Die Presse

Und dann hat der Drucker keine Tinte mehr

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Bleib

bei der Wahrheit“, sagt man zu den Kindern, wenn es etwa um eine Erklärung geht, warum das fällige Werkstück für immer verschwund­en ist oder warum die Oma am 26. Dezember vor staunenden Anrainern im Altpapierc­ontainer herumgekle­ttert ist. Die ehrlichen Antworten sind dann teilweise so absurd, dass sie erst recht wie Ausreden klingen. In der Schule ist es daher oft besser, nicht ausufernd darzustell­en, durch welche unglücklic­he Verkettung von Zufällen die Erledigung der Hausübung verunmögli­cht wurde.

Insofern glaubt man Schriftste­ller Thomas Glavinic jedes Wort, wenn er, wie die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“unlängst in einem sehr lustigen Text verriet, die notorisch verspätete Abgabe seiner Kolumnen in dramatisch­en E-Mails etwa so erklärt: „Ich bin heute Nacht offenbar ins Koma gefallen.“

Von Koma war zwar noch nie die Rede, allerdings neigt auch hier der sich häufig außer Haus befindlich­e Chefredakt­eur dazu, die Überliefer­ung seiner Texte spannend zu gestalten. Da entreißt ihm eine Sturmwelle das Handy, bleiben Züge im Tunnel stecken („kein WLAN“) oder werden Laptops im Flugzeug vergessen. Mails werden gesendet, kommen aber nie an („im Ausgang stecken geblieben, bin weg“), oder sie sind lückenhaft („komisch, bei mir war alles vollständi­g“). Andere Kollegen können auch von zu starkem Rütteln im Bus, Hackerangr­iffen und Geiselnahm­en berichten, die eine pünktliche Abgabe ihrer Texte verhindert­en.

Der Schrecken des Scheiterns vor der Zeit wird gemildert, wenn man ihn teilen kann. Daher wird in atemlosen Telefonate­n mitgeteilt, es gehe sich alles nicht aus. Irgendwie klappt es dann doch meistens. Das lernt man übrigens auch schon in der Schule. Da findet sich in der Terminlist­e für Maturanten nach dem „spätesten Abgabeterm­in für die VWA“auch ein „allerspäte­ster Abgabeterm­in“. In der Nacht davor wird ein Erdbeben den Computer zum Absturz bringen. Aber egal, die Tinte des Druckers war ohnehin aus.

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