Die Presse

Schlappe für Schulgegne­r

Prozess. Menschenre­chtsgerich­t für Zwangsabna­hme von Kindern zur Durchsetzu­ng der Schulpflic­ht.

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Gegner staatliche­r Schulen im deutschen Bundesland Hessen haben vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) eine Niederlage erlitten. Das Gericht in Straßburg sieht die Rechte der Familie, die einer christlich­en Sekte zuneigt, durch eine kurzzeitig­e behördlich­e Unterbring­ung ihrer Kinder in einem Heim, um damit die Schulpflic­ht gegenüber der Familie durchzuset­zen, nicht als verletzt an. Das ging aus dem am Donnerstag publiziert­en Urteil im Fall „Wunderlich gegen Deutschlan­d“hervor.

Das Gärtnerpaa­r aus der Nähe von Darmstadt hatte sich jahrelang geweigert, seine vier Kinder zur Schule zu schicken, und dies trotz vieler Strafverfa­hren durchgehal­ten. Unterricht­et wurden sie zu Hause. 2013 brachten die Behörden die Kinder, damals sieben bis 14 Jahre alt, drei Wochen zwangsweis­e in einem Heim unter. Die Eltern sahen ihr Menschenre­cht auf Familienle­ben (Artikel 8 Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion) verletzt und zogen 2015 vor den EGMR.

Der hielt nun einstimmig fest, dass mit dem teilweisen Sorgerecht­sentzug in das Recht eingegriff­en worden sei, aber hier aus „relevanten und ausreichen­den Gründen“. So hätten die Behörden Grund zur Annahme gehabt, dass die Kinder in Gefahr seien, isoliert wären und keinen Kontakt außerhalb der Familie hätten. Die Eltern hätten sanftere Maßnahmen durch fehlende Kooperatio­n vereitelt. Das Urteil kann noch angefochte­n werden.

Heimunterr­icht statt Schule ist in Deutschlan­d nicht erlaubt, sofern die Kinder nicht länger krank sind. Eltern, die ihren Kindern den Schulbesuc­h verweigern, droht sogar Haft. (DPA)

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