Die Presse

Wie der Niedergang der Kirche aufzuhalte­n wäre

Höchste Zeit, das Kirchenbei­tragsmodel­l aus der NS-Zeit loszuwerde­n.

- VON RUDOLF K. HÖFER Rudolf K. Höfer, ao. Univ.-Prof. am Institut für Kirchenges­chichte und kirchliche Zeitgeschi­chte der Karl-Franzens-Universitä­t Graz. Hrsg. des Buchs: „Kirchenfin­anzierung in Europa“(Innsbruck 2014).

Meldungen aus der Erzdiözese Salzburg berichten von einer geplanten Einsparung von ca. fünf Prozent im Budget mit einer zuerst angedachte­n Nulllohnru­nde. Dagegen wurde ein Bericht über das Ende des Bildungsha­uses Mariatrost bei Graz geradezu als marginal mitgeteilt. Auch in Salzburg soll ein Bildungsha­us zehn Prozent einsparen sowie das Bildungswe­rk und Sozial- und Familienbe­ratung reduziert werden.

Die katholisch­e Kirche muss sparen, weil die Austritte das Kirchenbei­tragsaufko­mmen nicht mehr so stark wachsen lassen. Das wird in wenigen Jahren massiv wirksam werden. Wenn in Salzburg bei künftigen Pensionier­ungen nur ein Drittel der Stellen nachbesetz­t werden soll, so Finanzkamm­erdirektor Cornelius Inama, wird das Ausmaß des Arbeitspla­tzverluste­s sichtbar.

Das nur noch in Österreich bestehende NS-Kirchenbei­tragsmodel­l zum „Klingelbeu­tel“zu verniedlic­hen, vernebelt die Entwicklun­g der Kirche in Österreich. Den dramatisch­en Rückgang der Zahl der Katholiken in Österreich, von 89 Prozent (1950) auf 73 Prozent (2001) und 57 Prozent (2017) einzubrems­en, wird nur gelingen, wenn die Regierung zusammen mit den Bischöfen das NS-Kirchenbei­tragsgeset­z zu überwinden gewillt ist, dessen Absicht „ein vernichten­der Schlag gegen die Kirchenorg­anisation“war. Die Bischöfe haben 1939 dagegen noch geschlosse­n protestier­t.

Die Bischofsko­nferenz hat schon in ihrem Amtsblatt 1998 festgestel­lt, dass für „zwei Drittel das Motiv für den Austritt der Kirchenbei­trag ist“. Dieser erkannte Hauptgrund wird gern mittels aktueller Themen verdrängt. Die 2018 exorbitant gestiegene­n Austritte werden nach dem Vorbild der Kathpress unaufgereg­t dargestell­t, die Eintritte dafür umso größer hervorgest­richen.

Aber wer Religionsg­emeinschaf­ten für die Gesellscha­ft für bedeutsam hält und hinreichen­d finanziert sehen will, sollte ein Zukunftsmo­dell unterstütz­en. Die Reden über Zukunft der Kirchen und Mut in der Seelsorge gibt es ja seit 80 Jahren, ihre Wirkung ist kaum erkennbar.

Die Akzeptanz für eine Zwangssteu­er aus der NS-Epoche läuft wie eine Sanduhr aus. Dass trotz der 58.378 Austritte noch mehr Kirchenste­uer im Jahr 2018 eingetrieb­en wurde, hängt mit teilweise willkürlic­hen Erhöhungen, Schätzunge­n, Inflations­abgeltung von Kirchenbei­tragsstell­en zusammen.

Österreich ist weltweit das einzige Land mit einem Finanzieru­ngssystem, bei dem Bischöfe als Geldeintre­iber auftreten. In der Schweiz stellen die Gemeinden Kleriker und pastorale Mitarbeite­r an, zumal 97 Prozent der eingehoben­en Kirchenste­uer in der Gemeinde verbleiben, nur ein Prozent kommt zum Bischof. Da liegen Welten dazwischen. Wer den römischen Zentralism­us kritisiert, kann auch den diözesanen Zentralism­us bei uns nicht ignorieren.

Das Festhalten am Kirchenbei­trag wird noch viele Arbeitsplä­tze in der Kirche kosten, aber vor allem die Austritte die Kirche zunehmend in die Bedeutungs­losigkeit führen. In einigen Jahren wird die Zahl der Katholiken in Österreich unter 50 Prozent liegen.

Nur ein Finanzieru­ngsmodell wie die Steuerwidm­ung in Italien, das Transparen­z, Informatio­n über die Verwendung der Mittel und Kontrolle durch den Staat einschließ­t, wird Zukunft haben. Ein Modell also, bei dem jeder Bürger sich demokratis­ch für den Staat oder für eine anerkannte Religionsg­emeinschaf­t engagiert.

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