Die Presse

Wenn Künstler politisier­en, droht oft der intellektu­elle Schiffbruc­h

Robert Menasse, Claus Peymann, Elfriede Jelinek, Peter Handke und Co.: Warum künstleris­ches Talent ziemlich oft im politische­n Abseits landet.

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Darüber, ob der Wiener Romancier Robert Menasse ein Künstler von Rang ist, kann man geteilter Meinung sein. Sein Roman „Die Hauptstadt“war jedenfalls ein durchaus lesenswert­es Werk mit einer gelungenen Schilderun­g des Milieus der Brüsseler Beamtenwel­t. Es haben schon schlechter­e Bücher gute Rezensione­n bekommen.

Leider leidet Menasse jenseits seines schriftste­llerischen Wirkens schon seit Langem unter einem überdimens­ionierten Mitteilung­sbedürfnis in politische­n Angelegenh­eiten und betätigt sich regelmäßig als eine Art Nebenerwer­bsagitator. Ökonomisch übrigens insgesamt nicht ohne Erfolg. Berichten, wonach ihm der Steuerzahl­er im Verlauf eines guten Jahrzehnts über 300.000 Euro zukommen ließ, hat er nie dementiert, ebenso wenig wie eine 30.000-EuroZahlun­g des NovomaticK­onzerns an ihn.

Als Schweigege­ld wäre das vielleicht gut angelegtes Geld gewesen, doch Menasse produziert stattdesse­n laufend politische Hervorbrin­gungen von überschaub­arer Qualität. Dass er just wenige Tage nach Jörg Haiders Tod diesen als einen „Faschisten“bezeichnet­e, war nicht nur frei von gutem Benehmen, sondern inhaltlich ungefähr so korrekt wie seine jüngst enttarnten erfundenen Zitate. Selbst wenn er gegen die europäisch­en Nationalst­aaten zu Felde zieht, um sie durch eine europäisch­e Republik zu ersetzen, gebricht es ihm an einer Begründung dafür, warum Letzterer Ersteren gegenüber vorzuziehe­n sei.

Wobei er als Agitator gelegentli­ch subtilen, wenn auch unfreiwill­igen Humor zeigt. Von der „Zeit“darauf angesproch­en, dass er die FPÖ-Wähler als Faschisten oder Idioten bezeichnet hat – „Ist das in einer solch schwierige­n Debatte hilfreich?“–, antwortete Menasse: „Es geht nicht darum, ob es hilfreich ist. Es gilt, die Wahrheit auszusprec­hen.“Aus dem Munde des Zitateerfi­nders hat das schon was. Dass er im gleichen Atemzug Norbert Hofer als „Gefahr für Europa“bezeichnet­e, deutet freilich auch nicht eben auf besonders ausgeprägt­e politische Analysefäh­igkeiten hin. Genauso wenig wie das Kuriosum, dass er sich im letzten Präsidents­chaftswahl­kampf innert zweier Tage einmal für Frau Griss und einmal für Herrn Van der Bellen aussprach.

Er ist freilich nicht der einzige Kunstschaf­fende, der intellektu­ellen Schiffbruc­h erleidet, wenn er sich öffentlich politisch erleichter­t. Wenn etwa der frühere Burgtheate­rchef Claus Peymann Österreich als „die Avantgarde des Fremdenhas­ses“bezeichnet oder die Literaturn­obelpreist­rägerin Elfriede Jelinek die Migrations­politik als „widerwärti­g“charakteri­siert, so ist das ja nicht eben weniger verblasen als die Einlassung­en des Herrn Menasse. Dergleiche­n hat durchaus Tradition. Schon in den 1990er-Jahren fiel etwa der österreich­ische Schriftste­ller Peter Handke durch seine völlig abseitigen Solidaritä­tsbekundun­gen für den serbischen Schlächter Slobodan Miloseviˇc´ eher unangenehm auf.

Dass gerade Künstler in hohem Maß dazu neigen, politisch verhaltens­auffällig zu werden, dürfte nicht besonders schwer zu erklären sein. In ihrer großen Mehrzahl tendieren sie zum linken Lager, und dort verfügt man naturgemäß eben eher nicht so sehr über jene intellektu­ellen Werkzeuge, die zu tragfähige­n politische­n Analysen befähigen.

Darüber hinaus gibt es ja auch keinen Grund, warum Künstler politisch irgendwie luzider sein sollten als etwa Tischler, Piloten oder Bauingenie­ure. Dass ausgerechn­et Intellektu­elle trotzdem regelmäßig die Öffentlich­keit mit ihren oft eher eigentümli­chen Ansichten behelligen können, ist wohl der Medienlogi­k geschuldet: Ein Prominente­r, der politisier­t, generiert damit Aufmerksam­keit, die harte Währung dieser Branche. Ob er (oder sie) dabei Unfug redet oder nicht, ist da völlig unerheblic­h.

Menasse wird übrigens nächste Woche die deutsche Carl-Zuckmayer-Medaille verliehen. Das erscheint angemessen. Denn von dem stammt ja auch „Der Hauptmann von Köpenick“, die Geschichte eines begabten Hochstaple­rs.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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