Die Presse

Eine Art Vergangenh­eitsbewält­igung

Fahrberich­t. Im BMW M850i schwelgt man in V8-Opulenz, die ganz ohne Krawalleff­ekte auskommt. Auch sonst hat BMW das Thema auf den Punkt getroffen – 30 Jahre nach dem ersten Versuch eines Luxus-GT.

- VON TIMO VÖLKER

Welch netter Zufall, dass BMW vor genau 30 Jahren mit dem 850i die 8er-Serie vom Stapel ließ. Das Modell lässt sich nun (mit Bedingunge­n) als historisch klassifizi­eren, ringt aber um Anerkennun­g in der Szene. Wie es auch zu seiner Zeit, nach der ersten Aufregung, nicht den Furor auf dem Markt entfachte, den BMW gern gesehen hätte.

Der Baureihe folgte nach einer mehrjährig­en Nachdenkpa­use eine schon weniger couragiert­e Fortsetzun­g mit dem 6er (ab 2003), der bis zum Vorjahr den vornehmen Posten als großes Coupe´ des Hauses bekleidete. Was diesem Plattform-Verwandten des 5ers wiederum fehlte, erkennt man nun in aller Klarheit am neuen 8er.

Einiges ist geschehen seither, Klappschei­nwerfer etwa sind passe,´ und die 300 PS des damaligen Fünfliter-V12 übertrifft schon die Dieselvari­ante des neuen 8ers spielend, mit halb so vielen Zylindern.

Vor allem aber versteht sich die neue, weitgehend eigenständ­ige Baureihe darin, das Gipfelerle­bnis einer Marke zu feiern – stilistisc­h und atmosphäri­sch, technisch sowieso. Auch deshalb darf sie wieder rechtschaf­fen die 8 tragen, reserviert für irgendwie Herausrage­ndes (Z8, i8). Der gläserne Automatikw­ählhebel mit holografie­rter Ziffer erlaubt sich den Hinweis.

Zwölfzylin­der wird es ebenso wenig geben wie Plug-in-Hokuspokus, beides würde nicht der sportliche­n Gesinnung des lang gestreckte­n Zweitürers entspreche­n. Stattdesse­n: ein wesentlich überarbeit­eter V8 als erstklassi­ge Besetzung. Damit kratzt man ohnehin schon an der Zweitonnen­marke. Für einen Luxus-GT dieser Statur geht das in Ordnung, in der Wahrnehmun­g am Steuer dominiert der Eindruck von Leichtfüßi­gkeit. Das liegt am Antrieb ebenso wie am aufwendige­n Fahrwerk, das sich kein wahrnehmba­res Wanken, Nicken oder Rollen erlaubt. Während es für weiterreic­hende dynamische Gelüste eine Heckantrie­bsvariante geben wird, ist Allradantr­ieb schon das richtige, fast unverzicht­bare Instrument, um die Vehemenz des Motors zu erden und sich auch auf halb verschneit­er, halb vereister Bergstraße noch sportlich betätigen zu können. Je nach Fahrsituat­ion wandert das Antriebsmo­ment ohnehin zu 100 Prozent zur Hinterachs­e. Die lenkt auch mit, was das Rangieren ebenso erleichter­t wie schnelle Lastwechse­l, die der 8er völlig unbeeindru­ckt und ohne Traktionsn­otstand hinnimmt. Gab es als (heute museales) HightechGa­dget übrigens schon für den alten 8er in den 1990ern.

Dass man bei allen Elektrifiz­ierungsfan­tasien noch Motoren zu bauen in der Lage ist, die aus dem Vollen schöpfen und das auch lustvoll kundtun, wäre mit dem 4,4-Liter-Achtzylind­er, der seine beiden Turbolader im „heißen V“zwischen den Zylinderbä­nken ver- staut hat, eindrucksv­oll unter Beweis gestellt.

530 PS (und 750 Newtonmete­r) sind dabei gar nicht die aktuelle Benchmark, wie sie der M5 beanspruch­t, aber die Kultiviert­heit, mit der Motorgewal­t dargeboten wird, sucht ihresgleic­hen. Soll jener vorzugswei­se in Trainingsa­nzügen gewandete Teil der Markenfreu­nde

L/B/H: 4851/1902/1346 mm. Radstand: 2822 mm. Leergewich­t (EU): 1965 kg. Kofferraum­volumen: 420 Liter.

V8-Zylinder-Otto-Biturbo, 4395 cm3. Leistung max.: 390 kW (530 PS) bei 5500–6000/min. Drehmoment max.: 750 Nm bei 1800–4600/min. 0–100 km/h in 3,7 sec. Vmax: 250 km/h. Allradantr­ieb. Achtgangau­tomatik (Wandler). Testverbra­uch: 12,3 Liter/100 km.

ab 145.950 Euro. hooliganes­k durch die Gassen böllern – billige Krawalleff­ekte bleiben einem im 8er erspart. Von der Klangnote: feinster V8, der beim Kaltstart keinen aus den Federn hebt und auch im Sportmodus manierlich klingt, soweit das ein Hochleistu­ngsmotor im vollen Galopp kann oder soll. Ob freiwillig oder der neuen Lärmschutz­richtlinie, die den mit Auspuffkla­ppenschmäh adressiert, geschuldet – egal. Der 8er ist die unpeinlich­ste erwachsene Art, einen maßlos motorisier­ten BMW zu fahren.

Das ist ein Vergnügen, das schon beim Herannahen ans geparkte Auto auf Drehzahl kommt. Mit dem Design trifft BMW endlich wieder den Punkt. Das Dach darf so fliehen, weil eh niemand hinten sitzen wird. Es ist lohnend, die Details der Karosserie zu studieren, man erkennt Technik und Funktion dahinter und freut sich über Liebesgabe­n wie die Doppelwölb­ung des Dachs, das man auch in Karbonausf­ührung (zur Absenkung des Schwerpunk­ts, vor allem aber, weil es mit 2500 Euro nicht ins Gewicht fällt) ordern kann. Der Innenraum in Manufaktur­anmutung inszeniert ein Selbstvers­tändnis, bei dem alle denkbaren Accessoire­s zur Hand sind, ohne sich in den Vordergrun­d zu spielen. Man darf wieder Auto fahren, intensiv, als lohnende Hauptbesch­äftigung. Ein Statement zur rechten Zeit.

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