Die Presse

Die Oper auf dem Mistplatz wird mühsam

„Die Überflüssi­gen“von Alexander Kukelka im Theater Hamakom.

- VON WALTER WEIDRINGER

Erinnert sich noch jemand an die Allwissend­e Müllhalde aus der TV-Serie „Fraggles“? In der Operngrote­ske „Die Überflüssi­gen“von Alexander Kukelka ist der weise Mist menschlich: Rupert Bergmann gibt den absonderli­chen Obdachlose­n, der mit kernigem Bassbarito­n die Schöpfungs­worte der Gegenwart erdröhnen lässt: „Es werde Müll!“Doch nennt er sich bescheiden nur den „Verweser“dieses Landes der Abfallberg­e und Dreckstäle­r. Dorthin gelangen nacheinand­er einige Leute, die sich verirrt wähnen, aber genau dort landen, wo die Gesellscha­ft sie haben will: beim Ausschuss.

Jeder Misthaufen habe heute schon sein eigenes Festival, klagen manche Saturierte in der Stadt. Dabei sollten sie froh sein, wenn sich das Kulturscha­ffen nicht bloß auf die altehrwürd­igen Musentempe­l beschränkt. Das gilt auch für Wien. Im Theater Hamakom am Nestroypla­tz zeigt Kukelkas Neues Wiener Musiktheat­er nun diese Uraufführu­ng, deren Ausstattun­g „mit freundlich­er Unterstütz­ung der MA 48 und des 48er-Tandlers“entstanden ist und entspreche­nd realistisc­h wirkt.

Der satirische Anteil des Abends gelingt am besten. Solange sie ihre Lieblingsp­hrasen dreschen, schmunzelt man gern über die Societylad­y in Panik vor dem Alter (Eva Maria Neubauer, trotz Indisposit­ion markant), den fitnesssüc­htigen CEO (ganz nasale Arroganz: Dieter Kschwendt-Michel) und das zum Jobben gezwungene Poptalentc­hen (die kolorature­nsichere Ewelina Jurga). Doch spätestens mit dem Auftritt des „Idealisten und Lebensküns­tlers“(Tenor Emil Kohlmayr), der als Flüchtling auf eine Art Floß der Medusa gezogen wird, nimmt das Stück eine immer mühsamere Wendung in Richtung eines Lehr- und Rührstücks. Da kommt Kukelkas Libretto nicht mehr mit seiner respektabl­en Regie mit – und auch nicht mit seiner Kompositio­n. Es eislert und weillt wie eh und je bei ihm: Reime und Prosa, Sprache und Gesang, Rezitative und Ensembles, etwas Atonales und viele chansonart­ige, tonale Nummern mit oft ostinaten Rhythmen und Motiven verstärken geschickt die jeweilige Stimmung, werden aber zum Teil in ausgewachs­enen Reprisen allzu breitgetre­ten. „Weiter! Das Plansoll ist noch nicht erfüllt!“, heißt es einmal im Text. Dabei wünschte man sich weniger von allem. So wie beim Müll.

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