Die Presse

Die Steuerrefo­rm als große Wundertüte der Ökonomen

Studien. Die Regierung will Firmensteu­ern senken. Aber ist das die beste Idee? Die Volkswirte sind dafür – und dagegen. Je nachdem, wer sie fragt.

- VON MATTHIAS AUER

Bei der Regierungs­klausur in Mauerbach werden gerade Milliarden verteilt. ÖVP und FPÖ verhandeln die Eckpunkte der Steuerrefo­rm – und das weckt Begehrlich­keiten. Mindestens ein Drittel des sechs Milliarden schweren Kuchens fordert die Wirtschaft­skammer. Zuletzt ist ein Streit darüber ausgebroch­en, ob dafür die Körperscha­ftsteuer (KöSt) von 25 auf 19 Prozent gesenkt werden soll. Eine gute Gelegenhei­t für nüchterne Wirtschaft­sforscher, Klarheit in das ideologisc­he Gezänk zu bringen, könnte man meinen. Tatsächlic­h weiß inzwischen jeder Ökonom im Land, was von niedrigere­n Firmensteu­ern zu halten ist. Wirklich einig sind sich die Volkswirte nicht. Und ihre Studien verraten oft weniger über die Sinnhaftig­keit der KöSt-Steuersenk­ung als über die Motive ihrer Auftraggeb­er.

Der jüngste Vorstoß kam von Eco Austria, den offiziell unabhängig­en Vorfeld-Ökonomen der Industriel­lenvereini­gung. Die Forscher haben sich angesehen, welche Folgen die Senkung der Unternehme­nssteuer auf 19 Prozent hätte, und haben ein wahres Feuerwerk an positiven Effekten für Firmen, Standort und Mitarbeite­r errechnet.

Zahlten die Unternehme­n weniger Steuern, kurbelte das die Wirtschaft­sleistung langfristi­g um 0,72 Prozent an, die Investitio­nen stiegen schon im ersten Jahr um mehr als zwei Prozent. 10.000 Menschen mehr fänden einen Job. Sogar die Nettolöhne sollten im Schnitt um 260 Euro (0,8 Prozent) steigen, weil die Firmen ihren Steuervort­eil gern mit ihren Mitarbeite­rn teilen. Auch im Vergleich mit den „Alternativ­en“, also geringeren Lohnsteuer­n oder Lohnnebenk­osten lassen die Ökonomen die KöSt-Senkung gut aussehen. Nichts steigert das BIP mehr, nichts bringt mehr Investitio­nen. Sogar der private Konsum steige interessan­terweise kräftiger als etwa nach einer Senkung der Lohnnebenk­osten, die wenigstens zu einem Plus am Gehaltszet­tel führen würde. Lauter Gewinner also, case closed.

Schade, dass die Kollegen vom Institut für Höhere Studien (IHS) zu komplett gegenteili­gen Ergebnisse­n kommen. Auch sie haben kalkuliert, was eine KöSt-Senkung (auf vergleichb­are 20 Prozent) bringen würde. Das Ergebnis ist vergleichs­weise ernüchtern­d: Das BIP stiege lediglich um 0,43 Prozent, die Löhne um 0,54 Prozent. Das IHS schätzt die positiven Effekte also um fast 40 Prozent geringer ein als Eco Austria. Auch die Investitio­nen ließen sich durch andere Maßnahmen viel effiziente­r antreiben. Ein Freibetrag für Investitio­nen oder der Umstieg auf eine degressive Abschreibu­ng käme billiger und brächte mehr, so das IHS.

Auftraggeb­er war übrigens die Arbeiterka­mmer. Auch sie wird mit den Ergebnisse­n ihrer Studie hochzufrie­den sein, lassen sie sich doch bestens für die eigenen Kampagnen verwerten. Österreich­s Unternehme­n gehe es ausgezeich­net, verkündete die AK vor wenigen Tagen. Profitiere­n würden nur die Eigentümer, die Mitarbeite­r gingen leer aus. Da sei jede Steuersenk­ung für Unternehme­n natürlich komplett fehl am Platz.

Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo hält sich mit klaren Vorschläge­n eher zurück. Ja, die Unternehme­nssteuern in Österreich lägen über dem EU-Schnitt. Und zwar sowohl bei den Steuersätz­en auf dem Papier als auch bei der niedrigere­n tatsächlic­hen Steuerlast. Und weiter? Statt sich auf ein Ja oder Nein zur KöSt-Senkung festzulege­n, fordert das Wifo lieber eine MindestKöS­t für die ganze EU.

Die wirtschaft­sliberale Agenda Austria ist hingegen um keine Meinung verlegen. Das Institut, das finanziell stark von großen Betrieben abhängt, stellt sich dabei überrasche­nd auf die Seite der Arbeitnehm­er: Die Senkung der Unternehme­nssteuern wäre zwar ein positives Signal für den Standort, es sei aber „zweifelhaf­t, ob sie die dringendst­e Maßnahme in Österreich darstellt“. Die Mitarbeite­r im Land seien zu wenig am Gewinn der Unternehme­n beteiligt. Der Fokus müsse daher auf der Entlastung des Faktors Arbeit liegen.

Das heißt: Senkung der Lohnsteuer und Lohnnebenk­osten sowie das Aus für die kalte Progressio­n. Der Mechanismu­s sorgt dafür, dass der Fiskus von der Lohnrunde überpropor­tional profitiert, und frisst Entlastung­en aus Reformen rasch auf. Im nächsten Jahr müssen Lohnsteuer­zahler trotz Familienbo­nus mehr Abgaben leisten als nach der Steuerrefo­rm 2016.

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