Rumänien ignoriert Kritik
EU-Ratsvorsitz. Die Regierung in Bukarest läuft zu Beginn ihrer Präsidentschaft in ein Minenfeld an rechtsstaatlichen und politischen Problemen – und kehrt sie unter den Tisch.
Die sozialdemokratisch geführte rumänische Regierung verteidigt ihren Parteichef im laufenden Verfahren wegen des Missbrauchs von EU-Subventionen und bezweifelt die Echtheit der Kritik an ihrer Fähigkeit, den Ratsvorsitz zu führen. „Die Situation ist wie in jedem anderen Land. Vielleicht ein bisschen komplizierter“, sagte Außenminister Teodor Melescanu¸ am Donnerstag in Bukarest bei einem Treffen mit einer Gruppe von EU-Korrespondenten. Warnungen vor einer Schwächung der rechtsstaatlichen Grundlagen in Rumänien, wie sie von der Europäischen Kommission, der Venedig-Kommission des Europarates und zahlreichen Verfassungsrechtsexperten seit Monaten geäußert werden, seien unbegründet, behauptete zudem der Minister: „Wir sind in Rumänien sehr an Rechtsstaatlichkeit interessiert. Wir haben ernste Bemühungen im Kampf gegen Korruption unternommen. Es ist unsere Priorität, ein Land zu haben, in dem die Rechte und Freiheiten der Bürger garantiert sind und wo es ein wirksames Justizsystem gibt.“
Melescanu,¸ der seine Karriere im rumänischen Außenministerium in den 1960erJahren während der kommunistischen Periode begann, versuchte auch die Echtheit von eindeutig dokumentierter Kritik an der Fähigkeit seiner Regierung, den EU-Ratsvorsitz zu führen, in Zweifel zu ziehen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte zur „Welt am Sonntag“gesagt: „Ich glaube aber, dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen hat, was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen.“Mit dieser Kritik Junckers konfrontiert, warf Melescanu¸ ein: „Das hat er nicht gesagt.“Als ihn die Korrespondenten darauf hinwiesen, dass Juncker dies sehr wohl gesagt habe, behauptete er: „Das war ein Interview mit einem deutschen Beamten, das aus meiner Sicht nicht sehr okay war.“Noch einmal auf die Falschheit dieser Behauptung hingewiesen, erklärte der Außenminister schließlich: „Juncker ist eine wichtige Persönlichkeit, und er hat das Recht, sich zu allen erdenklichen Themen zu äußern.“
Zweifel an der Kompetenz der rumänischen Regierungsstellen äußerte auch Staatspräsident Klaus Johannis, welcher den oppositionellen Christdemokraten angehört. „Ich glaube, wir sind nicht vorbereitet“, kritisierte er die Regierung Mitte November bei einer Aussprache mit Bürgermeistern und erklärte sie zum „Unfall der rumänischen Demokratie“. Außenminister Melescanu¸ versuchte auch den Wahrheitsgehalt dieser belegten Aussagen zu hinterfragen und erklärte, Johannis habe die Regierung für gut vorbereitet befunden.
Der politisch einflussreichste Mann im Land ist Liviu Dragnea, der Vorsitzende der Sozialdemokraten. Wegen mehrerer Vorstrafen (unter anderem wegen Wahlbetrugs und Dokumentenfälschung) darf er kein politisches Amt bekleiden, entscheidet jedoch hinter den Kulissen, wer welche Positionen in der Regierung einnehmen darf. Dragnea sorgte Anfang dieser Woche für Erstaunen, als er die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verklagte. Anlass dafür ist das Ermittlungsverfahren der EU-Antikorruptionsbehörde Olaf in der Frage, ob Dragnea persönlich die EU um rund 21 Millionen Euro an Subventionen im Rahmen von korrumpierten Baugeschäften betrogen hat. Die rumänische Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung hatte im November 2017 diesbezügliche Ermittlungen zu einer Anklage gegen Dragnea gebracht; im Juli vorigen Jahres musste Präsident Johannis die zuständige Staatsanwältin Laura Kövesi auf Drängen der Regierung gegen seinen Protest entlassen.
Für Melescanu¸ ist diese Klage des obersten Sozialdemokraten just zu Beginn des Ratsvorsitzes kein Problem: „Wissen Sie, in allen demokratischen Systemen ist man so lang unschuldig, bis einem die Schuld bewiesen ist. Aus dieser Sicht sehe ich also kein Problem. Wir machen unsere Arbeit. Das ist eine rein persönliche Angelegenheit.“Alles andere als eine persönliche Angelegenheit ist indes die immer dicker werdende Luft zwischen Bukarest und Brüssel. „Wir werden kritisiert, ohne es zu verdienen, wir werden bestraft, nur weil wir ein osteuropäisches Land sind“, wetterte Regierungschefin Viorica Dancil˘a˘ zuletzt gegen die Kommission.