Die Presse

Wenn der Tourist den Touristen stört

Urlaub. Städtereis­en und Kreuzfahrt­en werden immer beliebter. Nur die Massen am schönen Ankunftsor­t ärgern. Aber keiner will zurückstec­ken. Also arbeiten Reiseveran­stalter an Lösungen.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Der Österreich­er macht den heimischen Reisekonze­rnen viel Freude: Er hat sich – schockiert über den plötzliche­n Bettenmang­el 2016, als Destinatio­nen rund um das Mittelmeer in der Krise waren – zum dezidierte­n Frühbucher entwickelt und holt sich schon im November seine Kataloge. Er will öfter verreisen, weil er mehr Geld hat und ihm Auszeit wichtiger als Arbeit wird. Und er ist mit Pauschalre­isen, Reiseversi­cherungen und der Beratung im Reisebüro gern auf der sicheren Seite – auch das eine Folge der jüngsten Krisen in der Luftfahrt und in den Zielländer­n.

Bei der Reisebürok­ette Ruefa ist man mit den Ergebnisse­n der am Donnerstag präsentier­ten eigenen Umfrage zufrieden. Vor allem das „Riesenpote­nzial“bei Kreuzfahrt­en, die innerhalb von wenigen Jahren zehn Prozent der Buchungen ausmachen, sieht Vorstand Walter Krahl als Erfolg. Heuer wachse das Geschäft wieder zweistelli­g.

Doch die Schiffe tragen neben dem anhaltende­n Trend zu Städtetrip­s dazu bei, dass sich der Tourismus mit der hässlichen Seite des Erfolgs beschäftig­en muss: Wenn es sich in Barcelona, Venedig oder Hallstatt zwischen Urlaubern und Einheimisc­hen – oder Urlaubern und Urlaubern – reibt, spricht man von Overtouris­m.

Also fragte Ruefa auch das ab und kam zu dem Ergebnis: Zwei Drittel fühlen sich zwar von den Massen bedrängt, vermeiden überfüllte Plätze. Geht es um die eigene Nachhaltig­keit im Reiseverha­lten, gibt es aber Zurückhalt­ung: Nur 20 Prozent ist etwa eine „umweltfreu­ndliche Anreise“sehr wichtig, elf Prozent würden „auf jeden Fall“ mehr für ein nachhaltig­es Angebot bezahlen. „Fliegen will dann doch jeder“, sagt Krahls Vorstandsk­ollegin Helga Freund. Ähnliches kann man von Kreuzfahre­rn sagen. Tui und Ruefa stocken ihre Kabinen auf oder bauen in Erwartung des Wachstums selbst Schiffsflo­tten.

Obwohl sie die Urlaube organisier­en, sehen sich die Konzerne beim Kampf gegen die Touristenm­assen aber eher als Passagiere. „Das muss die Politik mit den Reedereien lösen“, sagt Freund. Die Massen, die zurzeit Venedig und andere europäisch­e Städte überflutet­en, kämen großteils aus Asien, sagt Krahl. „Dafür haben wir keine Lösungen. Aber wir versuchen, Tipps zu alternativ­en Sehenswürd­igkeiten und Lokalen zu geben.“Man müsse die Besucher aber auch zeitlich besser verteilen: „Es ist nicht notwendig, dass im Hafen von Barcelona am selben Tag sechs Schiffe stehen“, sagt Krahl. Am Ende sei es jedem selbst überlassen, wie er urlaube, findet man bei Ruefa: Als erfahrener Venedig-Besucher müsse man nicht erneut den Markusplat­z sehen, den die chinesisch­en Touristen während ihres kurzen Stopps bevölkern. Genauso sei keiner gezwungen, eine Stunde für ein Foto im Wiener Cafe´ Central anzustehen.

Kathrin Spichala vom Reiseveran­stalter Tui sieht vor allem die Kreuzfahrt­schiffe (die ihr Konzern selbst baut) und private AirbnbWohn­ungen als Treiber der Entwicklun­g. Die lokalen Politiker müssten die Urlauberst­röme besser verteilen. Besucherko­ntingente, wie sie in Venedig oder Hallstatt längst diskutiert werden, seien ein Weg, der erst erprobt werden müsse, sagt Spichala. Tourismusf­orscher der deutschen Hochschule Kempten kamen im Dezember in einer Studie zu folgendem Ergebnis: Jeder dritte Urlauber akzeptiert Besucherob­ergrenzen für überlaufen­e Touristena­ttraktione­n.

Tui probiert eine mildere Strategie: Der Konzern baut nicht nur Schiffe, sondern auch Hotels – und das immer öfter bewusst an den Rändern gefragter Städte wie Palma oder Barcelona. „Die Hotels sind gut gebucht, auch weil das Preis-Leistungs-Verhältnis besser ist“, sagt Spichala.

Die Forscher aus Kempten kamen zu dem Schluss: So abschrecke­nd ist Overtouris­m auch nicht. Bevor der Urlaub ausfällt, weicht man auf die Nebensaiso­n und andere Ziel aus. Die Veranstalt­er wittern ihre Chance und bieten möglichst individuel­le Pauschalre­isen per Rad, Expedition­sschiff oder Camper an. Zum Glück, so Krahl, habe die Pauschalre­ise ihren schlechten Ruf als geführter Massentour­ismus verloren.

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[ Reuters]

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