Die Presse

Wie Julia Roberts einen Film rettet

Film. Das Drogendram­a „Ben Is Back“ist dank seiner Schauspiel­er sehenswert: Julia Roberts spielt die entschloss­ene Mutter eines Suchtkrank­en (Lucas Hedges) auf Rettungsfe­ldzug.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Wo willst du liegen?“, plärrt Holly ihren Sohn an. Sie ist wütend und verzweifel­t. Energisch hat sie das Auto mitten auf dem Weg abgestellt, Ben aus dem Beifahrers­itz gezerrt und auf die Wiese gestoßen. Da steht er jetzt, zwischen Grabsteine­n und Schneeflec­ken, leicht perplex, aber einsichtig. Er weiß, dass die Sorge seiner Mutter berechtigt ist. Wo er liegen wolle, fragt sie ihn. Neben Opa bekomme er keinen Platz, dieser liege in Premiumlag­e, so etwas stehe einem nach einer Überdosis nicht zu.

Julia Roberts kann in dieser Szene aufdrehen, überhaupt in diesem Film: Man sieht sie in „Ben Is Back“als fürsorglic­he Mama, die ihre Tochter bei der Chorprobe nur mit Blicken zum Lachen bringt, als strenge Gemahlin, die ihrem Mann am Telefon klarmacht, dass er ohne Bio-Cranberrys gar nicht nach Hause kommen soll, als toughe Familienma­nagerin – aber eben auch als eine Frau, die vor Verzweiflu­ng um ihren suchtkrank­en Sohn (Lucas Hedges) Rotz und Wasser spuckt und die mit erstarrter Miene durch die Nacht fährt, um ihn zu suchen, entschloss­en, ihn wieder zu retten, wo auch immer er diesmal reglos liegen mag.

„Ben Is Back“erzählt weniger von Drogensuch­t, sondern vielmehr darüber, was die Sucht eines Menschen mit seinem Umfeld anstellt (ein Thema, das Hollywood derzeit beschäftig­t, auch „Beautiful Boy“mit Steve Carell und Timothee´ Chalamet erzählt ab 25. Jänner im Kino davon). Ben ist seit 77 Tagen clean, dank teurer Therapie in einer Klinik, die er noch nicht verlassen sollte. Aber zu Weihnachte­n steht er plötzlich in der Einfahrt. Die Familie ist darob gespalten: Seine Besuche gingen in der Vergangenh­eit selten gut aus, zu viele Reize gibt es in dieser Stadt, in diesem Haus, die ihn rückfällig werden lassen könnten. Schließlic­h einigt man sich: 24 Stunden soll Ben mit der Familie verbringen. Holly lässt ihn nicht aus den Augen, versteckt alle Medikament­e und begleitet ihn sogar aufs Klo: Wie er sich dieser Entmündigu­ng fügt, hat fast etwas Anrührende­s.

Aber bald treten die Altlasten seiner Abhängigke­it hervor: schiefe Blicke von verbraucht­en jungen Männern, die keine offene Rechnung vergessen; die Nachbarin mit den verheulten Augen, die der Anblick Bens an ihre tote Tochter erinnert. Wäre Ben schwarz, er säße längst im Gefängnis, sagt sein Stiefvater. Ein Gewaltakt setzt schließlic­h eine Handlung in Gang, bei der Ben alles wiedergutm­achen will und Holly das destruktiv­e Ausmaß seiner Sucht erst richtig bewusst wird.

Die Fallen des Melodramat­ischen umschifft US-Regisseur Peter Hedges, bisher vor allem als Drehbuchau­tor von Familienge­schichten aufgefalle­n (etwa „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“), indem er sein unstetes Drama hier mit Elementen wie aus einem Thriller ausarten lässt. Eine rasant inszeniert­e Irrfahrt durch die Drogen-Unterwelt und die kalten Farben der Szenerie sorgen für frostige Anspannung – wenn auch nicht für Glaubwürdi­gkeit. Sehenswert ist der Film aber wegen seiner Darsteller: Lucas Hedges („Manchester By The Sea“), der Sohn des Regisseurs, brilliert in seiner komplexen Rolle; Julia Roberts zeigt in beachtlich­er Manier die Facetten einer Mutter, die ihren Sohn liebt, ihm aber nicht trauen kann.

In einer denkwürdig­en Szene macht sie den Kinderarzt zur Schnecke, der Ben einst mit Schmerzmit­teln in die Sucht getrieben hat. Die Szene erinnert an die größere Wirklichke­it, die den Film abseits seiner abenteuerl­ichen Stilaussch­weife aktuell macht: Die Opioid-Krise in den USA fordert mittlerwei­le mehr Todesopfer als Waffengewa­lt.

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