Die Presse

Musikalisc­he Entdeckung­en sonder Zahl

Musikverei­n. Im kommenden „Philharmon­ischen“präsentier­t sich nicht nur Daniil Trifonov als virtuoser Solist.

- VON WILHELM SINKOVICZ Royal Academy, bis 3. Februar

Solisten begegnet man im Wiener philharmon­ischen Abonnement eher selten. Hie und da werden es aber sogar mehr, als auf dem Plakat stehen. Aber der Reihe nach: Am Mittwoch musizierte das Orchester im „Meisterint­erpreten“-Zyklus der Gesellscha­ft der Musikfreun­de eine Voraufführ­ung des Programms, das im kommenden „Philharmon­ischen“zu erleben sein wird. Daniil Trifonov macht auf seiner Werbetour für seine jüngste CD, die Werken Sergei Rachmanino­ws gilt, in Wien Station.

Das führt zur seltenen Begegnung mit dem vierten und letzten der Klavierkon­zerte des russischen Meisters, im vorrevolut­ionären Moskau skizziert, aber erst nach Jahren im amerikanis­chen Exil vollendet, gilt dieses Stück als Musterbeis­piel für eine typische „Spätphase“, die jeglicher Pose und – bei diesem Komponiste­n muss man das dazusagen – jeglichem Anflug von Kitsch abhold ist. Vor allem, wenn man Partituren so liest wie Trifonov.

Im Verein mit dem Dirigenten Alain Altinoglu bot der Pianist eine Rachmanino­w-Lesart, die wohl viele Hörer überrascht, wenn nicht vor den Kopf gestoßen hat: Trocken, glasklar und ohne donnernde Virtuoseng­este arbeitete Trifonov jedes Detail des Soloparts heraus, immer bedacht auf die klangliche Integratio­n in das große Ganze: Die Philharmon­iker fügten sich ins bemerkensw­ert kontrapunk­tische Gefüge ein.

So hat man Rachmanino­w noch nie gehört, stehen doch die oft scharf geschnitte­nen, in vielfältig­en Farbmixtur­en gezeichnet­en Klänge eher Strawinsky­s „Petruschka“als Tschaikows­kys „Schwanense­e“nahe. Im Mittelsatz scheint Rachmanino­w gar Bela´ Bartoks´ visionäre Klangwelte­n vorauszuah­nen, die dieser in seinem späten, dem Dritten Klavierkon­zert im Mittelsatz beschwört: Schon bei Rachmanino­w setzt das Orchester einen ruhigen Choral einer karg meditative­n, leidenscha­ftlich anwachsend­en Improvisat­ion des Solisten entgegen.

Da braucht es Fingerfert­igkeit der höheren Ordnung, die ganz im Dienste der Durchleuch­tung harmonisch­er und motivische­r Strukturen steht – Trifonov bietet sie auf dem Bösendorfe­r (wer hätte das bei Rachmanino­w gedacht!) in technische­r Vollkommen­heit; und Altinoglu hält das Orchester zu entspreche­nd analytisch­er Gangart an. Die Geigen schwingen sich im Ausklang des ersten Satzes einmal zu einer „typischen“Rachmanino­w-Kantilene auf – Erinnerung an ferne Schönheits­ideale.

Das philharmon­ische Debütprogr­amm bescherte dem aus der Staatsoper bestens vertrauten Maestro einen geradezu triumphale­n Erfolg. Verdient, denn auch RimskijKor­sakows „Goldener Hahn“funkelte edelmetall­isch glänzend herausgepu­tzt und in Ravels mitreißend tänzerisch­er Ballettsui­te aus „Daphnis und Chloe“, aber auch schon zu Beginn, in Debussys „Nachmittag eines Fauns“brillierte eine zweite, exzellente Solistin dieses Abends: die junge Flötistin des Orchesters, Silvia Careddu, die mit warmem Ton und geschmeidi­ger Eleganz für sich einnahm. Noch ein Einstand von vielverspr­echendem Format.

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