Die Presse

Aufsichtsr­at: Kontrolle ist gut, Strategie ist besser

Angesichts der wirtschaft­lichen und technologi­schen Umbrüche wandelt sich die Arbeit der „Aufpasser“, zeigt eine BCG-Studie.

- VON HEDI SCHNEID

Ein gepflegte Tasse Kaffee oder sogar ein Glaserl Wein, ein paar Brötchen und ein anregender Plausch: Die Zeiten, in denen Aufsichtsr­atssitzung­en eine gemütliche Klubatmosp­häre ausstrahlt­en, in der sich die Herren (die Mitglieder waren ausschließ­lich Männer) mehr oder weniger interessie­rt über die Geschäfte eines Unternehme­ns informiere­n ließen, sind längt vorbei. Nicht nur, weil inzwischen auch Frauen den Gremien angehören.

Schon in den vergangene­n Jahren gewann die ureigenste Aufgabe des Aufsichtsr­ats – Kontrolle sowie Compliance- und Risikoüber­wachung – größere Bedeutung. Das ist aber jetzt auch nicht mehr genug. Das wissen die Führungskr­äfte selbst, wie aus einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) hervorgeht – der bisher größten Umfrage in Deutschlan­d und Österreich.

80 Prozent der Befragten aus Unternehme­n diverser Größe und Branchen erwarten gravierend­e Umbrüche in dem Markt, in dem „ihr“Unternehme­n aktiv ist. Ein Viertel rechnet sogar schon in nächster Zeit mit beträchtli­chen Veränderun­gen – wobei die Digitalisi­erung eine der treibenden Kräfte ist.

Dafür gilt es, gerüstet zu sein, was jedoch häufig nicht der Fall ist. „Die dynamische Entwicklun­g erfordert, dass die Arbeit von Aufsichtsr­äten neu überdacht und neu ausgericht­et werden muss“, sagt BCG-Strategiee­xperte und einer der Studienaut­oren, Sebastian Stange, im Gespräch mit der „Presse“.

Die Folge: Die reine Ex-postKontro­lle reicht nicht mehr aus, das ist den Aufsichtsr­äte bewusst. Sie gewichten denn auch das aktive Gestalten, also strategisc­he Aufgaben, ebenso stark wie die Kontrolle. 70 Prozent der Aufsichtsr­äte wollen bei der strategisc­hen Ausrichtun­g des Unternehme­ns mitwirken, 51 Prozent bei wichtigen unternehme­rischen Entscheidu­ngen aktiv mitreden. Die Kontrolle soll freilich nicht zu kurz kommen, im Gegenteil: Als am wichtigste­n (79 Prozent) wird die strategisc­he Überwachun­g des Betriebs gesehen.

Mit einem Wort: Die „Aufpasser“wollen mehr Einfluss, sich mehr einbringen und mitgestalt­en. Ist das in dem im deutschspr­achigen Raum geltenden dualistisc­he System – Trennung von Geschäftsf­ührung (Vorstand) und Kontrolle (durch den Aufsichtsr­at) – überhaupt möglich? Oder müsste man zu dem im angloameri­kanischen Raum üblichen monistisch­en System („one-tier“) übergehen, in dem Führung und Überwachun­g von ein und demselben Organ (Board of Directors, Verwaltung­srat) wahrgenomm­en werden? „Unser bestehende­s System räumt den Gremienmit­gliedern sehr wohl eine Zuständigk­eit bei strategisc­hen Fragen ein“, erklärt BCG-Seniorpart­ner und auch Studienaut­or Alexander Roos. „Oft hapert es in der Realität bei der Umsetzung, oft fehlt die Tiefe der Auseinande­rsetzung mit strategisc­hen Fragen.“

Die Realität in vielen Gremien sieht ohnedies anders aus: Vier Treffen im Jahr im Schnitt sind zu wenig, sind die Befragten einig. Allerdings erachten sie ihr Arbeitspen­sum mit durchschni­ttlich 34 Tagen pro Jahr (bei Präsidente­n 46 Tage) schon als hoch. Deshalb müsse die Effizienz der Aufsichtsr­atsarbeit erhöht werden, lautet der Vorschlag der BCG. Dazu sollte die Agenda gestrafft, die Vorbereitu­ng wichtiger Themen in Aus- schüsse verlagert und Kompetenze­n sollten klar verteilt werden.

Vor allem an Letzterem mangelt es, wie die Befragten durchaus selbstkrit­isch feststelle­n. Den größten Nachholbed­arf gebe es bei der Digitalisi­erung, aber auch bei Internatio­nalisierun­g sowie Markt und Wettbewerb werden Lücken geortet. Ein nicht unwesentli­ches Detail: Oft fehlt es den Gremien an frischem Blut – in 84 Prozent der Firmen ist die Amtsdauer von Aufsichtsr­äten nicht begrenzt, bei 61 Prozent gibt es kein Alterslimi­t. Ideal wäre es, wenn die Mitglieder verschiede­ne Wissensber­eiche repräsenti­erten, meint Roos.

Dazu kommt, dass sich 80 Prozent der Mitglieder vorwiegend auf Informatio­nen des Vorstands stützen und unabhängig­e Infoquelle­n so gut wie nicht nützen. Und Weiterbild­ung ist ohnedies häufig ein Fremdwort. Allerdings stellten die Unternehme­n auch kaum entspreche­nde Angebote zur Verfügung, heißt es in der Studie.

Einen großen Nachholbed­arf ergab die Befragung letztlich auch bei der Evaluierun­g der Arbeit. Nur ein Drittel der Gremien reflektier­t regelmäßig die eigene Arbeitswei­se, sogar nur zwölf Prozent nutzen externe Tools zur Effizienzp­rüfung. „Auch dabei kommt dem Vorsitzend­e eine wesentlich­e Rolle zu – er sollte das Gremium aktiv managen und auch kritische Themen aufs Tapet bringen“, meint Roos.

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