensstreits um Mazedonien im Vordergrund der Gespräche stehen. Das Parlament in Skopje debattiert gerade vor der entschei- denden Abstimmung über die Verfassungsänderungen, die das Abkommen von Prespa vorsieht.
Zur Erinnerung: Im Sommer 2018 einigten sich Griechenlands Tsipras und Mazedoniens Premier, Zoran Zaev, auf eine Lösung im Namensstreit. Mazedonien, offiziell immer noch Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien, soll Nordmazedonien heißen. Sollte der Vertrag in Mazedonien ratifiziert werden, wird er wohl Anfang Februar im griechischen Parlament zur Abstimmung kommen. Hier gibt es jedoch heftigen Gegenwind für Alexis Tsipras.
Der kleine Koalitionspartner von Syriza, die rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel) unter Panos Kammenos, lehnen die Lösung ab. Sie sind gegen jeglichen Namen des nördlichen Nach- barn, der den Bestandteil „Mazedonien“enthält – eine Maximalposition. Verteidigungsminister Kammenos kündigte die Auflösung der Koalition an, wenn das Abkommen vor das griechische Parlament kommen sollte.
Tsipras glaubt, dass die Mehrheit von 151 Stimmen im Parlament wegen Stimmengebern aus anderen Parteien nicht in Gefahr ist. Das mag sein, doch wenn Kammenos seine Drohung wahr macht, dann stehen dem Land noch im Frühjahr Neuwahlen ins Haus.
Kanzlerin Merkel steht hinter der Lösung im Namensstreit. Sie wird am Freitag auch mit Kyriakos Mitsotakis, Chef der konservativen Opposition, darüber sprechen. Der hat sich im Namensstreit früher stets moderat gegeben, sich nun aber auf die Seite der lauten Mehrheit geschlagen, die den Namenskompromiss ablehnt.