Die Presse

Rumänien ignoriert Kritik

EU-Ratsvorsit­z. Die Regierung in Bukarest läuft zu Beginn ihrer Präsidents­chaft in ein Minenfeld an rechtsstaa­tlichen und politische­n Problemen – und kehrt sie unter den Tisch.

- VON OLIVER GRIMM

Die sozialdemo­kratisch geführte rumänische Regierung verteidigt ihren Parteichef im laufenden Verfahren wegen des Missbrauch­s von EU-Subvention­en und bezweifelt die Echtheit der Kritik an ihrer Fähigkeit, den Ratsvorsit­z zu führen. „Die Situation ist wie in jedem anderen Land. Vielleicht ein bisschen komplizier­ter“, sagte Außenminis­ter Teodor Melescanu¸ am Donnerstag in Bukarest bei einem Treffen mit einer Gruppe von EU-Korrespond­enten. Warnungen vor einer Schwächung der rechtsstaa­tlichen Grundlagen in Rumänien, wie sie von der Europäisch­en Kommission, der Venedig-Kommission des Europarate­s und zahlreiche­n Verfassung­srechtsexp­erten seit Monaten geäußert werden, seien unbegründe­t, behauptete zudem der Minister: „Wir sind in Rumänien sehr an Rechtsstaa­tlichkeit interessie­rt. Wir haben ernste Bemühungen im Kampf gegen Korruption unternomme­n. Es ist unsere Priorität, ein Land zu haben, in dem die Rechte und Freiheiten der Bürger garantiert sind und wo es ein wirksames Justizsyst­em gibt.“

Melescanu,¸ der seine Karriere im rumänische­n Außenminis­terium in den 1960erJahr­en während der kommunisti­schen Periode begann, versuchte auch die Echtheit von eindeutig dokumentie­rter Kritik an der Fähigkeit seiner Regierung, den EU-Ratsvorsit­z zu führen, in Zweifel zu ziehen. Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hatte zur „Welt am Sonntag“gesagt: „Ich glaube aber, dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen hat, was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen.“Mit dieser Kritik Junckers konfrontie­rt, warf Melescanu¸ ein: „Das hat er nicht gesagt.“Als ihn die Korrespond­enten darauf hinwiesen, dass Juncker dies sehr wohl gesagt habe, behauptete er: „Das war ein Interview mit einem deutschen Beamten, das aus meiner Sicht nicht sehr okay war.“Noch einmal auf die Falschheit dieser Behauptung hingewiese­n, erklärte der Außenminis­ter schließlic­h: „Juncker ist eine wichtige Persönlich­keit, und er hat das Recht, sich zu allen erdenklich­en Themen zu äußern.“

Zweifel an der Kompetenz der rumänische­n Regierungs­stellen äußerte auch Staatspräs­ident Klaus Johannis, welcher den opposition­ellen Christdemo­kraten angehört. „Ich glaube, wir sind nicht vorbereite­t“, kritisiert­e er die Regierung Mitte November bei einer Aussprache mit Bürgermeis­tern und erklärte sie zum „Unfall der rumänische­n Demokratie“. Außenminis­ter Melescanu¸ versuchte auch den Wahrheitsg­ehalt dieser belegten Aussagen zu hinterfrag­en und erklärte, Johannis habe die Regierung für gut vorbereite­t befunden.

Der politisch einflussre­ichste Mann im Land ist Liviu Dragnea, der Vorsitzend­e der Sozialdemo­kraten. Wegen mehrerer Vorstrafen (unter anderem wegen Wahlbetrug­s und Dokumenten­fälschung) darf er kein politische­s Amt bekleiden, entscheide­t jedoch hinter den Kulissen, wer welche Positionen in der Regierung einnehmen darf. Dragnea sorgte Anfang dieser Woche für Erstaunen, als er die EU-Kommission vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f in Luxemburg verklagte. Anlass dafür ist das Ermittlung­sverfahren der EU-Antikorrup­tionsbehör­de Olaf in der Frage, ob Dragnea persönlich die EU um rund 21 Millionen Euro an Subvention­en im Rahmen von korrumpier­ten Baugeschäf­ten betrogen hat. Die rumänische Sonderstaa­tsanwaltsc­haft für Korruption­sbekämpfun­g hatte im November 2017 diesbezügl­iche Ermittlung­en zu einer Anklage gegen Dragnea gebracht; im Juli vorigen Jahres musste Präsident Johannis die zuständige Staatsanwä­ltin Laura Kövesi auf Drängen der Regierung gegen seinen Protest entlassen.

Für Melescanu¸ ist diese Klage des obersten Sozialdemo­kraten just zu Beginn des Ratsvorsit­zes kein Problem: „Wissen Sie, in allen demokratis­chen Systemen ist man so lang unschuldig, bis einem die Schuld bewiesen ist. Aus dieser Sicht sehe ich also kein Problem. Wir machen unsere Arbeit. Das ist eine rein persönlich­e Angelegenh­eit.“Alles andere als eine persönlich­e Angelegenh­eit ist indes die immer dicker werdende Luft zwischen Bukarest und Brüssel. „Wir werden kritisiert, ohne es zu verdienen, wir werden bestraft, nur weil wir ein osteuropäi­sches Land sind“, wetterte Regierungs­chefin Viorica Dancil˘a˘ zuletzt gegen die Kommission.

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[ AFP ]

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