Die Steuerreform als große Wundertüte der Ökonomen
Studien. Die Regierung will Firmensteuern senken. Aber ist das die beste Idee? Die Volkswirte sind dafür – und dagegen. Je nachdem, wer sie fragt.
Bei der Regierungsklausur in Mauerbach werden gerade Milliarden verteilt. ÖVP und FPÖ verhandeln die Eckpunkte der Steuerreform – und das weckt Begehrlichkeiten. Mindestens ein Drittel des sechs Milliarden schweren Kuchens fordert die Wirtschaftskammer. Zuletzt ist ein Streit darüber ausgebrochen, ob dafür die Körperschaftsteuer (KöSt) von 25 auf 19 Prozent gesenkt werden soll. Eine gute Gelegenheit für nüchterne Wirtschaftsforscher, Klarheit in das ideologische Gezänk zu bringen, könnte man meinen. Tatsächlich weiß inzwischen jeder Ökonom im Land, was von niedrigeren Firmensteuern zu halten ist. Wirklich einig sind sich die Volkswirte nicht. Und ihre Studien verraten oft weniger über die Sinnhaftigkeit der KöSt-Steuersenkung als über die Motive ihrer Auftraggeber.
Der jüngste Vorstoß kam von Eco Austria, den offiziell unabhängigen Vorfeld-Ökonomen der Industriellenvereinigung. Die Forscher haben sich angesehen, welche Folgen die Senkung der Unternehmenssteuer auf 19 Prozent hätte, und haben ein wahres Feuerwerk an positiven Effekten für Firmen, Standort und Mitarbeiter errechnet.
Zahlten die Unternehmen weniger Steuern, kurbelte das die Wirtschaftsleistung langfristig um 0,72 Prozent an, die Investitionen stiegen schon im ersten Jahr um mehr als zwei Prozent. 10.000 Menschen mehr fänden einen Job. Sogar die Nettolöhne sollten im Schnitt um 260 Euro (0,8 Prozent) steigen, weil die Firmen ihren Steuervorteil gern mit ihren Mitarbeitern teilen. Auch im Vergleich mit den „Alternativen“, also geringeren Lohnsteuern oder Lohnnebenkosten lassen die Ökonomen die KöSt-Senkung gut aussehen. Nichts steigert das BIP mehr, nichts bringt mehr Investitionen. Sogar der private Konsum steige interessanterweise kräftiger als etwa nach einer Senkung der Lohnnebenkosten, die wenigstens zu einem Plus am Gehaltszettel führen würde. Lauter Gewinner also, case closed.
Schade, dass die Kollegen vom Institut für Höhere Studien (IHS) zu komplett gegenteiligen Ergebnissen kommen. Auch sie haben kalkuliert, was eine KöSt-Senkung (auf vergleichbare 20 Prozent) bringen würde. Das Ergebnis ist vergleichsweise ernüchternd: Das BIP stiege lediglich um 0,43 Prozent, die Löhne um 0,54 Prozent. Das IHS schätzt die positiven Effekte also um fast 40 Prozent geringer ein als Eco Austria. Auch die Investitionen ließen sich durch andere Maßnahmen viel effizienter antreiben. Ein Freibetrag für Investitionen oder der Umstieg auf eine degressive Abschreibung käme billiger und brächte mehr, so das IHS.
Auftraggeber war übrigens die Arbeiterkammer. Auch sie wird mit den Ergebnissen ihrer Studie hochzufrieden sein, lassen sie sich doch bestens für die eigenen Kampagnen verwerten. Österreichs Unternehmen gehe es ausgezeichnet, verkündete die AK vor wenigen Tagen. Profitieren würden nur die Eigentümer, die Mitarbeiter gingen leer aus. Da sei jede Steuersenkung für Unternehmen natürlich komplett fehl am Platz.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hält sich mit klaren Vorschlägen eher zurück. Ja, die Unternehmenssteuern in Österreich lägen über dem EU-Schnitt. Und zwar sowohl bei den Steuersätzen auf dem Papier als auch bei der niedrigeren tatsächlichen Steuerlast. Und weiter? Statt sich auf ein Ja oder Nein zur KöSt-Senkung festzulegen, fordert das Wifo lieber eine MindestKöSt für die ganze EU.
Die wirtschaftsliberale Agenda Austria ist hingegen um keine Meinung verlegen. Das Institut, das finanziell stark von großen Betrieben abhängt, stellt sich dabei überraschend auf die Seite der Arbeitnehmer: Die Senkung der Unternehmenssteuern wäre zwar ein positives Signal für den Standort, es sei aber „zweifelhaft, ob sie die dringendste Maßnahme in Österreich darstellt“. Die Mitarbeiter im Land seien zu wenig am Gewinn der Unternehmen beteiligt. Der Fokus müsse daher auf der Entlastung des Faktors Arbeit liegen.
Das heißt: Senkung der Lohnsteuer und Lohnnebenkosten sowie das Aus für die kalte Progression. Der Mechanismus sorgt dafür, dass der Fiskus von der Lohnrunde überproportional profitiert, und frisst Entlastungen aus Reformen rasch auf. Im nächsten Jahr müssen Lohnsteuerzahler trotz Familienbonus mehr Abgaben leisten als nach der Steuerreform 2016.