Küssel bis zum letzten Tag in Haft
Strafvollzug. Er gilt als Schlüsselfigur der rechtsextremen Szene. Heute, Freitag, endet die jahrelange Haftstrafe von Gottfried Küssel (60). Spannend bleibt, wie die Entlassung auf die Szene wirkt.
Wäre es nach dem Landesgericht Wiener Neustadt gegangen, so wäre Gottfried Küssel bereits am 11. Dezember 2017 aus dem Gefängnis entlassen worden. An dem Tag war Küssel schon längst Freigänger. Das heißt, er durfte tagsüber die Haftanstalt verlassen – um zu arbeiten. Küssel hatte (und hat) einen Job im Vertrieb einer Getränkefirma. Jedoch: Es ging eben nicht nach dem Landesgericht Wiener Neustadt.
Küssel musste seine Strafe, sieben Jahre und neun Monate, bis zum letzten Tag verbüßen. Erst heute, Freitag, endet für den 60-Jährigen die Zeit in der Justizanstalt Wiener Neustadt. Die vorzeitige bedingte Entlassung, die das Landesgericht im Sinne hatte, war durch ein „Veto“der Staatsanwaltschaft vereitelt worden. In der Folge hatte das Oberlandesgericht (OLG) Wien dem vorzeitigen Gang in die Freiheit endgültig einen Riegel vorgeschoben.
Denn: Küssel weise laut einer höchstgerichtlichen Entscheidung von 2014 „besondere Gefährlichkeit“auf. Auch sei die Einschätzung der Staatsanwaltschaft „zutreffend“, dass es sich beim Verurteilten „um eine führende Persönlichkeit der österreichischen Neonazi-Szene handelt“.
Küssel war 2013 zum dritten Mal wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt worden. Konkret wegen des „Initiierens“der Neonazi-Homepage www.alpen-donau.info. Mitverurteilt wurden der Administrator und ein Techniker. Im Prozess hatte sich Küssel, damals vertreten von Anwalt Michael Dohr (er ist mittlerweile im Buwog-Prozess aktiv), nicht schuldig bekannt.
Was heißt nun Küssels Strafende für die Rechts-außen-Szene? „Momentan ist es in der Szene sehr ruhig, sie halten offenbar die Füße still, aber das kann sich schnell ändern“, sagt Rechtsextre- mismus-Beobachter Thomas Rammerstorfer. Ob Küssels Freilassung irgendeine Rolle spielt, werde sich erst längerfristig zeigen.
„Sein Einflussbereich, in dem er als einigende Person auftreten kann, schränkt sich ziemlich auf die Neonazi-Szene ein“, sagt indessen Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). Bei anderen Gruppierungen, der Identitären Bewegung oder den Burschenschaftern, werde interessant, wie sich diese zu Küssel positionieren – für den Fall, dass sich Küssel überhaupt wieder politisch betätigt, „das kann man ihm als Neuentlassenem selbstverständlich nicht unterstellen“.
Laut DÖW war Küssel im Sommer 2016 – Fotos davon sind im Internet zu finden – im Alten AKH beim Public Viewing der FußballEM mit bekannten Rechtsextre- men zu sehen. „Aber das kann natürlich rein soziale Gründe haben und ist selbstverständlich kein Beleg für politische Aktionen“, sagt Weidinger.
Jedenfalls war bei diesem Treffen auch jener Küssel-Bekannte dabei, dessen Einsatz als Security-Mitarbeiter im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur BVT-Affäre im Herbst für einiges Aufsehen gesorgt hat. Und auch Kontakte zur Identitären Bewegung könnte man aus diesem Treffen ableiten. Die Identitären, die während Küssels Haft neue Aktionsformen und neues, popkulturelles Auftreten der Rechten populär gemacht haben, bemühen sich zwar um eine klare Abgrenzung zum Neonazismus. Aber zumindest beim Fußballschauen im AKH ist Küssel offenbar mit einem, der gute Ver- bindungen zu den Identitären hat, zusammengetroffen. Hinter der zuletzt ebenfalls durchaus aktiven Neonazi-Gruppe „Unsterblich Wien“sollen nach Recherchen des DÖW Verbindungsleute von Küssel stehen.
„Aber die rechte Szene ist sicher nicht mehr das, was Küssel vor seiner Haft in Freiheit kannte“, sagt Weidinger. Die „sehr traditionalistische“Szene, die Weidinger als klare Neonazis bezeichnet und für die Küssel früher zentrale Identifikationsfigur war, beziffert er mit einigen Hundert Personen.
Auch neue Medien bestimmen nun die rechte Szene, so Weidinger. „Die Aula“wurde eingestellt und soll durch ein neues Magazin ersetzt werden. Dazugekommen sind „Alles Roger“oder „Infodirekt.eu“als zentrale Medien. Ob Küssel dort jemals eine Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten.