Trump, der weltpolitische Bilderstürmer
Der US-Präsident hat die ständige Erschütterung des Gewohnten zu einem Markenzeichen auch seiner Außenpolitik gemacht. Gelitten haben darunter internationale Institutionen und auch das Vertrauen der Verbündeten.
Auch zu Beginn des neuen Jahres wie bereits Ende 2018 sorgt Donald Trump weltweit für die Schlagzeilen. Zuletzt stand er wegen der Freund und Feind überraschenden Ankündigung des Truppenrückzugs aus Syrien und Afghanistan in der Kritik (was zum Rücktritt seines angesehenen Verteidigungsministers James Mattis führte). Und seit Wochen sind die US-Regierungsgeschäfte wegen Trumps Streit mit den Demokraten über die Finanzierung einer Grenzmauer zu Mexiko teilweise lahmgelegt.
Mit der Übernahme der Mehrheit im Repräsentantenhaus durch die Demokraten wird heuer die Kritik an Trumps Außenpolitik noch zunehmen. Unterstützer der Regierung reagieren auf die Kritik gelassen. Außenpolitische Experten, Diplomaten und Verbündete sind entsetzt über Trumps ikonoklastischen Stil, aber Trumps Basis hat für einen Wandel gestimmt und begrüßt die permanente Erschütterung des Gewohnten.
Einige Experten argumentieren zudem, dass solche Erschütterungen gerechtfertigt seien, wenn sich die Folgen für die amerikanischen Interessen als vorteilhaft erweisen: etwa ein wohlmeinenderes Regime im Iran, die Entnuklearisierung Nordkoreas, eine Änderung der chinesischen Wirtschaftspolitik oder eine ausgewogenere internationale Handelsordnung.
Natürlich ist die Beurteilung der langfristigen Folgen von Trumps Außenpolitik zum jetzigen Zeitpunkt wie die Vorhersage des Ausgangs eines Fußballspiels in der Halbzeit. Der Stanford-Historiker Niall Ferguson behauptet, es sei „der entscheidende Faktor der Präsidentschaft Trumps, dass sie wahrscheinlich die letzte Gelegenheit für Amerika ist, den Aufstieg Chinas zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Und obwohl es intellektuell vielleicht nicht besonders befriedigend ist, könnte Trumps Herangehensweise an das Problem, die darin besteht, die Macht der USA auf unvorhersehbare und ruppige Weise zu behaupten, tatsächlich die einzige Möglichkeit sein, die noch bleibt.“
Trumps Kritikern zufolge müssen Erfolge seiner Bilderstürmerei, sofern es diese geben sollte, als Teil einer Bilanz bewertet werden, die sowohl die Kosten als auch den Nutzen berücksichtigt. Sie argumentieren, dass letztlich der Preis im Hinblick auf den Schaden, den internationale Institutionen und das Vertrauen der Verbündeten durch Trumps Politik nehmen, zu hoch sein werde.
Im Wettbewerb mit China etwa haben die USA Dutzende von Verbündeten und kaum Konflikte mit Nachbarn, während China kaum Verbündete und eine Reihe von territorialen Streitigkeiten hat. Darüber hinaus können Regeln und Institutionen zwar einschränkend sein, aber die USA waren maßgeblich an ihrer Formulierung und Gestaltung beteiligt und profitieren in erheblichem Maße davon.
Diese Debatte wirft umfassendere Fragen nach der Relevanz des persönlichen Stils für die Beurteilung der Außenpolitik eines Präsidenten auf. Im August 2016 behaupteten 50 überwiegend republikanische frühere nationale Sicherheitsbeamte, dass Trump aufgrund seines persönlichen Temperaments ungeeignet für das Amt des Präsi- denten sei. Die meisten Unterzeichner blieben in der späteren Regierung unberücksichtigt – aber hatten sie Recht?
Als Regierungschef mag Trump clever sein oder auch nicht, aber auf der Skala der emotionalen und kontextuellen Intelligenz, die Franklin D. Roosevelt oder George H. W. Bush zu erfolgreichen Präsidenten machten, schneidet er mit seinem Temperament schlecht ab. Tony Schwartz, der Trumps Buch „The Art of the Deal“mitgeschrieben hat, stellt fest: „Trumps Selbstwertgefühl ist ständig bedroht. Wenn er sich gekränkt fühlt, reagiert er impulsiv und defensiv und konstruiert eine selbstrechtfertigende Geschichte, die nicht unbedingt auf Fakten beruht und die Schuld immer anderen zuweist.“
Schwartz führt dies auf Trumps Selbstschutzmaßnahmen vor einem dominanten Vater zurück, der „unerbittlich fordernd, schwierig und getrieben war [. . .]. Entweder man herrschte, oder man unterwarf sich.“Und: „Fakten sind, was immer Trump an einem bestimmten Tag dafür hält.“
Unabhängig davon, ob Schwartz in Bezug auf die Ursachen richtig liegt oder nicht, schei- nen Trumps Ego und seine emotionalen Bedürfnisse oft seine Beziehungen zu anderen Staats- und Regierungschefs und seine Interpretation der Weltgeschehnisse zu beeinflussen. Das Image der Härte ist wichtiger als die Wahrheit.
Der Journalist Bob Woodward berichtet, dass Trump einem Freund, der schlechtes Benehmen gegenüber Frauen eingeräumt hat, gesagt habe, dass „wahre Macht Angst ist. Du musst leugnen, leug-
(* 1937 in South Orange, New Jersey) ist Professor für Politikwissenschaft an der Harvard University. Er war Vorsitzender des National Intelligence Council (1993 bis 1994) und stellvertretender US-Verteidigungsminister (1994–1995). Er gilt als außenpolitischer Vordenker und prägte das Konzept der „weichen/harten Macht“. In Kürze erscheint sein Buch „Do Morals Matter? Presidents and Foreign Policy from FDR to Trump“. nen, leugnen und Druck gegen diese Frauen aufbauen. Wenn du auch nur irgendetwas eingestehst, bist du tot.“Trumps Temperament schränkt seine kontextuelle Intelligenz ein. Es fehlt ihm an Erfahrung, und er hat wenig getan, um seine Wissenslücken zu schließen. Er wird von Beobachtern als Nichtleser beschrieben; er besteht darauf, dass Briefings sehr kurz sind, und seine wichtigste Informationsquelle sind Nachrichtensender.
Sollte Trumps ikonoklastischer Stil nur ein Bruch mit der traditionellen Etikette eines Präsidenten sein, könnte man behaupten, dass seine Kritiker zu anspruchsvoll sind oder einer altmodischen Auffassung von Diplomatie anhängen.
Doch Grobheit kann Folgen haben. Während er auf Veränderung drängt, hat er Institutionen und Bündnisse destabilisiert und nur widerwillig ihre Bedeutung eingestanden. Trumps Rhetorik hat die Demokratie und die Menschenrechte heruntergespielt, wie seine schwache Reaktion auf den Mord an dem saudischen Journalisten und Regimekritiker Jamal Khashoggi gezeigt hat.
Trumps Verhalten gegenüber der Presse, der Justiz und Minderheiten hat die Anziehungskraft der USA geschwächt. Internationale Umfragen zeigen einen Rückgang amerikanischer Soft Power seit Trumps Amtsantritt.
Man kann über die Attraktivität von Trumps „America First“Ansatz diskutieren. Doch die Art und Weise, wie seine persönlichen emotionalen Bedürfnisse die Umsetzung seiner Ziele verzerren, sind für einen unparteiischen Analytiker unentschuldbar – siehe seine Gipfeltreffen mit Putin und Kim. Trumps Nicht-Interventionismus hat ihn vor einigen aktionistischen Sünden bewahrt. Aber man kann sich fragen, ob seine mentalen Karten und seine kontextuelle Intelligenz ausreichen, um die Risken zu verstehen, die die Machtdiffusion in diesem Jahrhundert für die USA mit sich bringt. Da die Spannungen 2019 zunehmen, ist es unvermeidlich, Trump in alle Berechnungen mit einzubeziehen.